Was Pflanzen übers Bellevue wissen

Beim Schützenhaus in Höngg soll ein grüner Zwilling des Bellevueplatzes entstehen. Für das Projekt zur Förderung der Biodiversität läuft aktuell ein Crowdfunding. Wir stellen in einem Gedankenexperiment vor, was ein ÖV- und Verkehrsknotenpunkt in der Stadtmitte mit den Pflänzchen auf dem Hönggerberg zu tun hat.

Stellen Sie sich vor, es gäbe zu jedem urbanen Raum ein natürliches Pendant, eine Art Alter ego, auf dem Bäume wachsen, verschiedenste Wildpflanzen spriessen und Insekten einen Lebensraum finden. Das wären ja schöne Aussichten! Und schöne Aussichten hat der Bellevueplatz quasi schon im Namen, weswegen er den Anfang macht: Am Ende der Linie 38, beim Schützenhaus Höngg, steht nämlich die Geburt seines grünen Zwillings bevor. Der Name des Babys: «Vuebelle». Das Projekt soll mit Unterstützung der Stadt und auch der Zürcher Bevölkerung zum Erblühen kommen. Aktuell läuft ein Crowdfunding.

Die beiden Geschwister Bellevue und Vuebelle gleichen sich in ihren grundlegendsten Eigenschaften, allem voran in Form und Aufteilung. Ebenso bieten die beiden Orte Nahrung, das Bellevue in Form von Pizzen und Sandwiches, das Vuebelle etwas ursprünglicher, mit Obstbäumen und Pflanzen, die nicht nur dem Menschen, sondern auch Bienen, Vögeln und anderen Tieren, kurzum der Biodiversität dienen. Nun könnte man es dabei belassen. Wir möchten aber an dieser Stelle den Versuch wagen, einen Beweis zu erbringen: Nämlich den, dass die verschiedenen Bäume, Sträucher und sonstigen Pflanzen auf dem Vuebelle den Geist der innerstädtischen Zwillingsschwester in sich tragen. Lassen Sie sich überraschen.

Regula, die Stadtheilige

Blühende Kirschblüten im Frühling lassen uns ergriffen innehalten. So gesehen ist der Kirschbaum mit Namen Regula sicher die schönste Art, der gleichnamigen Zürcher Stadtheiligen zu gedenken: Deren Grabstätte lag einst nicht weit vom Bellevue entfernt, in der Grossmünsterkirche. Die Regula-Kirschbäume stehen – natürlich! – auf dem Vuebelle.

Das Herz von Zürich

Das Bellevue im Herzen von Zürich hat viel zu leisten. Als Verkehrsknotenpunkt pulsiert es im Takt der Stadt und sorgt dafür, dass der ÖV flüssig läuft und die Menschen in alle Richtungen der Stadt gelangen. Auf dem Vuebelle wächst der Weissdorn: Er ist bekannt dafür, dass er für ein gesundes, kräftiges Herz sorgt – ein gutes Zusammenspiel!

Die positiven Wirkungen des Weissdorns auf das Herz sind bekannt. Vielleicht auch auf das Herz von Zürich? (Bild: commons.wikimedia.org, 4028mdk09)

Kaffee, bitte!

Was wäre das Bellevue ohne den Kaffee, der dort mitten auf der Hauptinsel seit Jahrzehnten getrunken werden kann. Kaffee gehört zur Familie der Rötegewächse. Natürlich wächst am Vuebelle kein Kaffee, aber immerhin ein Verwandter: Nämlich das Labkraut. Aus dessen Samen könnte ein Kaffee-Ersatz hergestellt werden. Wir vermuten aber, dass Sie Ihren «coffee to go» auch in Zukunft lieber beim Belcafé beziehen – oder auf dem Hönggerberg in der Schützenstube.

Seidenfein

Im 19. Jahrhundert war Seide der wichtigste Industriezweig in Zürich und unsere Stadt die zweitgrösste Herstellerin der Welt. Gustav Zumsteg, ein späterer «Seidenkönig» und Chefdesigner des Seidenhandelshauses Ludwig Abraham & Co, übernahm anno 1985 von seiner verstorbenen Mutter die berühmte Kronenhalle am Bellevue. Am Vuebelle erinnern zahlreiche Maulbeerbäume an diese geschichtliche Episode: Der Maulbeerbaum ist nämlich essenziell für die Herstellung von Seide, frisst doch die Seidenraupe ausschliesslich Blätter vom weissen Maulbeerbaum.

Wussten Sie, dass der frühere Besitzer der Kronenhalle, Gustav Zumsteg, auch als Zürichs Seidenkönig galt? Das führt uns zum Maulbeerbaum beim Vuebelle, dessen Blätter die Leibspeise der Seidenraupe sind. (Bild: VBZ)

 Drei Knaben auf Fischen

Wie der See, gehört auch der Brunnen mit den drei Knaben auf Fischen zum Bellevue. Fische stehen als Symbol seit jeher einerseits für das Christentum, andererseits aber auch für das Leben und die Fruchtbarkeit. Wussten Sie übrigens, dass gemäss einer Studie Fischesserinnen schneller schwanger werden sollen? Wie dem auch sei, für die Hasel gilt ähnliches: Zu früheren Zeiten, als unsere Ahnen den Pflanzen magische Fähigkeiten und eine vielfältige Symbolik zusprachen, war der Haselstrauch ein wichtiges Symbol für die Fruchtbarkeit. Die bekannte Äbtissin und Heilige Hildegard von Bingen meinte gar despektierlich: «Der Haselbaum ist ein Sinnbild der Wollust, zu Heilzwecken taugt er kaum.» Vielleicht haben Sie den Spruch «in die Haseln gehen» schon einmal gehört? Es steht für… na sehen Sie selbst. Fazit: Fische und Haseln sind ein guter Garant für ein fruchtbares Leben. Am Bellevue wie am Vuebelle.  

Die Bellevue-Apotheke

Seit 1887 schon versorgt die Bellevue-Apotheke ihre Kunden mit allem, was sie für ihre Gesundheit benötigen. Eine Hausapotheke ist im Grunde auch das Vuebelle. Wir pflücken uns mal eine der Pflanzen, den Spitzwegerich. Er soll nämlich nicht nur gegen Erkältungen helfen, man könnte ihn auch unterwegs zerkauen und gegen Insektenstiche oder als «Wiesen-Pflaster» bei kleinen Schürfungen einsetzen. Als «Apotheke der Bauern» galt früher aber vor allem Baum, der ebenfalls auf dem Vuebelle wächst: der Holunder.

Sternen, schwitzen oder Senf

Sehen Sie nicht aus wie kleine Sterne, die Blüten des Holunders? Ein Tee aus den Blüten wie auch die gekochten Beeren (ungekocht sind sie übrigens giftig) sollen schweisstreibend wirken – so wie der berühmte Senf vom Sternengrill! Wobei es zugegebenermassen schon sehr profan ist, den – in heidnischen Zeiten heiligen –Strauch mit Senf zu vergleichen. Immerhin hat man früher seinen Hut vor dem Holder gezogen! Eine «Bratwurst mit Senf» zur Legende zu machen, ist aber auch eine Leistung. Und auch davor ziehen wir den Hut.

Natürlich wachsen noch unzählige weitere Pflanzen und Pflänzchen auf dem Vuebelle, die uns etwas über das Bellevue erzählen könnten. Wir müssen hier aber einen einstweiligen Schlussstrich ziehen. Ob die Witwenblume etwas mit der Oper zu tun hat, die Thorgasse etwas mit dem Vogelbeerbaum zu tun hat und ob der gemeine Schneeball je den Böögg getroffen hat, werden wir vielleicht erfahren, wenn das Projekt «Vuebelle» erste Blüten trägt. 

Ein eigenes Stück Vuebelle gefällig? 

Schon mit 30 Franken holen Sie sich ein Stück Vuebelle in den Garten. 
Das Crowdfunding läuft noch bis zum 24. April 2024.
Mehr Infos dazu gibt's hier:

Zum Crowdfunding
Website Vuebelle

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