Bergbahn und Shopping-Express: Die Linie 13

Die VBZ-Linien sind Zürichs Lebensadern. Schnurgerade oder mit Ecken und Kurven verlaufen sie kreuz und quer durch die ganze Stadt. Dabei hat jede dieser Linien ihren Charakter, der geprägt ist von den Fahrgästen und der Strecke. In einer losen Serie gehen wir ihren Persönlichkeiten auf den Grund. Heute: Die Tramlinie 13.

Den 13er treffe ich im Albisgütli. Es ist Samstag Nachmittag, das Wetter könnte nicht besser sein. Das Tram 2000 steht in der Kurve, die Türen offen. Eilig flitzt ein Clean-Team-Mitarbeiter durch den hinteren Wagen und sammelt noch den restlichen Abfall ein. Als er aussteigt, steige ich ein und platziere mich ganz hinten im Heck. Mein erster Blick fällt nach links zum Fester raus. Wir thronen hoch über der Stadt, auf dem Friesenberg. Ein Blick wie aus dem Ferienkatalog. Dann fällt mir die Rückseite des Schützenhaus Albisgütli auf. Sie wirkt ungepflegt und vernachlässigt. Im wahrsten Sinne de Wortes «ein Blick hinter die Kulisse». Aber wieder zurück zum 13er, wegen ihm bin ich ja hier.

Erste Annäherung

Mein erster Eindruck? Ein Tram gebaut für die Ewigkeit, nur das 70er Jahre Interieur in blau-orange lässt sein Baujahr erahnen. Es wirkt aufgeräumt, die Frühlingssonne zeichnet mit den Haltestangen ein abstraktes Schattenmuster auf den Boden. Etwa vier Reihen vor mir sitzt ein Mann aus Afrika, er schläft ans Fester gelehnt und ich frage mich, die wievielte Runde er schon mitfährt. Und wie viele Runden
wohl dieses Tram schon auf dieser Route gedreht hat? Lange kann ich mich dieser Frage nicht widmen, denn die Fahrgäste steigen zu. Ein Paar in Outdoor-Kleidung. Praktisch statt modisch. In Lindengrün und Flieder. Sie waren wohl auf dem Üezgi. So gesehen ist der 13er auch eine Bergbahn.

Der schlafende Mann an der Endhaltestelle Albisgütli.

Vom Berg in die Stadt

Dann geht’s los. Zuerst steil runter – fast so wie auf den unzähligen Bahnen, die am Knabenschiessen hier oben ihren Dienst tun. Vorbei am Strassenverkehrsamt, dem Uetlihof und der Laubegg geht es zur Saalsporthalle. Hier steigen Kids zu. In abgewetzter Skate-Montur und mit Rollbrettern. Sie waren im Freestylepark in der Allmend. Ob der 13er da auch mal hin würde, wenn er sich «Free» bewegen könnte? Glaube nicht, sein «Style» ist ein anderer.

Im Sihlcity wird die Linie 13 zum Warentransporter. Familien mit Einkaufstüten, Mädchen mit H&M-Tragtaschen und Männer, die stolz Schachteln mit Technogadgets tragen. Man richtet sich zwischen Taschen und Schachteln im 13er ein. Die meisten werden länger im Tram bleiben. Abgelenkt von so viel Treiben, gehen die nächsten Haltestellen am mir vorbei. Erst an der Stockerstrasse fällt mir auf, dass aus der Bergbahn und dem Warentransporter ein Business- und Shopping-Express geworden ist. Hier sitzen links und rechts der Tramlinie gut gekleidete Paare in Cafés und teilen den Platz auf den Randsteinen mit Luxuskarrossen.

Wo ist die Liebe

Am Paradeplatz verdunkelt sich der Himmel merklich. Die Sonne hat sich genau so verabschiedet wie die meisten der Fahrgäste. Nun steigen neue zu, viele gehetzt, die meisten am Smartphone. Ob die wirklich alle was damit machen, oder das Handy nur als Signal nutzen, um zu sagen: Ich will keinen Kontakt mit der Aussenwelt? Egal. Was mir aber auffällt ist, dass ich noch kein verliebtes Paar gesehen habe. Ein Liebesnest ist er also nicht, unser 13er.

An der Bahnhofstrasse ist es dann wie beim Sihlcity, einfach mit teureren Labels und grösseren Taschen. Alle zügeln irgendetwas aus oder ins Tram. Konsum ist Trumpf, der Zahltag noch nah. Das Publikum sieht aus wie in Lifestyle-Magazinen. Perfekt gestylt und mit stolzer Körpersprache. Ein Hauch von Paris, London oder Rom. Die Linie 13 mittendrin. Als Star vieler Touristenfotos und Background unzähliger Selfies. Er ist also auch ein Fotomodell.

Die Linie 13
fährt unbekümmert
ihre Runden.

Es ist 18 Uhr und wir halten am Bahnhofquai. Der Himmel macht dicht und der Wind legt zu. Da braut sich was zusammen. Der 13er fährt am Landesmuseum vorbei. Ein Fakebau, der älter wirken soll, als er ist. Schon wieder Kulisse. Die Linie 13 kümmert’s genau so wenig, wie die Haltestelle «Museum für Gestaltung», die auch nur noch Fassade ist, seit dem Einzug des Museums ins Toni-Areal. Ich halte wieder Ausschau nach Liebe, doch alles was ich finde, sind ein paar Luftballons der Alternativen Liste. Hinter mir telefoniert ein Mann und wünscht sich, viel Geld im Lotto zu gewinnen. Ob er Ballone der FDP in der Hand hält?

Zwei gelbe AL-Luftballone als Farbtupfer.

Es geht wieder nach oben

Escher-Wyss-Platz: Noch 13 Minuten bis ins Frankental. Es geht steil nach oben. Nicht mit dem Wetter, sondern mit dem Tram Richtung Höngg. Als sich die Türen am Waidfussweg öffnen, riecht es frisch nach Regen. Draussen ist es dunkel wie in tiefster Nacht. An der Alten Trotte blitzt und donnert es, an der Station Schwert geht es auf uns nieder – also das Gewitter. Das Tram ringt um Traktion auf den steilen, nassen Gleisen.

Am Meierhofplatz fällt mir auf, dass der afrikanische Mann noch immer am Fenster schläft. Ich muss lachen. Der 13er als Notschlafstelle. Ein Multitalent. Dann geht es auch schon wieder nach unten. Eine regelrechte Berg- und Talfahrt ist das. Kurz vor der Haltestelle Wartau lichtet sich der Himmel wieder etwas, und ich schaue nach draussen und merke nicht, dass Kontrolleure zusteigen. Drei Herren in Uniform. Sie fragen mich nach dem Ticket und wecken den Schläfer vor mir. Er flucht und versteht die Welt nicht mehr. Aber er hat ein Ticket und kann weiterschlafen.

Der schlafende Mann am Meierhofplatz.

Das Fazit

Als wir im Frankental die Endstation erreichen, regnet es wie aus Kübeln und die Strassen stehen unter Wasser. «Ich bin auch ein Schiff» könnte der 13er fast von sich sagen. Ich steige aus, schliesse mein Velo auf und schaue zurück zum Tram. Was ist nun mein abschliessendes Fazit zur Linie 13? Es mag ja für viele Abergläubige eine Unglückszahl sein, aber für Zürich ist die 13 ein richtiger Glücksfall.

Der Regen schlägt gegen die Fenster.

Über die Linie 13

Streckenlänge: 10 615m (Richtung Albisgütli) / 10 557m (Richtung Frankental) Anzahl Haltestellen: 30 Lieblingsplatz entlang der Linie: Restaurant Spitz beim Landesmuseum Häufigste Berufe der Fahrgäste (Vermutung): Bankangestellte Passender Liniensong: Spinning Wheel – Blood Sweat & Tears

Haltestellen-Liste oder aktuelle Fahrpläne zur Linie 13 finden Sie hier

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