«Wir dachten, man könne einfach die Linie 15 verlängern»

«Mehr Kapazität auf der Forchstrasse»: Diese Anforderung an den ÖV begann auf dem Reissbrett mit einer potenziellen Verlängerung der Linie 15 und wird mit Streckenänderungen auf sieben Tramlinien enden. Wie es dazu kam, wer involviert war und welche Gedanken in das neue Liniennetz eingeflossen sind, erzählt uns Angebotsmanager Johannes Eckert.

Dieser Fahrplanwechsel wird die Gewohnheiten der Zürcherinnen und Zürcher punkto ÖV aufwirbeln. Am 14. Dezember werden auf zehn Tramlinien, 7 Buslinien und 24 Nachtnetzlinien teilweise erhebliche Änderungen umgesetzt. Ein Teil davon hat zum Ziel, mehr Personen zu den Spitälern am Balgrist (und zurück) bringen zu können. Der andere Teil ist einer Baustelle am Bahnhofquai geschuldet, aber das ist eine andere Geschichte, die an anderer Stelle erzählt werden soll.  

Mit dem Projekt, das auch unter dem Projektnamen «Tramnetz Süd» bekannt ist, geht eine Umgewöhnung für alle einher: Verschiedene Tramlinien schlagen spätestens ab Bahnhof Stadelhofen völlig neue Wege ein: Die Linie 2 fährt zum Klusplatz, die Linie 4 zur Rehalp, der 11er zum Tiefenbrunnen, der 8er zum Zoo – und so weiter. Wie es dazu kam, hat uns Johannes Eckert, Angebotsmanager bei den VBZ, berichtet. Das Wichtigste hält der erfahrene Verkehrsplaner vorab schon mal fest: «Wir haben nicht eine, sondern die beste Lösung gesucht. Das ist sie.»

Die Geburtsklinik des neuen Liniennetzplans

Nun kann man sich natürlich fragen, weshalb eine einzige Strecke einen ganzen Strauss an Massnahmen mit sich bringt. «Wir haben das nicht gesucht!», beteuert Eckert. Begonnen habe es, so der Verkehrsexperte, im Grunde mit dem neuen Kinderspital: «Es war klar, dass mit der neuen Klinik auch der Verkehr zunehmen wird.» Der Kanton habe die Kliniken deshalb gebeten, sich zu organisieren – mit dem Ziel, eine koordinierte Gebietsplanung einzuleiten. «Man kann die Verkehrszunahme nämlich nicht alleine dem Kispi ‹in die Schuhe schieben› – auch andere Kliniken bauen ihr Angebot aus», erklärt Eckert. So wurde der Verein Gesundheitscluster Lengg gegründet. Eine Erfolgsgeschichte, wie er meint: Die Kliniken hätten begonnen, an einem Strick zu ziehen und Entscheidungen zu fällen, die allen zugutekommen. Eine davon sei das Mobilitätskonzept, das zum Ziel habe, Autofahrten in die Lengg an einem Werktag auf 11’600 (ohne Fahrten der Ambulanz) zu begrenzen. Oder die einheitliche Parkgebühr in den Parkhäusern aller Kliniken.

«Anfänglich nannten wir das Projekt ‹Verlängerung Linie 15›  – voller Zuversicht, dass es das wäre.» Johannes Eckert

Die Aufgabenstellung der kantonalen Planung an die VBZ habe zunächst einfach geklungen, so Eckert, nämlich: «Verstärkt den Trambetrieb auf der Forchstrasse.» Die Lösung schien klar: «Anfänglich nannten wir das Projekt ‹Verlängerung Linie 15›  – voller Zuversicht, dass es das wäre», erinnert er sich mit einem Lachen. Im Zuge der Planung habe man aber schnell herausgefunden, dass es so nicht geht. «Die Linie 15 käme der Forchbahn in die Quere. Und wäre es nicht die Forchbahn, so käme sie am Limmatquai mit der Linie 4 oder ab Central mit der 7 in Konflikt. Diese sind vom Takt her aufeinander abgestimmt. Ändert man eine, muss man alle ändern», erklärt er.

Der Aufstieg einer Einzelgängerin

 «Nachdem klar war, dass es etwas komplizierter wird, haben wir sehr bald entschieden, die Quartiervereine miteinzubeziehen», erzählt Eckert weiter. Man sei gewissermassen auf Tuchfühlung gegangen, um zu spüren, was sich die Quartiere wünschen und wo es Widerstand gibt. «Lustigerweise dachten wir, am meisten Protest entstünde wegen der geänderten Linien-Nummern und -Farben in den Quartieren. Dem war aber nicht so.  Die Quartiere waren da sehr pragmatisch», verrät er.

 «Wir haben sehr bald entschieden, die Quartiervereine miteinzubeziehen.» Johannes Eckert

Um Konflikten zwischen aufeinander abgestimmten Linien aus dem Weg zu gehen, habe man Ausschau nach einer Linie gehalten, die nicht so eng mit anderen Trams vertaktet sei – eine Einzelgängerin. So wie die Linien 8 oder 5. Die Linie 8 hätten die Angebotsplaner ins Visier genommen, weil sie kaum parallel zu anderen Tram-«Gspänlis» fährt. Dann wendete sich das Blatt zugunsten der Linie 5. Eckert erklärt warum: «Zur Randzeit ist die Linie 5 eher schwach ausgelastet. Es braucht sie dennoch, um die Rentenanstalt zu bedienen. Führt man stattdessen die Linie 8 via Rentenanstalt, wird die Linie 5 frei für höhere Ziele.» Diese sehen so aus: Die Linie 5 bindet, vorerst nur in den Stosszeiten, sowohl den Balgrist als auch den Uetlihof umsteigefrei an die Bahnhöfe Enge und Stadelhofen an. Fast alle S-Bahn-Linien werden so erreicht. Und zwar nicht nur durch die Linie 5, sondern auch mit der Linie 8: «Diese verbindet nämlich die Bahnhöfe Enge und Hardbrücke. Eine Win-Win-Situation», so Eckert. Ab der Rentenanstalt fährt die 8 sodann – wie ehedem die 5 – nach Kirche Fluntern (und sonntags bis Zoo). Zu guter Letzt wäre die Linie 15 in dieser Variante dann – wie früher – zum Klusplatz verlängert worden. 

Konstruktive Zusammenarbeit mit den Quartiervereinen

Mit dieser Idee sei das Team in einen Workshop mit den Quartiervereinen Hottingen, Hirslanden, Fluntern, Riesbach und Aussersihl gezogen – wissend, dass nicht alle Quartiere zur neuen Route der Linie 8 applaudieren würden. «Wie wir schon ahnten, monierten Hottingen und Hirslanden, dass so ab Klusplatz nur die beiden Linien übrig blieben, die zum Central fahren – die 3 und die 15. Jedoch hätte man mit dem Wegfall der Linie 8 keine mehr, die auf die andere Seite der Limmat führt. Die Diskussion war eröffnet», sagt Eckert. Eine konstruktive Diskussion, denn so kamen die Prioritäten der Quartiere punkto Direktverbindungen auf den Tisch. Das Resultat, wenig überraschend: Der Hauptbahnhof auf Platz 1, gefolgt vom Paradeplatz und der Bahnhofstrasse.

«Basierend auf diesen Inputs haben wir mehrere Varianten vorgeschlagen. Da war bereits eine dabei, bei der deutlich mehr Linien angefasst werden mussten», berichtet der Angebotsplaner. Nach einem zweiten und dritten Workshop konnten die VBZ die Variante präsentieren, die alle Anforderungen – so gut es geht – in sich vereint. Natürlich habe man die Wünsche einem Realitätscheck unterzogen und geprüft, ob der Bedarf von Seiten der Fahrgäste wirklich da sei. «Dabei hat sich herausgestellt, dass 90 Prozent der Fahrgäste auf den Linien vom Südosten her spätestens am Hauptbahnhof aussteigen», sagt Eckert.  

Am 14. Dezember werden Teile des Tramnetzes Süd umgesetzt, das in erster Linie mehr Kapazität in die Forchstrasse bringt. (Bild: VBZ)

Der einfachste Vorschlag ist nicht immer der Beste

Trotz allem sei es nicht möglich, dass es am Ende nur Gewinner gäbe: Die  Forchstrasse verliere ihre Direktverbindung in die Bahnhofstrasse. «Das haben wir mit den Quartiervereinen erörtert. Ein bisschen grösser gedacht, besteht mit dem Limmatquai jedoch immer noch eine direkte Verbindung in die Innenstadt. Dank der Brücken gelangt man schnell in die Bahnhofstrasse – aber klar, wenn man als Person mit einer Mobilitätseinschränkung zum St. Annahof will, muss man zum Beispiel am Bellevue auf den neuen11er umsteigen». Immerhin, so Eckert, bestehe ein Gewinner-Verlierer-Verhältnis von 6 zu 1. «Die grosse Mehrheit gewinnt also durch die Umstellung», resümiert er.

Mit dem Konsens habe der Vorschlag seinen normalen Weg durch das Fahrplanverfahren genommen, wo es schliesslich im März 2024 Einzug in die öffentliche Fahrplanauflage gehalten habe. «Die wenigen Begehren aus der Bevölkerung waren konstruktiv. Oft entsprachen sie jenen Lösungsvorschlägen, die auch wir anfänglich eingebracht hatten, in der Absicht, so wenig Linien wie möglich zu ändern», sagt Eckert. Die aktuelle Umsetzung indes sei eine Investition in die Zukunft. Sie sei so geplant, dass in einem nächsten Schritt eine weitere Linie auf der Badenerstrasse eingeführt werden könne – wie in der Netzentwicklungsstrategie 2040 vorgesehen.

Zum Schluss, wie blickt Angebotsmanager Johannes Eckert auf den kommenden Fahrplanwechsel? Er schmunzelt, und meint: «Immerhin können wir jetzt mit gutem Gewissen sagen: ‹Hey, schaut auf den Online-Fahrplan. Es lohnt sich!›». Darüber hinaus gibt er sich entspannt: Die Abteilungen der VBZ würden sich mit Hochdruck auf das Ereignis vorbereiten. Am 14. Dezember sei eine Heerschar an Transport Guides unterwegs – unter anderem er selbst: «Ich freue mich darauf, am Fahrplanwechsel als Transport Guide draussen für die Fahrgäste ansprechbar zu sein. Ich bin mir sicher, nach der ersten Umgewöhnung wird man merken, dass das neue Netz sehr viele Vorteile bringt. Die einen oder anderen Fahrgäste stellen vielleicht sogar fest, dass es noch weitaus bessere Verbindungen gibt, als die, die sie bisher gewohnheitsmässig jeden Tag gewählt haben.»

Der grosse Fahrplanwechsel

Zürich, am 14. Dezember findet der wohl grösste Fahrplanwechsel in der Geschichte der VBZ statt! Informieren Sie sich bereits jetzt über die Änderung in Ihrem Quartier, auf Ihrer Linie. Mitte November geht der aktualisierte Fahrplan online. Am besten nützen Sie ihn zur Vorbereitung Ihrer Fahrten ab Fahrplanwechsel.

Alle Infos zum Fahrplanwechsel vom 14. Dezember 2025

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