Der Feuerwehrmann vom Wagi-Museum

Die neue Limmattalbahn und ein besseres Busangebot: Per 11. Dezember 2022 bewegt sich einiges im Limmattal. Auf diesen Anlass hin stellen wir in einer Mini-Serie Menschen vor, die im Limmattal ebenfalls etwas bewegen. Heute: Rolf Wild, Präsident des Wagi-Museums in Schlieren.

Einst lag in Schlieren – auf rund 126’000 Quadratmetern, was ziemlich genau der doppelten Fläche des berühmten Louvre in Paris entspricht – ein Industriegelände, das in seiner Wirkung weit über die Landesgrenzen hinausstrahlte: die Schweizerische Wagons- und Aufzügefabrik AG. Über die Firma, die ab 1895 zu wachsen begann, und deren Geschichte in den 1980er-Jahren zu Ende ging, legt heute das Wagi-Museum Zeugnis ab.

Das neu umgebaute WAGI Museum lässt sich sehen.

Herzblut und Handwerk

Ende September dieses Jahres wurde das Museum in einem neuen, grösseren Gebäude (mit nunmehr 650 statt 100 Quadratmetern) wiedereröffnet. Wie in vielen Einrichtungen mangelte es nach der Corona-Krise auch hier an Geld, sagt Wild, weswegen es sich erst einmal um eine Teileröffnung gehandelt habe. Möglich wurde das «Remake» des Museums ohnehin nur dank einem Team mit viel Herzblut: «Aktuell sind hier rund zehn Personen am Werk – mehrheitlich Pensionierte, die Freude am Tüfteln und Schrauben haben und das Handwerk verstehen», erklärt der 72-jährige.

Als Beispiel für die «Nifeliarbet», die im Wagi-Museum anfalle, führt Wild das Modell eines Speisewagens an, dessen Original ebenfalls im Museum zu bestaunen sei. Es handelt sich dabei um einen Wagon der Rhätischen ‹Bernina-Bahn›, welcher einst als Wagen für General Guisan eingesetzt wurde. «Zu jener Zeit bot unter anderen die mitteleuropäische Schlaf- und Speisewagen Aktiengesellschaft (MITROPA) entsprechende Angebote auf Schweizer Geleisen an», erklärt Wild. Und so sei man während des Zweiten Weltkrieg mit Guisans Wagon nach Berlin gefahren, um eine deutsche Küche in das Gefährt einbauen zu lassen.

Ein professioneller Freiwilligenarbeiter und seine Verbundenheit mit Schlieren

Wer glaubt, dass der Präsident eines «Bahnmuseums» zwingend ein Bähnler gewesen sein muss, sieht sich getäuscht. Seine Geschichtskenntnisse «bezieht» Wild unter anderem von der Vereinigung Heimatkunde, die er übrigens ebenfalls präsidiert, und zu dem auch das Ortsmuseum Schlieren gehört. Was den Ur-Schlieremer nämlich in erster Linie antreibt, sind Liebe und Leidenschaft für seine Heimatgemeinde.

Festorganisator, Feuerwehrmann, Museumspräsident und oberster Turner im Kanton: Rolf Wild ist ein Multitalent – und braucht nicht viel Schlaf.

Dass Wild dem Verein Wagi Schlieren vorsteht, entstand primär aus einem Gefühl heraus – dem, dass es ihn brauche, wie er sagt. Als ihm Betriebsleiter Patrick Bigler das Museum im Rahmen des «Schlierefäschts» vor vier Jahren vorstellte, wurde offensichtlich, dass man einen erfahrenen Administrator wie Wild nur zu gut gebrauchen könnte. Bigler, dank seiner Funktion im Museum 2021 übrigens ebenfalls «Limmattaler des Jahres», konnte Wild schliesslich für die Sache gewinnen: Einmal mehr habe er «also gut, ich mache es» gesagt, meint der Allrounder mit einem Schmunzeln.

Rolf Wilds Bindung zum Wagi-Areal hat aber auch einen emotional-familiären Grund: «Als Bub holte ich hier meinen Vater oft zum gemeinsamen Mittagessen ab; er war ein ‹Wagianer›». Die Väter seien im damals klassischen Industriedorf Schlieren entweder im Gaswerk, bei der Leimfabrik ‹Geistlich›, in der Färberei oder eben in der «Wagi» angestellt gewesen, erklärt Wild.

Drücken, Hebeln und den Rucksack nach Graubünden packen

Die Macher des Museums möchten den ehemaligen Wagi-Turm nachbilden, der 1985 gesprengt wurde. Gemäss Wild sind auch interaktive Elemente angedacht, damit grosse und kleine Kinder etwas zum «Drücken und Hebeln haben». So entsteht beispielsweise ein Fahrsimulator in einem alten Führerstand. Auch an Exponaten fehle es dem Museum nicht, erklärt der Präsident. Alle zwei bis drei Monate melde sich wieder jemand und sage: «Grüezi Herr Bigler, wir hätten da noch eine Bahn.» Auch der Triebwagen, der draussen vor dem Museums-Entrée steht und heute als Räumlichkeit für Apéros dient, konnte praktisch in letzter Sekunde vor der Verschrottung gerettet werden.

Dieser schöne Wagon der Firma Schlieren lässt sich heute für geschlossene Gesellschaften zum Apéro mieten.

Mit ein Grund für die Teileröffnung des umgezogenen Wagi-Museums von Ende September war denn auch die Idee, den Ort stärker als Eventlokalität zu positionieren. Was bereits zu funktionieren scheint: So fand unlängst eine Koch-Performance statt, ebenso gehen regelmässig Bankette und die Zaubershow «La via Magica» über die Bühne.

Bis im Museum alles wie geplant umgesetzt ist, krempelt Wild weiter die Ärmel hoch. Dann aber möchte der «professionelle Freiwilligenarbeiter», wie er sich selber nennt, kürzertreten – auch wenn er seit seiner Pensionierung nachts tatsächlich sechs Stunden schläft, anstatt wie vorher deren fünf… Seine Station nach der endgültigen Pensionierung wird dann der Kanton Graubünden sein, den er als «Wahlheimat» auserkoren hat. Dort wird er den Rucksack montieren und etwas für seine Gesundheit tun: Biken und Wandern nämlich. Ganz wird Schlieren seinen langjährigen Mehrfach-Präsidenten aber wohl auch künftig nicht entbehren müssen: Rolf Wild hat entschieden, beim Aufbruch in die Höhe auch eine Portion «Büro» mit einzupacken. Und zwar – da drückt dann wieder die Präzision des Finanzexperten durch – exakt vier Säcke voll. Also genauso viel, wie er tragen kann.

«Iischtiige, bitte!»: Das WAGI Museum ist seit Ende September für Besucherinnen und Besucher wieder geöffnet. siehe https://schlieren.net/

 

Der Limmattaler ÖV ab 11. Dezember 2022

Am Fahrplanwechsel bricht eine neue Ära für das Limmattal an: die Einführung der Limmattalbahn. Auch auf dem Busnetz wird einiges umgekrempelt. Was genau, erfahren Sie unter vbz.ch/limmattal

Artikel teilen:

Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie unserer Datenschutzerklärung zu.
Mehr erfahren