Tischfussball, Pierogi und ein Herz, das für Polen schlägt

Sabine Abramek hat polnische Eltern, wuchs in Zürich auf und ist schon seit der Lehre bei den VBZ. Seit 2004 sammelt sie Panini-Bilder und kann – wirklich gut – Tischfussball spielen. Am Samstag schlägt ihr Herz für Polen.

Ich treffe Sabine in der Kantine bei einem Kaffee an. Wie es während der EM so üblich ist, bleiben selbst Kantinengespräche nicht verschont vom Fussball. Sabine mag diese Gespräche nicht besonders.  «Viel lieber mag ich Tischfussball», und wirft einen herausfordernden Blick auf den Töggelikasten. Auch wenn sie keine Fussballexpertin ist, weiss sie so einiges über die polnische Nationalelf. «Lewandowski und Milik mag ich am liebsten», sagt sie stolz. Aufgeschlossen, mit einer sympathischen Ausstrahlung. Clever, aufgeweckt und immer eine gute Antwort parat. Das ist Sabine Abramek.

 

Das erzwungene Glück

Ich lasse mir die Gelegenheit nicht entgehen und fordere sie zum Tischfussballduell heraus. Ich für die Schweiz, sie für Polen. Nach fünf Minuten spannendem Ballwechsel steht es 3:4. Mein Ablenkungsmanöver – ein Pausentee – verwirft sie gekonnt: «Spielen wir fertig». So kommt es, wie es kommen musste. Mit dem nötigen Quäntchen Glück kann sie den Sieg erzwingen.

Dieses Quäntchen Glück hatte auch ihr Vater, der in den Sechzigern aus Polen in die Schweiz kam. Wie viele andere Einwanderer zu dieser Zeit, wollte er sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und ein besseres Leben, abseits vom kommunistischen Polen, anstreben. Hier angekommen, blieb er in ständigem Briefkontakt mit einer jungen Bekannten aus der Heimat. Diese Dame, die später Sabines Mutter werden sollte, folgte ihm in die Schweiz. Bereits bei ihrem ersten Besuch verliebte sie sich in ihn. Beim zweiten Besuch war die Sache dann klar: Sie würde nicht wieder nach Polen zurückkehren.

«Als meine Grossmutter meine Mutter zum Bahnhof begleitete wusste sie, dass sie ihre Tochter für sehr lange Zeit nicht mehr sehen würde»

«Das Endprodukt warst dann du», sage ich schmunzelnd. «Ja, und meine Schwester», erwidert sie. So viel zu einer sehr rührenden Geschichte über eine Migrantenfamilie. Es ist immer wieder verblüffend, wie weit man für die Liebe reist.

 

Das halbe Leben bei den VBZ

So kam es, das Sabine in der Zürcher Peripherie aufwuchs, bis sie nach der Sekundarschule eine kaufmännische Ausbildung antrat. «Bei den VBZ», sagt sie und lacht. «Seit nun 18 Jahren». Irgendwie kaufe ich ihr diese Story nicht ganz ab. Aber vielleicht ist es so. Ehe man sich versieht, vergehen die Jahre. Wir schweifen ab und streifen das Thema Essen. Nicht ganz zufällig: Es ist schon früher Abend und seit dem Mittagessen viel Zeit vergangen.

«Die polnische Küche ist sehr kalorienreich», erzählt sie. Es gibt zwei Spezialitäten: das Nationalgericht Bigos, ein Sauerkrauteintopf, und die gefüllten Teigtaschen Pierogi, ähnlich wie Ravioli. Speziell sei in Polen die Weihnachtszeit. An Heiligabend werden sage und schreibe zwölf verschiedene Hauptspeisen aufgetischt. «Darauf freue ich mich jedes Jahr», so die Direktionsassistentin. Die Vorfreude steht ihr förmlich im Gesicht geschrieben.

 

Der Takt macht den polnischen Tanz

Wo wir gerade bei «Vorfreude» sind; Ausgerüstet mit Polen-Trikot und Schal kann Sabine den Samstag kaum erwarten. «Das Spiel wird wie unser Tischfussball-Match ausgehen», sagt sie und zwinkert mir zu.

«Ich kann nicht genau sagen, wieso mein Herz einen Takt fester für Polen schlägt. Es ist halt so»

Besser als jeder Trainer kennt sie auch die Schwachstellen der Schweizer. In den letzten 20 Metern seien sie verschwenderisch, sie wüssten «nichts mehr mit dem Ball anzufangen». Verschwenderisch; So sei auch ihre Panini-Bildli-Sammelsucht gewesen. Seit 2004 fehlt kein einziges Abziehbildchen. Jetzt sei aber genug. «Seit diesem Jahr sammle ich nicht mehr», erklärt sie. Es werde immer teurer. Knapp einen Franken für ein Päckli zu zahlen sei ihr «zu viel».

Das Achtelfinale gegen die Schweiz wird sie im engen Kreise schauen. Schwester, Nichte, Neffe, zwei Freunde und ihre Mutter feuern zusammen das östlichere Weiss-Rot an. Wer die Tore schiessen soll, ist ihr egal, «Hauptsache, sie machen sie», sagt sie abschliessend und lacht.

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