Von 1982 bis im Sommer 2016 leitete Ernst-Martin Barck die Betriebssanität der VBZ. Gleichzeitig besetzte er die etwas ausgefallenere Nebenfunktion des Betriebsmasseurs. Der geborene Pfarrerssohn hat in seinen 36 Jahren bei den VBZ so einiges erlebt. Jetzt schmiedet er Pläne für seine wohlverdiente Zeit als Pensionär.
Ich treffe den Masseur und Betriebssanitäter in seiner Praxis. Wobei «Masseur» vielleicht ein falsches Bild vermittelt, denn die Techniken, die Martin Barck anwendet, unterscheiden sich grundlegend von «normalen» Wellnessmassagen. «Ich bin ja selbst auch nicht unbedingt das, was man als normal bezeichnen würde», meint Barck und richtet gelassen seine Brille. Um uns herum stehen zwei Liegen, ein Schreibtisch und mehrere Erste Hilfe Koffer – das Hauptinventar der Praxis.
Bei der Begrüssung überrascht mich Barcks starker Händedruck, der meinen Knochen ordentlich was abverlangt. Ich reagiere darauf mit der Frage, ob dieser bei ihm immer an der Tagesordnung liege. «Klar», antwortet er. Ich bin mir nicht sicher, ob er scherzt. «Viele reichen mir schon gar nicht mehr die Hand» sagt Barck und lacht. Der berüchtigte Händequetscher ist jedoch als Arzt und Psychologe bei allen Kollegen sehr beliebt. Dies bestätigt sein Terminkalender, der sei nämlich ständig voll. «Das ist so. Es sind einige Hundert Patienten. Alle haben es überlebt», erzählt Barck. Mein erster Eindruck von Martin Barck: feinfühlig, warmherzig und vertrauensvoll.
«Betriebssanität ist mehr als nur ‹Pflästerli› kleben und ‹Bébéli› behandeln. Viel wichtiger ist die psychosoziale Betreuung der Patienten.»
Psychosoziale Betreuung also. Diese betreibt er mit einem köstlichen, teilweise tiefschwarzen Humor. In jeder Situation versucht er seine Patienten zu ermutigen, auch immer wieder mit einem frechen Spruch. «Auch wenn sie im ‹Sterben› liegen», ergänzt er. Schwarzer Humor eben.
Klingt nach einem Traumjob? Nicht ganz. Wie jede Medaille hat auch die Arbeit von Martin Barck ihre Kehrseite. Wie damals vor sieben Jahren, als in der Zentralwerkstatt vor dem Prüfstand ein Mitarbeiter völlig unerwartet wegen eines Herzkreislaufstillstandes umfiel. Alle Versuche, den Verunglückten zu reanimieren, scheiterten. «Das ist natürlich hart. Es erinnert einen daran, wie vergänglich alles ist», so Barck. Glücklicherweise seien solche Vorfälle bei den VBZ eine Seltenheit. «Die Arbeitssicherheit hat bei den VBZ einen sehr hohen Stellenwert.» Trotzdem: In solchen Momenten sei «abschalten» wichtig. Wenn man das nicht könne, sei man im falschen Beruf. Als Pfarrerssohn sei er prädestiniert für diese Arbeit. Schon früh wurde er mit Themen wie Tod und Trauer und Fragen nach dem Sinn des Lebens konfrontiert.
Weniger tragisch sieht er seinen Abgang von den VBZ. Trotzdem werde er seinen vertrauten Tagesablauf vermissen, vor allem wenn es darum geht, seine Kollegen in der Zentralwerkstatt hochzunehmen oder ein paar Sprüche zum Besten zu geben. «Auch meine Damen aus dem Rechtsdienst werde ich vermissen», sagt er und lacht. Wie jede Ära neigt sich auch diese dem Ende zu, nun geht es für Martin Barck erstmals ins «zweite Drittel» seines Lebens. «Die nächsten 60 Jahre werde ich richtig geniessen.» «Und was ist dann?», hake ich nach. «Dann geht’s in die Verlängerung», antwortet er schlagfertig und lacht.
Schlagfertig ist er auch dann, wenn es um die Pläne seines wohlverdienten Ruhestands geht. Den will er gemeinsam mit seiner Frau verbringen. «Bald ist ja schon Weihnachten, da sind wir mit Guetzli backen ausgelastet». Ausgelastet? Richtig gehört. Jährlich produziert das Hause Barck mehrere Tausend Guetzli, in 30 unterschiedlichen Sorten. Nicht etwa für sich selbst, sondern um sie im ganzen Bekanntenkreis zu verschenken. Die restlichen Tage, an denen er keine Guetzli backt, wird Martin Barck in seiner Werkstatt verbringen oder Ausflüge in der schönen Schweiz unternehmen.
An dieser Stelle merke ich, dass das Interview bereits um ist und langsam aber sicher Schweigen aufkommt. «Noch Fragen, Beschwerden, Reklamationen?», fragt Martin Barck und unterbricht die Stille. Meine rechte Hand hat sich mittlerweile erholt, so dass ich für den anstehenden Händedruck gewappnet bin. Noch einmal erwischt er mich nicht…