Cheryl Tron, Bachelor-Absolventin des Studiengangs «Industrial Design» lässt die Linienfarben der Stadtzürcher Trams und Busse in Alltagsgegenstände einfliessen. Wir erhielten einen Einblick in ihre Welt.
Während Sie vor dem Bildschirm sitzen, den Blick auf diesen Artikel gerichtet, führen Sie möglicherweise soeben eine Tasse an Ihre Lippen, deren Diddl-Aufdruck Sie an Ihre oder Ihren Ex erinnert. Vielleicht ist es auch eine Lifestyle-Getränkeflasche, ab der Sie an einem warmen Matcha-Tee nippen.
So oder so: Jemand hat sich in der Vergangenheit Gedanken darüber gemacht, wer dieses Ding erwerben soll, woraus es besteht, was es können muss und wie es optisch daherkommt. Möglicherweise handelte es sich bei diesem Jemand um eine Industrial Designerin, also jemand wie Cheryl Tron. Sie ist eine der Kreativen, welche die neue VBZ Lifestyle-Linie entworfen haben.
Was die junge Gestalterin antreibt, sind Farben. Das war allerdings nicht immer so. Einst war ihre Welt noch schwarz. Natürlich nicht im psychologischen Sinne, sondern als Ausdruck einer Branche. In der Architekturszene nämlich, wo es Tron nach ihrem Praktikum in einem Baugeschäft hintrieb, kleidet man sich vorzugsweise dunkel. Sie war eben im Begriff, ganz in diesen Kosmos einzutauchen, als ihr eine Lehrerin zum Studium der Produkt- und Industriedesigns riet. «Eine super Entscheidung», bekräftigt sie heute.
Industrial Designer gestalten nämlich nicht nur die materiell greifbaren Gegenstände, sie definieren auch deren Bedeutung und die Beziehung, die zwischen den Dingen und ihren Besitzern entstehen soll. Für Fragen wie «Für wen und in welchem Moment wird das Produkt entworfen, wie sieht seine Umgebung aus, was für eine Bedeutung hat das Objekt, wie wird es benützt?» werden gestalterische Antworten gesucht. «Wenn ich für einen bestimmten Ort einen Stuhl gestalte, und der Stuhl passt nicht zum Ort und zu den Benutzern, dann habe ich versagt», vereinfacht Tron den komplexen Sachverhalt. Wir leben in einer Zeit der sich laufend verändernden Gesellschaft, Kultur und Technologie. Für dieses Umfeld müssen Industrial Designer auf der Produktebene passende Konzepte entwerfen können.
«Wir waren verrückte Kinder, aber irgendwie auch cool.»
Verrät die Herkunft etwas über Farbvorlieben?
Eine derart überlegte Vorgehensweise verspricht nicht zwingend den Farbtopf am Ende des Regenbogens. In vielen Projekten ihrer Mitstreitenden entdeckte sie diese typisch industriellen grauen Farbtöne. Nichts für Tron, die Gedanken und Ideen abfeuert wie eine Konfettikanone. Sie, die schon mit vier Jahren auf 30-ccm-Maschinen Motocross zu fahren begann, wie sie jetzt lachend erzählt: «Die Motocross-Kleidung der 90er war grell und flashy. Wir waren verrückte Kinder, aber irgendwie auch cool.». Ihr wurde klar, dass sie anders tickt. Von da an habe sie es sich bewusst zur Aufgabe gemacht, an sich selbst herauszufinden, wie sie mit Farben spielen kann.
Die quirrlige 24-jährige entdeckte in der Folge für sich das «Colour Blocking», ein Modetrend, bei dem knallige und gern auch mal Komplementärfarben kombiniert werden. «Letztere fanden ihren Ursprung bei Piet Mondrian, dem holländischen Maler», erklärt sie. Die Frage, inwiefern Farbvorlieben einen Zusammenhang mit dem jeweiligen kulturellen Hintergrund haben könnten (sie hat ihre familiären Wurzeln nämlich unter anderem in Madagaskar), ist – so nebenbei erwähnt – auch das Thema ihrer Semesterarbeit, die sie unterdessen für ihr Masterstudium im Studiengang «Integratives Gestalten» verfasst. Hinterfragen liegt ihr: Schicht um Schicht will sie ihre Themen aufdecken, immer weiter in die Tiefe bohren. Auch dafür hat sie eine Erklärung: «Je besser ich mich und meine Beweggründe kenne, desto besser wird meine Arbeit.».
Farben, Formen und neue Sichtweisen
Nach Abschluss ihres Bachelors wechselte der Freigeist Tron vom Industrial Design zum «Integrativen Gestalten». Das war nur folgerichtig: «Im Industrial Design habe ich eine gute Grundlage in vielen gestalterischen Praktiken bekommen, es wurde mir in seiner Ausrichtung auf die Industrie im Schweizer Kontext aber zu eng. Bislang fehlte mir in dieser Hinsicht die Diversität». In Ihrem Masterstudium treffen Künstler, Grafiker, Textildesigner, kurzum unterschiedliche Backgrounds und komplett verschiedene Herangehensweisen aus aller Welt aufeinander. Leute aus Finnland, China, Frankreich, Deutschland, um ein paar Beispiele zu nennen. Auch Gruppenarbeiten finden hier häufiger statt – das macht vieles komplexer, aber auch spannender.
Eine besondere Farbpalette erwartete sie schliesslich in Zürich, als sie, gemeinsam mit anderen Bachelor-Kollegen der Fachhochschule Nordwestschweiz, von den Verkehrsbetrieben Zürich gebeten wurde, eine neue Ära im Merchandising des Unternehmens einzuläuten. Das Basler Team setzte sich intensiv mit der Stadt, deren ÖV, Linienfarben und dem Auftritt der Verkehrsbetriebe auseinander. Wieso gerade Basler? «Man muss dafür nicht unbedingt von Zürich sein. Das ist ähnlich wie bei den Gründern der Schuhmarke Filling Pieces – der Gründer war Architekt, und viele aus dem Team hatten kein Schuh-Design-Studium absolviert. Trotzdem sind sie erfolgreich.», meint Tron. Und in der Tat, die «Bebbis» brachten eine neue Sicht ein und entdeckten Dinge, die der alteingesessene Zürcher möglicherweise gar nicht mehr so wahrnimmt.
Die neue VBZ Lifestyle-Linie entsteht
In Zürich versuchte sie nun, nebst der Farbwelt auch Themen wie «Nachhaltigkeit» und «Lokalität» auf das Produkt zu transferieren. Lustvoll stürzte sie sich in die Phase der Entwürfe: «Muster in crazy Farben, ich hatte die totale Freiheit, es gab weder richtig noch falsch». Die Designerin wirft lebhaft die Hände gen Himmel und frohlockt : «Das ist das Schönste, wenn man so frei arbeiten kann».
Freilich liess die Realität nicht lange auf sich warten: «Ihr würdet ja nie das ganze Tram in die Farbe der jeweiligen Linie kleiden – ich schon». So sei ein Produkt letztlich ein Kompromiss zwischen eigenen Ideen und jenen der Unternehmung, aber trotzdem steckt ganz viel von ihr drin, denn: «Was du erschaffst, ist ein Ausdruck deiner selbst», sinniert sie. Produziert werden nun keine Staubfänger, sondern ganz alltägliche Dinge, denen das Thema «unterwegs sein» innewohnt: Socken und eine Getränkeflasche, deren Gestaltung und Materialauswahl das Resultat der Arbeit von Cheryl Tron und ihrer Mitstreiterin Stella Ginesi sind. Während sich Tron auf die Farben eingeschossen hat, kommen die Produkte ihrer Kollegin schwarz-weiss daher: Sie nämlich hat sich voll auf die Welt der Muster konzentriert. Auch das sei Buntheit, kommentiert Tron, jedoch in Muster und Formen statt in Farbe.
Sneakers statt Ballerinas
Nach ihrem Master-Abschluss will sich Tron in eine Design-Richtung spezialisieren, die von Socken gar nicht weit entfernt ist: jene der Schuhe. Sie möchte ein Start-up gründen, das ergonomisches, aber dennoch ästhetisches Schuhwerk hervorbringt. «Ich stehe total auf Sneakers, das war schon immer so – ich war eben eine, die lieber Unihockey und Fussball gespielt hat.». Sie trage ihren eigenen sportlich eleganten Stil. «Ballerinas sehe ich als Todesstrafe für die Füsse», betont sie energisch.
Nun denn – wir hoffen, in Bälde rundum lebensbejahende Schuhe über unsere Zürcher Tram- und Bus-Socken stülpen zu dürfen.
Die neue Lifestyle-Linie der VBZ
Ab 1. Juni ist sind die Produkte-Linien «Collaboration» (Cheryl Tron) und «Monochrome» (Stella Ginesi) vorerst mit je einem Paar Sneakersocken für Damen (Grösse 36 bis 39) und Wadensocken für Herren (Grösse 40 bis 43) sowie einer Wasserflasche in allen VBZ Beratungsstellen erhältlich. Einen Überblick und die Preise finden Sie hier.