日本へようこそ!

Es gibt nicht wenige Menschen, die sagen, Zürichs Herz schlage im Takt der VBZ. Das ist ein schönes Kompliment – wie sehr die Qualität und Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrs dieser Stadt geschätzt wird. Wie aber ist das in anderen Grossstädten dieser Welt? Sind Busse, Trams, S- oder U-Bahnen dort ähnlich pünktlich und komfortabel wie bei uns? In einer losen Serie werden wir solche und ähnliche Fragen rund um den internationalen ÖV zu beantworten versuchen – durch persönliche Berichte von sogenannten «Sonderkorrespondenten». Heute berichtet Daniel Soldenhoff über seine Erfahrungen mit dem japanischen ÖV.

Haben Sie den Film «Lost in Translation» gesehen? Darin geht es neben einer speziellen Liebesgeschichte um einen Amerikaner, der sich schwer tut, die Japaner und ihre Eigenarten zu verstehen. Genau so ging es mir auch bei der Ankunft auf der Insel. So musste ich vor der Zollkontrolle eine Wärmebildkamera passieren, wo Grippefälle gleich herausgepickt werden. Mich liessen sie durch: Willkommen in Tokyo.

Erstkontakt mit dem ÖV

Schon auf dem Weg zum Zug fiel mir auf, wie unglaublich gut alles organisiert ist, und dass die Japaner den Umgang mit grossen Massen gewohnt sind. Ohne Hektik floss der dichte Menschenstrom gleichmässig ins Unterdeck. Berühren, «schupfen», den Weg abschneiden? Nichts! Als gehetzter Zürcher kommt man sich da vor wie ein Typ aus der Steinzeit.

Es fühlt sich an, als hätte man ein «Best Of» aller weltweiten ÖV-Systeme zusammengestellt – und jedes Detail nochmals optimiert und verfeinert. So gibt es am Boden der Haltestellen Linien, die vorgeben, wo man in der Warteschlange zu stehen hat, dass niemand behindert wird. Oder bei Treppen gibt es speziell geknickte Handläufe, an denen mehrere Hände Halt finden – was vor allem in der Rushhour für mehr Standhaftigkeit sorgt. Mein absolutes Lieblings-Feature jedoch war das über Lautsprecher eingespielte Vogelgezwitscher, welches in den Gängen der U-Bahn signalisierte, wo es stadtauswärts ging.

Alles noch etwas besser

Doch der Grad der Perfektionierung zeigt sich nicht nur im ÖV. Auch bei ganz einfachen Dingen des Alltags, wie beispielsweise den Gratis-Plastiktüten an den Kasse. Seien Sie ehrlich: wie viele dieser Raschelsäckchen haben Sie in ihrem Leben schon entnervt versucht zu öffnen? Eben. Aber haben Sie sich dem Problem angenommen? Nein. Die Japaner schon. Ihre Säckchen haben nämlich zwei kleine Laschen, an denen man ziehen kann, und schon ist das Teil offen. Einfach genial. Und an die beheizten Klobrillen, die Wellengeräusche machen, gewöhnt man sich schneller, als einem lieb ist.

Doch nicht alles ist so einfach verständlich, wie es einem die Landesflagge vormachen will. Das Leben im Land der aufgehenden Sonne folgt einer eigenen Logik. So sind viele Restaurants nicht mit Namen angeschrieben, sondern mit dem, was sie anbieten. Also zum Beispiel Kugelfisch (Kugo), Poulet (Yakitori) oder Sushi. Erschwerend kommt hinzu, dass sich viele Speiselokale mit gleichem Angebot in derselben Strasse befinden – es nützt also nichts, wenn man sich den Namen oder die nächste ÖV-Station merkt. Diese Feststellung musste ich übrigens gleich am ersten Abend machen – als ich nach endloser Suche nicht im «kleinen Sushi-Geheimtipp» (wie es der Reiseführer nett umschrieb) landete, sondern im Wohnzimmer einer ziemlich überraschten Familie.

Aber selbst Tokyo-Natives fällt es manchmal nicht leicht, sich im wirren Licht- und Menschengewusel der Stadt zurecht zu finden. So erzählte mir meine Kollegin Yuko, die in der Hauptstadt lebt, dass sie grosse Mühe hatte in der Stadt unterwegs zu sein, als nach dem Atomunglück von Fukushima die Leuchtreklamen aus Stromspargründen dunkel blieben, und sie sich plötzlich neue Orientierungspunkte suchen musste.

«Was bei uns noch Zukunfts-
musik ist, ist in Japan schon seit Jahrzehnten normal.»

Alles noch etwas schneller

Aber kommen wir wieder zurück zum eigentlichen Thema, dem öffentlichen Verkehr. Der besteht ja in Japan nicht nur aus den U-Bahnen, Bussen und Zügen in der Stadt, sondern auch aus den städteverbindenden Hochgeschwindigkeitszügen (Shinkansen). Unglaublich, wie die Dinger abgehen. Auf die Schweiz übersetzt, kann man sich das etwa so vorstellen: Alle 9 bis 12 Minuten fährt ein Zug von Zürich nach Bern – und zwar mit fast 400 km/h! Wer würde da ins Auto sitzen? Was bei uns noch Zukunftsmusik ist, ist in Japan schon seit Jahrzehnten normal. Nicht verwunderlich, dass die Japaner ihre Superschnellzüge lieben wie ihre Manga-Comics und Sumo-Ringer.

Mich brachte so ein Shinkansen in 140 Minuten von Tokyo ins 460 Kilometer entfernte Kyoto. Fast lautlos fegte der Schienenblitz durchs Land. Die wunderschöne Landschaft gabs als Bonus obendrauf. Service und Catering waren besser, als auf manch teurem Business-Class-Flug. Nur das dreieckige Reis-Sandwich (Onigiri) brachte mich leicht aus der Ruhe. Es liess sich nicht öffnen, und ich war richtig aufgeregt, endlich etwas gefunden zu haben, was selbst die erfindungsreichen Japaner noch nicht perfektioniert hatten. Doch mein Triumph währte nicht lange. Aus dem Nichts kam ein netter Herr, sagte etwas auf Japanisch, nahm mir das Onigiri aus der Hand, knickte es in der Mitte – et voilà, schon war die Verpackung offen. Da musste ich neidlos eingestehen: Die Schweiz ist gut, Japan ist besser.

Sollten Sie jetzt Lust auf eine Japan-Reise bekommen haben, hier ein Tipp: Holen Sie sich einen Japan-Rail-Pass. Mit ihm können Sie für eine faire Pauschale soviel Zugreisen unternehmen, wie Sie wollen. Es gibt ihn für 7, 14 oder 21 Tage, und er muss in der Schweiz bezogen werden – in Japan gibts ihn nicht zu kaufen. Tja, ich habe ja gesagt, es ist alles ein wenig anders dort drüben.

Sollte es Sie wundernehmen, was der japanische Titel der Story bedeutet? Hier die Auflösung: Willkommen in Japan!

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