Dass Blau die Farbe der Götter sei, entspringt nicht dem behaupteten Selbstbewusstsein unserer Stadt, sondern galt schon im alten Ägypten. Erhellendes zum Zürich-Blau und seinem Einsatz auf unseren Fahrzeugen.
Die kühle Frische von leuchtendem Blau auf weissem Grund weckt viele Assoziationen. Im Herbst mögen manche an das Oktoberfest denken, anlässlich welchem die Farbe zum Zustand mutiert. Andere träumen vielleicht von Santorini mit wolkenfreiem Himmel und verspüren dabei ein leichtes Fernweh. Wir aber empfinden Heimatgefühle – schliesslich gehört Blau-Weiss zu Zürich wie die Fraumünsterkirche, das Knabenschiessen und, jawohl, die Fahrzeuge der VBZ.
Wenn wir auf das Blau unserer Fahrzeugen eingehen, könnten wir im Grunde an dieser Stelle einfach den Farbcode verkünden und Ihnen im weiteren einen schönen Tag wünschen. Ganz so simpel ist es aber nicht. Wie die Stadt selber, so hat auch deren Farbe so ihre Besonderheiten. Was die Zürcher Trams und Busse anbelangt, deren Metall sie ziert, so handelt es sich zunächst einmal um immer exakt denselben Farbton. Selbstverständlich? Keineswegs. Das war nämlich nicht immer so.
Blaue Farbe aus gelber Pflanze
Nachgewiesen wurde das Züri-Blau erstmals auf einem Banner aus dem Jahre 1437. Wie dieses Banner gefärbt wurde, darüber können wir nur spekulieren. Früher wurde die Farbe Blau vorwiegend mit Färberwaid produziert, dies jedoch mittels einer derart komplizierten Prozedur, dass nicht ganz klar ist, wie die Menschheit überhaupt auf so eine Idee kommen konnte. Zuerst wurden die Blätter zu Brei zerstampft. Nach einem intensiven Gärungs- und Trocknungsprozess wurde das Pflanzenmaterial zu Kugeln geformt, verkauft, und schliesslich für eine erneute Gärung mit Urin und mit Kaliumkarbonat versetzt. Die mit dieser Brühe gefärbten Stoffe waren erstmal gelb: Der blaue Farbton entwickelte sich durch die Oxidation an der Luft erst ganz am Schluss. Später lieferte die aus Indien importierte Indigopflanze eine weit überzeugendere Farbqualität; Deren Gewinnung gestaltete sich aber ähnlich komplex und zu gewissen Zeiten war ihre Nutzung zumindest in Deutschland bei Androhung von Todesstrafe verboten, lebte doch das einheimische Gewerbe vom Waidanbau. Sie sehen: Man hat es sich auf jeden Fall nicht leicht gemacht mit dem Blau.
Die Treue zu Zürich wird mit blauer Farbe besiegelt
Zu jener Zeit fuhren aber noch keine Trams durch Zürich, und als es sie dann gab, waren sie nicht blau, sondern gelb, grün, braun und grau. Erst als die Verkehrsbetriebe unter der Schirmherrschaft der Stadt Zürich fuhren, nämlich im Jahre 1898, bekamen sie ihren mediterranen Look. Damals war Zürich natürlich wesentlich kleiner, also brauchte es nicht viele Fahrzeuge, um die Menschen von A nach B zu bringen. Ein Lieferant genügte, um sämtliche Trams und Busse in den gewünschten Farbton zu tauchen – jenem Blau, das auch das Zürcher Wappen ziert. Freilich gab es zu jener Zeit längst synthetische Farbstoffe. Als die Fahrzeugflotte der VBZ parallel zur Einwohnerzahl von Zürich wuchs, mussten mehrere Lackfarbenhersteller die begehrte Blau-Tinktur anmischen. Und weil es nicht viel braucht, um eine Farbe zu verändern – ein bisschen Magenta hier, ein bisschen Yellow da – tuckerten plötzlich verschiedene Blautöne durch Zürich. Aufgefallen ist das freilich erst in der Reparatur, wenn man statt einer kleinen Stelle die ganze Flanke des Fahrzeugs zu lackieren hatte. Denn nur im direkten Vergleich wurde die Diskrepanz offenkundig.
Exklusiv gemischt
Irgendwann wurde den VBZ die Sache zu bunt, und man liess von der Firma NCS eine alte Tramverblendung vermessen. Der Farbcode hat eine Nummer, sie sei an dieser Stelle verraten: NCS 4637-R96B. Viel nützen wird das dem geneigten Leser nicht, der seinen Ferrari im waschechten Trämli-Blau spritzen möchte. Die Nummer finden Sie nämlich auf keiner NCS-Farbpalette, sie ist exklusiv gemischt und die Referenzmuster werden in einem Tresor gehütet wie das Geheimrezept der Appenzeller Kräutersulz. Wer immer das Blau unserer Fahrzeuge ergründen will, benötigt dieses Muster, um die Farbe physisch nachzumischen. Ein kleiner Trost: Den RAL-Farbton 5017 werden Sie finden, der ist zumindest ähnlich.
Das teuerste Blau von Zürich
«Das Blau der Luft ist von einer Farbe, die aus Licht und Finsternis zusammengesetzt wird», wird Leonardo da Vinci zitiert. Apropos Licht: Die Farbe Blau wird vom Auge bei einem Lichteinfall wahrgenommen, bei dem Wellenlängen zwischen rund 450 bis 480 Nanometern vorherrschen. Nur, damit das auch mal erwähnt ist. Beim Yin und Yang des Züri-Blau besteht die Schattenseite angeblich darin, dass es sich um das teuerste Blau des Strassenverkehrs handle. Wer es touchiert, erlebe sein blaues Wunder, wird geunkt. Das ist insofern nicht ganz falsch, als sich einer, der am Lack des Trams kratzt, für gewöhnlich im Unrecht befindet, denn bekanntlich hat das Tram immer Vortritt. Genauer betrachtet stimmt die Aussage so aber nicht. Beim Bus wird die Farbe in der gleichen Qualität verwendet, wie sie bei einem Auto zum Einsatz käme. Das kostet 80 Franken pro Liter, was recht günstig ist. Das Tram kommt, bezogen auf die Farbe, nachgerade zu Discountpreisen daher, nämlich mit 20 Franken pro Liter. Teuer beim Konfrontationskurs mit unseren Fahrzeugen sind also eher die Ausfallzeit, die Arbeitsstunden und die benötigten Ersatzfahrzeuge.
Nachhaltig und sparsam
Rund 600 Liter Farbe fliessen jährlich auf unsere Fahrzeuge. Bei einer Revision liegt der Verbrauch pro Bus bei rund zehn, pro Tram bei etwa fünfzehn Litern Farbe. Das ist sparsam: Heute muss das Metall bei Schäden dank des standardisierten Farbtons nur von Kante zu Kante neu lackiert werden. Die VBZ sind übrigens international eines der ersten Unternehmen, die an der Entwicklung eines wasserverdünnbaren Lacks mit gleichbleibendem Glanzgrad mitgewirkt haben und diesen auf ihren Fahrzeugen einsetzen. Dieser wasserverdünnbare Lack ist weitaus umweltfreundlicher als jener, der mit Kohlewasserstoff verdünnt wird. Darüber freut sich vor allem die Ozonschicht. Umweltfreundlich sind auch die seit sieben Jahren eingesetzten druckreduzierten Spritzpistolen. Diese generieren weniger Nebel und platzieren die Farbe somit direkt dort, wo sie hingehört, nämlich auf dem Fahrzeug. Der Farbverbrauch konnte so halbiert werden.
Dass die Zürcherinnen und Zürcher der Farbe die Treue halten, wurde nicht zuletzt offensichtlich, als im Jahre 2009 ein gelbes Tango-Tram der BLT durch Zürich fuhr. Jene, die mutmassten, man teste nicht nur die Technik, sondern die Wirkung der Farbe mit dazu, sahen rot. Beruhigend wie das Blau selbst sei an dieser Stelle unser Versprechen: Auch in Zukunft heisst das Motto – bis auf wenige Farbtupfer – nicht «Hoch auf dem gelben Wagen», sondern weiterhin «Blau, blau, blau wie der Enzian».