Dr. Guido Schoch, VBZ-Direktor von 2009 bis 2021, tritt am 30. April in den Ruhestand. Vbzonline blickt mit ihm zurück auf die prägenden Momente seiner Amtszeit und seine persönlichen Highlights. Das Interview führte Silvia Behofsits-Bührer, Leiterin VBZ-Unternehmenskommunikation.
Herr Schoch, Sie werden Ende April nach zwölf Jahren VBZ pensioniert. Was bleibt Ihnen besonders positiv in Erinnerung?
Besonders positiv bleibt mir die grosse Verbundenheit und Identifikation der Mitarbeitenden mit den VBZ in Erinnerung. Bei einer der beliebtesten Dienstabteilungen der Stadt zu arbeiten, die entscheidend zur Lebens- und Umweltqualität beiträgt, war und ist offenbar nicht nur für mich sinnstiftend. Das zeigt sich auch in der geringen Fluktuationsrate von rund drei Prozent.
Womit haben Sie persönlich die VBZ geprägt?
Ganz wichtig war mir, die Kundinnen und Kunden und die Mitarbeitenden noch mehr ins Zentrum unseres Denkens und damit der Unternehmenskultur zu rücken, ohne dabei die Wirtschaftlichkeit zu vernachlässigen. Wir konnten in den letzten Jahren das Fahrplanangebot für unsere Kundschaft laufend ausbauen und zum Beispiel neue Tramlinien wie das Tram Zürich West, die Tramverbindung Hardbrücke oder die Verlängerung der Tramlinie 2 nach Schlieren, aber auch neue Buslinien eröffnen. Auch bei den Fahrzeugen gab es bedeutende Erneuerungen. Stichworte dazu sind natürlich das Flexity-Tram und die neuen eBusse. Mit der Technologie von «SwissTrolley plus» haben die VBZ zusammen mit den Industrie- und Hochschulpartnern eine Pionierleistung erbracht.
Worauf sind Sie besonders stolz?
Mir war besonders wichtig, dass die VBZ sowohl stark im Kerngeschäft sind und bleiben, aber auch im Bereich der Digitalisierung und mit Pilotprojekten neue Entwicklungen anstossen. Der Erfolg dieser Strategie widerspiegelt sich in der Zufriedenheit unserer Kundinnen und Kunden, welche 2020 mit 81 Punkten einen Höhepunkt erreichte. In den verschiedenen städtischen Befragungen ist auch die Zufriedenheit der Mitarbeitenden laufend gestiegen. Trotzdem konnten wir die Kosten markant reduzieren. Die Abgeltung, welche wir vom Kanton für unsere Leistungen erhalten, konnte pro Fahrgast halbiert werden. Der Kostendeckungsgrad konnte von 65 auf über 85 Prozent per Ende 2020 gesteigert werden.
Welches sind aus Ihrer Sicht die eher schwierigen Themen?
Immer mehr Anspruchsgruppen beanspruchen Platz in den schon heute relativ schmalen Zürcher Strassen: neue Velospuren, Alleen, Fussgängerstrategie usw. Leider gibt es aber nicht in jeder Strasse Platz für alles. Es ist so auch kaum mehr möglich, neue ÖV-Spuren zu bauen. Gleichzeitig nimmt der Druck auf die bestehenden Eigentrassees zu. Wir müssten den Mut haben, die Verkehrsträger in den einzelnen Strassen vermehrt zu trennen.
«Der hohen Qualität des ÖV in der Stadt Zürich müssen wir alle Sorge tragen.»
Das klingt nicht sehr optimistisch?
Ich bin tatsächlich besorgt, ja. Leider nehmen solche Tendenzen sowohl in der Politik als auch in unserer Branche zu. Man glaubt, sich auf dem Erreichten ausruhen zu können. Aber das reicht nicht. Nur wenn es uns gelingt, den ÖV weiter auszubauen, werden wir die Klimaziele erreichen. Die Menschen steigen aber nur um, wenn der ÖV weiter an Attraktivität gewinnt, wenn er auch künftig schneller, pünktlicher und bequemer wird. Der hohen Qualität des ÖV in der Stadt Zürich müssen wir alle Sorge tragen. In diesem Sinne freue ich mich natürlich auch über die kürzlich erfolgte Aussage des Stadtrats, dass der ÖV für die Erreichung der städtischen Klimaziele zentral ist. Nun müssen den Worten weitere Taten folgen.
Wie schätzen Sie die Folgen der Corona-Pandemie für die Zukunft des ÖV ein?
Es ist davon auszugehen, dass das Arbeiten im Homeoffice zunehmen wird. Dies könnte einerseits zu abnehmenden Frequenzen im ÖV, aber auch zu weniger Staus auf den Strassen führen, was die Konkurrenzfähigkeit des Autos steigern würde. Es ist deshalb essenziell, dass der ÖV bei zukünftigen Ausbauten das Gewicht nicht hauptsächlich auf Mengenausweitungen legt, sondern den Reisezeiten von Tür zu Tür und auch dem Komfort im weitesten Sinne noch viel grössere Beachtung schenkt. Das wichtigste Kriterium für die Wahl des Verkehrsmittels sind immer noch die Reisezeiten. Der ÖV hat immer dann im Modalsplit massiv gewonnen, wenn die Reisezeiten gegenüber dem Auto konkurrenzfähiger geworden sind.
Was möchten Sie Ihrem Nachfolger, Dr. Marco Lüthi, mit auf den Weg geben?
Er übernimmt eine tolle Führungscrew und Mitarbeitende, die sich mit Herzblut für die VBZ einsetzen. Ich glaube, dass es weiter zentral sein wird, unsere Kundinnen und Kunden in den Mittelpunkt zu stellen und diese von den Leistungen der VBZ zu überzeugen. So werden die VBZ auch weiterhin einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz leisten und für attraktive Arbeitsplätze stehen.
Was sind Ihre Pläne?
Sehr freue ich mich, mehr Zeit für Reisen und für die klassische Musik zu haben. Ich bin aber auch offen für spannende Projekte, sei es im ÖV oder anderswo.
Vielen Dank und herzlich alles Gute für Ihre Zukunft!