Quietschende Geschichten

Vom 22. bis 25. Oktober findet zum fünften Mal das zürcherischste aller Buchfestivals statt. Vier Tage und vier Abende lang bietet «Zürich liest» vertiefte Einblicke in die Welt der Bücher und Raum für Begegnungen mit Autorinnen und Autoren von nah und fern. Gelesen wird überall: In Wohnzimmern, Buchhandlungen, in der Alten Kaserne und im Theater. Zu den Klassikern des Buchfestivals gehören auch die literarischen Tramfahrten unter dem Motto «Einsteigen und Eintauchen».

Gemäss Programm will «Zürich liest» inspirieren, unterhalten, verführen, aber auch zum Nachdenken anregen. An unterschiedlichen und teilweise auch eher ungewöhnlichen Zürcher Orten und Schauplätzen erlebt man Geschichten und ihre Autoren in allen Facetten. Auch die VBZ beteiligen sich am Rundgang durch den farbenprächtigen Garten der Literatur. Dieses Jahr erlebt man Krimis, Belletristik, Lyrik, Spoken Word und eine Hommage an eine grosse Autorin – und das alles, während man gemütlich im Tramsessel sitzt. Eine der im Tram vorlesenden Autorinnen ist Ulrike Ulrich.

Ich brauche ein Haus, damit ich auf Weltreise gehen kann

Dieser in Rom auf einer Bretterwand entdeckte Spruch widerspiegelt auf gewisse Weise das Leben der Schriftstellerin Ulrike Ulrich. Die gebürtige Deutsche bricht immer wieder auf, ist sich aber bewusst, dass sie das nur deshalb leichten Herzens tun kann, weil sie die Sicherheit eines Zuhauses kennt und besitzt. So erstaunt es nicht, dass es Ulrike Ulrich zuerst nach Österreich und 2002 dann in die Schweiz verschlagen hat, wo sie im Quartier Wiedikon ihre neue Heimat fand. Das Unterwegssein bringt Ulrike Ulrich auch in ihren Geschichten und Texten zum Ausdruck, so ist beispielsweise das Thema «öffentlicher Verkehr» omnipräsent – in ihrem ersten Roman «fern bleiben», der in Zügen und auf Bahnhöfen in ganz Europa spielt, oder aktuell in der Geschichte vom Strassenmusikerpaar in der Pariser Metro und der Erzählung, die im Tram der Linie 2 in Zürich spielt. All die unterschiedlichen Menschen, denen Ulrich auf ihren Fahrten in diesen öffentlichen Verkehrsmitteln begegnet, inspirieren die 47-Jährige laufend zu neuen Geschichten.

Am Anfang stand das Wort

Schreiben bedeutet für Ulrike Ulrich vor allem grosse Freiheit. Freiheit, sich mit Hilfe von Sprache auf die Suche zu begeben, auf die Suche nach Antworten auf die Fragen, die sie umtreiben, Fragen nach Verantwortung und den Konsequenzen von Handeln und Nichthandeln zum Beispiel. «Der Umgang mit der Sprache und die Sprache selbst verhilft mir zu Erkenntnissen». Den Tatsachen auf den Grund zu gehen, trieb die Autorin schon immer an, so wollte sie als Teenagerin Detektivin oder Archäologin werden. Auch heute noch befasst sie sich gerne mit Rätseln, auch mit denjenigen, die ihr der eigene Text aufgibt.

«Der Umgang mit der Sprache und die Sprache selbst verhilft mir zu Erkenntnissen».

Mehr Freiheit gewann Ulrike Ulrich auch, als sie vor ein paar Wochen den Schweizer Pass erlangte, nun kann sie endlich aktiv am politischen Geschehen teilnehmen. Engagement zeigt die Schriftstellerin schon länger als Mitherausgeberin einer Anthologie zu den Menschenrechten und bei «Kunst+Politik» – einem Schweizer Verein, dessen Mitglieder sich seit 2010 mit künstlerischen und anderen Mitteln für ihre Vision von Gesellschaft einsetzen. Oder in einer Arbeitsgruppe, die sich für politisch verfolgte Autorinnen und Autoren einsetzt.

Eine Tramgeschichte erfahren

«Draussen um diese Zeit» ist der Titel eines Kurzgeschichten-Bandes von Ulrike Ulrich. Er versammelt kurze, eindrückliche Stories aus unterschiedlichen Grossstädten und eröffnet Einblicke in die Gedankenwelt der Figuren mit allen Schönheiten und Abgründen des Menschseins. Sie alle sind draussen um diese Zeit, weil sie sich auf die Suche begeben haben, ihren Sehnsüchten zu folgen. «Ich hoffe, dass das Schreiben mich stets mutiger macht. Und auch die Figuren in meinem Buch sind alle auf ihre Art mutig. Sie nehmen Risiken auf sich und gehen über ihre eigenen Grenzen hinaus». So handelt die von ihr vorgelesene Tramgeschichte beispielsweise von Georg, dem Investmentbanker, der von morgens bis abends im 2er-Tram unterwegs ist, weil er hofft, seine vermisste Frau wiederzufinden. Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten. Steigen Sie Ende Oktober im Literatur-Tram ein und lassen Sie sich inspirieren.

Ulrike Ulrich ist gerne unterwegs. (Bild: VBZ)

«Zürich liest» findet vom 22. - 25. Oktober 2015 an diversen Veranstaltungsorten statt. Die literarischen Tramfahrten beginnen am Freitag, 23. Oktober, ab 15:30 Uhr und am Samstag, 24. Oktober, ab 12:00 Uhr. Einstieg an der Extrafahrten-Haltestelle «Bellevue». Eintritt: 15 Franken. Zusätzliche Infos: zuerich-liest.ch. Ulrike Ulrich hält bereits am 22. Oktober um 19:00 Uhr eine Lesung in der Stadtgärtnerei, die Tramgeschichte erzählt sie am 23. Oktober um 17:00 Uhr.

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