Die Fahrgäste schätzen eine Mitsprachemöglichkeit

Im Vorfeld des diesjährigen Fahrplanwechsels wurde die Bevölkerung im Quartier Neubühl aufgefordert, über die Zukunft der Linie 66 abzustimmen. Das Resultat hat überrascht.

Zum Fahrplanwechsel hin ändert sich – wie jedes Jahr – so einiges im Öffentlichen Verkehr. Am diesjährigen 15. Dezember gilt das etwa für die Linie 66. Sie fährt ausserhalb der Stosszeiten etwas weniger oft als bisher, dafür aber durchgehend eine längere Strecke bis zum Bahnhof Enge. Vorher war es umgekehrt: Es galt während des gesamten Tages ein 7.5-Minuten-Takt bis Neubühl, die Linie endete ausserhalb der Stosszeiten jedoch im Morgental. 

Zweifellos bietet beides Vor- und Nachteile. Deshalb flatterten 1450 Postkarten im August 2023 in die Haushalte des Neubühl-Quartiers, wo die Linie 66 fährt. Die VBZ befragten – zum ersten Mal auf diese unmittelbare Weise – die Fahrgäste direkt nach ihrer Präferenz für einen von zwei Angebotsvorschlägen. Kerstin Gärtner, Fachleiterin Servicequalität, und Jonas Portmann, Angebotsplaner, haben uns erzählt, wie sie diese Umfrage erlebt haben und wie mit dem verblüffenden Resultat umgegangen wurde.

Ist es üblich, die Fahrgäste bei Anpassungen des Angebots miteinzubeziehen?

J.P (Jonas Portmann): Im Rahmen des Fahrplanverfahren gibt es die sogenannte Fahrplanauflage. Hier wird die Bevölkerung über Angebotsänderungen informiert und kann Feedback an die Gemeinde geben. Eine Umfrage zu einer Angebotsänderung ist allerdings nicht die Regel.

K.G (Kerstin Gärtner): Wir beziehen unsere Kunden vor allem bei Innovationen mit ein – beispielsweise werden QR-Kleber an den Haltestellen angebracht, um Feedback zu Innovationen an Haltestellen abzuholen. Auch auf der Plattform vbz-mitreden.ch werden regelmässig Umfragen zu verschiedenen Themen durchgeführt. Ein so unmittelbarer Miteinbezug wie bei der Linie 66 ist aber neu und das Resultat einer abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit.

1450 Postkarten wurden zur Abstimmung zwischen zwei Angebotsvarianten an die Haushalte im Quartier Neubühl versandt. Wie war die Resonanz?

K.G: Wir erhielten 400 Antworten, das heisst 27 Prozent der Adressaten haben mitgemacht. Das ist ein schöner Erfolg und zeigt, dass die Fahrgäste eine Mitsprachemöglichkeit schätzen.  

Worum ging es bei der Umfrage konkret?

J.P. (Jonas Portmann): Bis anhin endete die Linie 66 ausserhalb der Stosszeiten beim Morgental. Wir haben ein Angebot unterbreitet, bei dem wir – ohne mehr Busse beschaffen zu müssen – während des gesamten Tages durchgehend bis 20 Uhr bis zum Bahnhof Enge fahren (siehe Vorschläge in der Textbox).

Vorschlag 1 – Aktuelle Situation: 
Die Linie 66 verkehrt den ganzen Tag in dichtem Takt (z.B. alle 7.5 Minuten) zwischen Neubühl und Morgental. Die Busse fahren nur mittags und zu den Hauptverkehrszeiten bis Bahnhof Enge.

Vorschlag 2 – Alternativer Vorschlag: 
Die Linie 66 fährt zu den Nebenverkehrszeiten in weniger dichtem Takt (z.B. alle 15 Minuten). Der dichtere 7.5-Minuten-Takt zu den Stosszeiten morgens und abends wird beibehalten. Die Busse verkehren den ganzen Tag bis Bahnhof Enge.
Welcher Vorschlag machte das Rennen?

K.G: Beide Vorschläge erhielten exakt 50 Prozent. Damit haben wir nicht gerechnet!

Oh je. Bedeutet aber auch, dass beide Vorschläge ihre Berechtigung hatten. Wie sind Sie mit diesem Resultat umgegangen?

J.P: Unser Favorit war ja, eine grundlegende Änderung einzuführen, also der Vorschlag 2.Nachdem das Resultat so unentschieden ausfiel, zogen wir das Fazit, dass unser Fachwissen gefragt ist. Generell stossen Angebotsänderungen anfänglich bei vielen Menschen eher auf Skepsis …

… und sind mit der Zeit trotzdem gut akzeptiert?

J.P: Ja genau, in den meisten Fällen gewöhnen sich die Fahrgäste an das neue Angebot und sehen schliesslich auch dessen Vorteile.

Also haben Sie das von Ihnen favorisierte Angebot umgesetzt?

Ja, aber natürlich nicht im Alleingang. Wir haben die Ergebnisse der Umfrage wie auch unseren Rückschluss daraus dem Quartierverein präsentiert. Dieser hat sich daraufhin nochmals ab- und uns sein Einverständnis mit dem geplanten Vorgehen ausgesprochen.

Zurück zur Umfrage. Auf welche Weise konnten sich die Einwohnerinnen und Einwohner des Quartiers einbringen?

K.G.: Sie konnten sich für eine der beiden Variante entscheiden und entweder per rückfrankierter Postkarte oder online via QR-Code antworten. Wir erhielten 53 Prozent der Antworten per Postkarte und 47 Prozent online.

Wird es in Zukunft noch mehr derartige Umfragen geben?

J.P: Wir haben uns intern noch nicht festgelegt, ob wir dieses Instrument weiterverwenden wollen. Ich kann aber verraten, dass wir durchwegs ein positives Fazit gezogen haben. Uns interessiert die Sicht der Fahrgäste sehr, die Anzahl der Antworten war auch sehr hoch. Die Linie 66 diente ausserdem als gutes Beispiel, weil man sich zwischen zwei einfachen Fragestellungen entscheiden konnte.

Grössere ÖV-Projekte eignen sich also nicht?

J.P: Wenn wir als Beispiel für so ein Projekt die Angebotsänderungen bei den Bussen im Limmattal per Dezember 2022 mit der Einführung der Limmattalbahn ansehen, wäre es für die Fahrgäste nahezu unmöglich gewesen, all die Abhängigkeiten zu durchschauen und zu bedenken. Es gibt für die Bevölkerung aber ohnehin die Möglichkeit, sich einzubringen.  So hat sie bei der Fahrplanauflage, die jeweils im März alle zwei Jahre stattfindet, einen Monat lang Zeit, ihre Meinung und Änderungsvorschläge über die Gemeinde zu platzieren.

Was ist der Vorteil für die VBZ, wenn sich die Fahrgäste einbringen?

J.P: Uns gibt das einen gewissen Rückhalt. Wir wissen dann, dass geplante Änderungen bei der Bevölkerung auf Zuspruch stossen und den gewünschten Nutzen bringen.

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