Wohnungsnot, Mietwucher und Korruption mitten in Zürich: Die Autorin Gabriela Kasperski liest anlässlich des Buch- und Literaturfestivals «Zürich liest» im Krimitram aus ihrem zuletzt erschienenen Buch «Zürcher Filz». Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen vergangener literarischer Tramfahrten und weshalb das Zürcher Riesbach-Quartier Schauplatz des aktuellen Kriminalfalls ist.
«Zürich liest» ist das grösste Literatur- und Buchfestival der Schweiz und vereint während fünf Tagen die vielfältigsten Literaturformen an den unterschiedlichsten Orten. Mehr als 300 Autorinnen und Autoren lesen in Buchhandlungen, in Verlagen, auf Theaterbühnen und Schifffahrten, bei Rundgängen und im Tram. Mit dabei: Die Zürcher Krimiautorin Gabriela Kasperski.
Im Krimitram der VBZ liest sie aus ihrem Buch «Zürcher Filz», das für den Schweizer Krimipreis 2021 nominiert wurde. Eine Geschichte über den von Mietwucher und Korruption beherrschten Zürcher Immobilienmarkt – den Zürcher Filz – und den gnadenlosen Kampf um günstigen Wohnraum, wofür manche sogar über Leichen gehen.
Frau Kasperski, weshalb spielt Ihr neuer Krimi ausgerechnet im
Zürcher Riesbach-Quartier?
Ich wohne unweit vom Riesbach-Quartier entfernt. Früher habe ich oft meine Tochter zur Schule begleitet und bin dabei am Seeburgpark vorbeigelaufen. Besonders die Villa, die früher dort auf dem Grundstück stand, hat mich fasziniert. So begann ich zu recherchieren. Da ich realistische Krimis schreibe, wähle ich jene Schauplätze für meine Erzählungen aus, die mich in meinem Umfeld inspirieren.
In «Zürcher Filz» geht es um das Verschwinden einer reichen Immobilienerbin und um ihre Stiftung, in der Korruption und Mietwucher herrschen. Haben Sie selbst auch schon Erfahrungen mit der Wohnungsknappheit gemacht?
In meinen Büchern spiegle ich immer wieder Themen, die mich selbst beschäftigen. So entsteht ein Mix aus Dingen, die ich selbst erlebt habe und solchen, die ich erfinde. Für mich wirkt die Geschichte so persönlicher und authentischer. Als Stadtzürcherin weiss ich, dass die Wohnungsknappheit in Zürich ein Thema ist. Ich selbst habe sieben Jahre nach einer Wohnung für mich und meine Familie in der Stadt gesucht, bis wir schliesslich aufs Land gezogen sind.
Und doch leben Sie heute wieder in der Stadt. Wie kommt das?
Ich glaube, ich habe ganz einfach mein Herz an die Stadt verloren. Wie gesagt, ich bin hier teilweise aufgewachsen und habe auch in meiner Studienzeit in einer WG in Zürich gelebt. Diese Stadt inspiriert mich.
Ihre Liebe gilt also der Stadt Zürich – und Krimis. Wieso hat es Ihnen gerade dieses Genre so angetan?
Meine Liebe zu Krimis hat mit meinem Studium begonnen. Ich habe Anglistik studiert und daher oft englische und amerikanische Literatur gelesen, darunter viele Krimis. Was mich am meisten an ihnen fasziniert, ist, dass die Menschen darin jeweils in Extremsituationen dargestellt werden. Das macht es so spannend, darüber zu schreiben.
Eine spezielle Situation ist jeweils auch die Lesung im Krimitram.
Das stimmt! Die Lesung im Krimitram ist auf der einen Seite herausfordernd, da man viel weniger Kontakt zum Publikum hat als üblich. Auf der anderen Seite ist es jeweils ein ganz besonderes Erlebnis. Während der Lesung fährt man durch die Stadt und kann direkt Orte oder Menschen von draussen miteinbeziehen. So entsteht eine spannende Verbindung zwischen Text und Aussenwelt.
Auf was freuen Sie sich dieses Jahr besonders?
Dieses Jahr darf ich die Lesung im Krimitram mit meiner Kollegin Petra Ivanov halten. Darauf freue ich mich besonders. Es wird die Lesung der zwei Zürcher Krimi-Autorinnen! Wir beide stellen je unser zuletzt erschienenes Buch – «Zürcher Filz» und «Stumme Schreie» – vor. Beide Geschichten haben eine Gemeinsamkeit: In deren Zentrum steht ein Ermittler-Paar.
Für wen eignet sich die Lesung im Krimitram?
Für alle, die sich für Krimis interessieren. Die Lesung im Krimitram fühlt sich jeweils so an, als würden wir gemeinsam in einem Boot sitzen und ein Abenteuer erleben. Mich dünkt, die Leute steigen glücklicher aus dem Tram aus, als sie eingestiegen sind.
Was ist das Erste, das Ihnen beim Wort «Tram» in den Sinn kommt?
Dieser rollende Geräusche-Teppich, der omnipräsent ist, aber niemals stört. Das ruppige Rauschen, wenn ein Tram einfährt. Und das Bild, wie ich im Tram über die Brücke zum Bellevue fahre und dabei auf den See blicke. Für mich sind die Trams von Zürich ein Stück Heimat.
Die diesjährige Ausgabe des Buch- und Literaturfestivals «Zürich liest» fand vom 27. bis 31. Oktober 2021 statt. Weitere Infos gibt es hier.
Krimitram am «Zürich liest» 2021
Sonntag, 31. Oktober 202111.50 – 12.55 Uhr Andreas Russenberger 14.50 – 15.55 Uhr Marc Späni 16.20 – 17:25 Uhr Petra Ivanov und Gabriela Kasperski Einstieg an der Extrafahrten-Haltestelle Bellevue