Geburtstagsfest im Tram-Museum

Eine Art «Open House Party» war’s, als die Grossstadt Zürich am Freitag zum 125. Geburtstag in zahlreiche ihrer Abteilungen lud. Die VBZ konnten im Depot Burgwies besucht werden, wo sie gemeinsam mit dem Tram-Museum Zürich kostenlose Einblicke in Geschichte und Gegenwart des öffentlichen Verkehrs präsentierten.

 

Der Regen an diesem Tag des Festes? Nein, der sei kein Problem, heisst es im Tramdepot Burgwies. Museumswetter eben, kein Badewetter. Geradezu Glück, eigentlich, wo doch nicht nur hier im Tram-Museum Zürich sondern auch in verschiedensten Abteilungen der Stadt heute Tag der offenen Tür ist – und in allen städtischen Bädern…

Laut oder überfüllt scheint die «Party» hier dennoch nicht zu sein. Eher herrscht die Stimmung eines gepflegt-angeregten Kaffee-Kränzchens, jedenfalls viel interessierte Betriebsamkeit. Da sind zum Beispiel kleine Gäste, die eifrig das Steuer des «Lisebethlis» ergreifen, eines Trams der ehemaligen Limmattal-Strassenbahn mit Baujahr 1900. Dort begutachten ein paar Leute aufmerksam den «Elefanten», das typische Züri-Tram, das in den Sechzigerjahren von den «Mirages» abgelöst wurde. Und vorne auf der Strasse in Richtung Rehalp kurvt das «Kurbeli» aus den Vierzigerjahren auf der Museumslinie 21 von Rehalp bis Bahnhof Wiedikon und zurück – besetzt mit treuen Freunden von Nostalgiefahrten.

Prägend wie Grossmünster und Prime Tower zusammen

«Bisher hatten wir im Museum heute an die 300 Besucherinnen und Besucher», sagt Sarah Lüssi, Geschäftsführerin der Stiftung Tram-Museum Zürich. Bis am Abend, so ihre Erwartung, werden es an die 400 sein.

Gefeiert wird der 125. Geburtstag der Grossstadt Zürich. Damals, 1893, fuhr erst das private Rösslitram durch Zürichs Strassen. Doch schon 1894 gabs die ersten elektrischen Trams der ESZ (Elektrische Strassenbahn Zürich) auf der Strecke Burgwies-Kreuzplatz-Bellevue und Bellevue-Kunsthaus-Römerhof-Kreuzplatz. Die Gründung der StStZ (Städtische Strassenbahn Zürich) im Jahr 1896 schliesslich bildete dann die Grundsteinlegung für die VBZ, die später aus der StStZ entstand – und deren blau-weisse Trams und Busse auf das Stadtbild bis heute so prägend wirken wie wohl das Grossmünster und der Prime Tower zusammen. Schon deshalb dürfen sie im heutigen Festprogramm nicht fehlen. Auch dass gemeinsam mit dem Tram-Museum im ältesten Tramdepot der Stadt gefeiert wird – die Burgwies ist ebenfalls 125 Jahre alt – ist kein Zufall: Was passt an einem Jubiläum besser, als ein Blick in die Historie?

Offizieller Besuch und eins zu null für «Les Bleus»

Blank poliert und sorgfältig platziert stehen die Oldtimer-Trams im Depot und erzählen, obwohl stumm, jedes seine eigene Geschichte. Doch inmitten der altgedienten Fahrzeuge nimmt an diesem Tag auch die Gegenwart ihren Platz ein: Auf eine Leinwand projiziert laufen Clips aus dem heutigen VBZ-Alltag: Gerade bearbeitet ein Bagger im Zeitraffer eine Grossbaustelle. Neben der Leinwand spielen ein paar Männer an einem Töggelikasten, etwas weiter weg ein paar Kleine mit einer Holzbahn. Auch die Mini-Ausgabe des Cobratrams, das «Cobralino», ist im Dauereinsatz, ebenso wie das Glücksrad. Und auf den Bänken der Festwirtschaft gönnt man sich eine Pause, einen Snack oder auch beides.

Für einmal kann man im Tram auch Fussball schauen. (Bild: Mirjam Oertli)

«Unser Museum hat einfach Charme», sagt Sarah Lüssi. «Eigentlich kann man gar nicht anders, als Fan zu werden». Sie hofft, dass dies auch der offizielle Gast so empfinden wird, der sich angekündigt hat: Erwartet wird Stadtrat Michael Baumer, Vorsteher des Departements der Industriellen Betriebe, zu einem kurzen Antrittsbesuch. Gemeinsam mit Stiftungspräsident Christoph Wehrli und Vereinspräsident Markus Knecht steht sie beim Eingang, um ihn hier im Tram-Museum zu begrüssen.

Noch dauert es nach Fahrplan ein paar Minuten, bis er eintrifft. Auf der Leinwand haben sich die modernen VBZ inzwischen zu Gunsten des WM-Viertelfinalspiels verabschiedet. Wo eben noch die Baustellenfilme liefen, spielen jetzt Uruguay und Frankreich um den Einzug ins Halbfinal. Bereits steht eins zu null für Frankreich. (Der Spielstand der immer noch unermüdlichen Töggeler daneben ist nicht bekannt…)

Eine Hauptrolle im Leben der Jubilarin

Und dann kommt Bewegung in die Verantwortlichen. Der Gast ist eingetroffen. Hände werden geschüttelt und Worte gewechselt, bevor Baumer auf einer kleinen Führung mehr über das Museum erfährt. Auch er lässt sich den Griff ans Steuer des «Lisebethli» nicht entgehen. Interessiert lauscht er den Ausführungen, betrachtet ein Tram von unten, die Dokumentationen im oberen Stock und die vielen alten Automaten. «Das hier ist sozusagen der Urbillettautomat», erklärt ihm Markus Knecht. Baumer zeigt auf einen neueren und lacht: «An den hier erinnere ich mich sogar noch.»

Wie das Erbe der VBZ hier aufbewahrt und gepflegt werde, das sei schon beeindruckend, so Baumer. Fasziniert sei er auch davon, wie die Fahrzeuge verschiedenste Epochen repräsentieren. Dass die VBZ und ihr Erbe für die heutige Jubilarin eine Hauptrolle spielten, spielen – und auch weiterhin spielen werden –, davon ist er überzeugt: «Ohne Verkehrsbetriebe kann sich keine Grossstadt entwickeln, sie sind eine ganz zentrale Infrastruktur.» Natürlich ist man da auch versucht zu denken: Wo wir fahren, lebt Zürich…

Auch Flexity dereinst eine Museumslinie?

Und was bringen die nächsten, nun ja, 125 Jahre? Weiterhin werde die zentrale Frage aller Verkehrsbetriebe bleiben, auf welche Weise die nötigen Kapazitäten bewältigt werden können, so Baumer. Wie sie künftig zu beantworten sei, hänge stark von technologischen Entwicklungen ab.

Bitte einsteigen: Auch das Kurbeli hat Tag der offenen Tür. (Bild: Mirjam Oertli)

Wie auch immer diese ausfallen: Bis im Jahr 2143 wird das Cobra definitiv ein Oldtimer sein und auch das «Flexity» wird wohl höchstens noch als Museumslinie durch die Stadt fahren. Zunächst aber drehen weiterhin das «Kurbeli» und eine «Mirage» ihre Nostalgierunden. Die «Mirage» ist es auch, die Baumer nach seinem Besuch wieder zurück ins Stadtzentrum fährt. Dort stehen für ihn der offizielle Festakt und der stadträtliche Einsatz hinter einem Wurststand an.

Längst hat der Regen nachgelassen. Und während die beiden Tram-Oldtimer auf ihren letzten Kursen des Tages weiterhin zusätzliches Blau-(Weiss) ins Stadtbild tragen, siegt die französische Fussballmannschaft mit einem 2 zu 0, bevor der Festakt im Tramdepot Burgwies beendet wird. Was wäre da passender als ein Doppeltes: «Allez les bleus!»?

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