Mission Sauberkeit

Oft unbemerkt von den Fahrgästen sorgen sie an den Endhaltestellen für die Sauberkeit der Fahrzeuge. Ein Blick hinter die Kulissen des VBZ-Clean-Teams, hinter die Menschen und ihre Geschichten.

Montag, kurz nach 8 Uhr. Eine fröhlich plaudernde Truppe blau gekleideter Menschen überquert den Zebrastreifen vor dem Depot Hard. Vom Escher-Wyss-Platz schwirren sie aus, mit Tram und Bus, in alle Himmelsrichtungen. Wie jeden Morgen. Es ist kein Polizeieinsatz, obwohl auch sie für Ordnung sorgen. Ihr Auftrag ist es, die Fahrzeuge der VBZ über den Tag sauber zu halten. Jeweils an den Endhaltestellen entfernen die fast unsichtbaren Helferinnen und Helfer die Hinterlassenschaften der Fahrgäste. Oft sind es Zeitungen, Flaschen, Taschentücher, Plastikmüll oder Fundgegenstände wie Schirme, Mützen und Handschuhe, die über den Fahrer ans Fundbüro gegeben werden. Es kommt aber auch vor, dass ganze Einkaufstaschen, Rucksäcke oder sogar Menus in Tupperware liegengelassen werden.

Das Team vor der ersten Schicht am Morgen im Depot Hard. (Bild: Julia Müller)

Das VBZ-Clean-Team wurde 1999 ins Leben gerufen, als Antwort auf die zunehmende Abfallmenge in den Fahrzeugen wegen der neu eingeführten Gratiszeitungen. Rund 600 Kilogramm werden von den Mitarbeitenden täglich eingesammelt und entsorgt – gut erhaltene Exemplare der Gratiszeitungen zurück in die Boxen befördert. Das Team besteht  zur einen Hälfte aus Asylsuchenden und Flüchtlingen, die von der Asylorganisation Zürich (AOZ) vermittelt werden und zur anderen Hälfte aus Personen, die von der Sozialhilfe innerhalb des Beschäftigungsprogrammes angestellt sind. Im Mittelpunkt steht dabei die berufliche und soziale (Wieder-)Integration. So ist es auch sehr unterschiedlich, wie lange die Leute beim Clean-Team bleiben – manche ein paar Jahre, ältere Personen oft bis zur Pensionierung. Die Arbeit gibt ihnen Halt, einen Rhythmus und vor allem eins: den Kontakt und Austausch mit andern Menschen.

Entern im Minutentakt

Am Bahnhof Tiefenbrunnen sind heute Annemarie Fassbind und Musie Tsegay im Einsatz. Zwei Tram- und eine Buslinie enden und wenden hier, wo die Stadt Zürich zwischen SBB-Gleisen und See fliessend in die Gemeinde Zollikon übergeht. Es muss alles schnell gehen, im Minutentakt rollen Fahrzeuge ein. Für die Entrümpelung des Innenraums bleiben zwei bis drei Minuten, wenn es gut kommt. Zwischendurch werden die 60-jährige Schweizerin und der 28-jährige Eritreer von Fahrgästen angesprochen, um eine Auskunft oder ein Exemplar der eingesammelten Zeitungen gebeten.

Annemarie Fassbind ist seit knapp einem Jahr Teil des Clean-Teams und fühlt sich sichtlich wohl. Die Fahrgäste aber vor allem auch das VBZ-Fahrpersonal seien dankbar, grüssen und hätten auch ab und zu Zeit für einen kurzen Schwatz. Lange hat sie im Gastgewerbe gearbeitet, oft am Abend und in der Nacht. Umso mehr geniesst sie die «normalen» Arbeitszeiten. Musie Tsegay ist aus einem andern Grund beim Clean-Team – er sucht eine Perspektive. Eine solche hatte er in seinem Heimatland Eritrea nicht. Für seinen Traum, eine Festanstellung bei den VBZ, arbeitet er hart, ist konzentriert und aufmerksam. Zwei Wochen durfte er vor Kurzem als Baumaler schnuppern. Der nächste Meilenstein auf seinem Weg ist die bevorstehende Deutschprüfung.

Es muss alles schnell gehen, im Minutentakt rollen Fahrzeuge ein.

Schauplatzwechsel zum Klusplatz. Mohamed Ben Ali aus Tunesien hat immer die elektronische Abfahrtsanzeige im Blick. So weiss er genau, wie viel Zeit bleibt, bis sich die Trams und Busse wieder auf ihre Fahrt quer durch die Stadt begeben. Er ist seit vier Monaten beim Clean-Team. Am Anfang hätte er jeden Abend Schmerzen gehabt, aber man gewöhne sich an die Arbeit, sagt er. Zielgerichtet rückt er schiefhängende Werbekartons gerade und greift hinter die speziell dafür montierten Wände – ein Ort, an dem Fahrgäste gerne leere Flaschen verstecken.

Mohamed Ben Ali im Einsatz am Klusplatz. (Bild: Julia Müller)

Zurück im Depot, nehmen die meisten Teammitglieder gemeinsam das Mittagessen ein. Es wird gesungen, geflucht, gelacht, in den unterschiedlichsten Sprachen. Und es wird geredet, fast immer auf Deutsch – die Sprache, die alle irgendwie verbindet. Leute aus der Schweiz, aus der Türkei, Kurdistan, dem Irak, dem Iran, Tunesien, Afghanistan, Somalia, Eritrea, Italien, Portugal, Spanien und Kuba, hier sitzen sie alle zusammen an einem Tisch.

Eine Fahrt mit Begleitung

Antonella Leonforte ist seit über drei Jahren die Leiterin und das Herz des VBZ-Clean-Teams. Mit ihrer energiegeladenen, empathischen und doch strengen Art hat sie genau das richtige Rezept zum Führen der rund 40 Mitarbeitenden gefunden. Ihre Aufgabe sieht sie darin, den Menschen aufzuzeigen, dass es weitergeht und sie auf ihrer «Fahrt» zu begleiten. «Schlussendlich geht es bei allen um das gleiche: Etwas machen zu können und von der Gesellschaft akzeptiert zu werden», meint sie. «Das Clean-Team ist keine End-, sondern eine wichtige Umsteigehaltestelle.» Die Arbeit sei auf eine ganz eigene Art intensiv; die Schicksale, die Geschichten jedes einzelnen Teammitgliedes berühren und nehmen mit. Umso mehr freut sie sich, wenn jemand eine Chance im regulären Arbeitsmarkt bekommt. Wie zum Beispiel Pasang Gherampa, der nach knapp zwei Jahren Clean-Team eine Festanstellung im Bereich «Kalte Küche» fand und nun seine zurückgebliebene Familie aus dem Tibet in die Schweiz holen darf. Oder Rahman Jami aus Afghanistan, der seit dem letzten Jahr bei VBZ Traffic Media arbeitet.

Antonella Leonforte plant und koordiniert die Einsätze des Clean-Teams. (Bild: Julia Müller)

Sauberkeit auf der ganzen Linie

Fast 500 VBZ-Fahrzeuge sind täglich in Zürich unterwegs. Diese sauber zu halten, ist nicht nur die Aufgabe des Clean-Teams, sondern ein Zusammenspiel der unterschiedlichsten Abteilungen innerhalb der VBZ. Bei gröberen Verschmutzungen werden über den Fahrer Mitarbeitende aufgeboten, die diese beseitigen. Nach der abendlichen Einfahrt ins Depot werden die Fahrzeuge vom Instandhaltungsteam gereinigt. Und alle sieben bis zehn Tage heisst es: Ab in die Grosswaschanlage. 

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