Schicksalsbaustelle

Wenn die Stadt schläft und die Restaurants geschlossen sind, herrscht bei ihm Hochbetrieb. Am Tag und in der Nacht sorgte er am Gleisschlag-Wochenende für das leibliche Wohl der rund 400 Bauarbeiter rund ums Bellevue. Ein Portrait über Georges Ziehler, der durch einen Zufall zum Baustellen-Caterer der VBZ wurde.

Es war die Gleiserneuerung Klosbachstrasse vor zehn Jahren, die Georges Ziehler mit den VBZ zusammenbrachte. Direkt vor seinem damaligen Restaurant Europa fuhren die schweren Maschinen auf, die Bauarbeiter begannen ihre Schichten. Vom Caterer, der für die Verpflegung der Beteiligten zuständig war, fehlte jedoch jede Spur. Ziehler tat, was er tun musste oder für selbstverständlich hielt: Er sprang ein und bewirtete die Bauarbeiter. Und er liess sein Restaurant vom Samstag 9 Uhr bis Montag 7 Uhr durchgehend für sie offen. Seit jenem Wochenende ist er der Baustellen-Caterer der VBZ.

Baustellen-Catering ist kein normales Catering, das wird einem beim Gespräch mit Georges Ziehler schnell bewusst. Vor jedem Gleisbau-Wochenende geht er persönlich vorbei, um sich ein Bild zu machen und mit den Verantwortlichen zu sprechen. Wenn es dann losgeht, muss im Container inmitten der Bauarbeiten jederzeit Essen zur Verfügung stehen – sei es am frühen Morgen, Mittags oder in der Nacht. In seinem kleinen «Restaurant» gibt es keine Teller, die Handhabung ist unkompliziert. Die Nachtarbeit ist Chefsache, der 68-jährige hat sich an den ungewöhnlichen Rhythmus gewöhnt und holt den Schlaf am Tag nach.

Das Baustellen-Restaurant im Container inmitten der Bauarbeiten (Bild: Julia Müller)

Tiefe Verbundenheit

Schon seit seiner Kindheit kocht Georges Ziehler gerne, am liebsten währschaft, zum Beispiel Gulasch oder Spaghetti. Der gelernte Tankrevisor entschied sich, nach einem Abstecher in die IT-Welt, zusammen mit seiner Frau und seiner Schwiegermutter ein Café zu eröffnen. Zu seinem Publikum gehörten in erster Linie Arbeiter, welchen er sich wegen ihrer Unkompliziertheit und Freundlichkeit immer schon verbunden fühlte. Nach dem fast schon schicksalhaften Gleisbauwochenende an der Klosbachstrasse wurde er von den VBZ angefragt, ob er das Baustellencatering übernehmen könnte. Ziehler willigte sofort ein. Zwei Jahre führte er sein Restaurant parallel weiter und entschied sich dann ganz für das Baustellencatering. Seit 2005 verpflegt er zusammen mit seinem Team die Arbeiter auf jeder VBZ-Baustelle, an etwa 20 Wochenenden im Jahr.

Er liebt es, mittendrin zu sein; die Lebendigkeit; Leute um sich zu haben.

Wenn Ziehler von seiner Arbeit spricht, spürt man regelrecht seine Freude daran. Die Baustellen sind seine Welt. Im Winter, wenn nicht gebaut wird und er Ferien hat, fehlen sie ihm. Er liebt es, mittendrin zu sein; die Lebendigkeit; Leute um sich zu haben. Bei der Frage, ob er denn auf der Baustelle eine Kochschürze, weisse Handschuhe und Schlips trage, muss er schmunzeln: «Natürlich nicht.» Wie die Bauarbeiter sei er mit Weste und Helm ausgerüstet. Das Schönste für ihn ist die Dankbarkeit seiner Gäste. Viele von ihnen kennt er persönlich und sie verabschieden sich am Feierabend von ihm.

Herausforderung Bellevue

Wie bei allen Gleisbau-Wochenenden begann die Arbeit für den Baustellen-Caterer und sein Team auch beim Bellevue schon in der Nacht vom letzten Freitag auf den Samstag mit der Produktion. Sechs Personen standen in der Küche im Einsatz, damit am nächsten Morgen ab 5 Uhr Mandelgipfel, Sandwiches, Burger und natürlich Kaffee und Softgetränke bereitstanden. Die Bellevue-Baustelle bereitete Ziehler im Vorfeld aufgrund ihrer Grösse Kopfzerbrechen. Immerhin galt es, rund 400 körperlich streng arbeitende Personen zu verpflegen. 4000 Liter Getränke (wegen der Hitze musste er die geplante Menge vervierfachen), 600 Tassen Kaffee, 600 Sandwiches, 800 Hamburger, 600 Wienerli, 1000 Stück Gebäck, … Sein erstes Fazit am Samstagmorgen war positiv, alles läuft, wie es muss. Ziehler selber gönnte sich eine wohlverdiente Pause – sein Team übernahm auf der Baustelle.

Interessantes zum Bellevue

Während der 5-wöchigen Bellevue-Baustelle wird jede Woche ein Artikel zum Thema Bellevue veröffentlicht. Nächste Woche erfahren Sie hier, welchen Weg die Gleise zurücklegen, bevor sie in den Boden verlegt werden.

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