«Schneller, schneller, hü!» Wir haben es oft eilig, und darum stehen auch im ÖV immer wieder Eil-, Express- oder Schnellkurse zur Debatte. Für den ÖV der Zukunft ein möglicher Ansatz. Dabei geht es eigentlich gar nicht um Geschwindigkeit, sondern um Effizienz, wie das Beispiel des Zusammenspiels von Forchbahn und Linie 11 beweist. Ein Beitrag um die Frage, wie man im ÖV die Reisezeit verkürzt.
«Äxgüsi, chönnted Sie da hine bitte d’Tür freigäh, damit mier wiiterfahre chönd?» Solche Durchsagen hat jede und jeder von uns schon gehört. Auch wenn das Ein- und Aussteigen an manchen Haltestellen etwas länger dauert, nimmt das Anhalten grundsätzlich natürlich immer Zeit in Anspruch. Unbeliebt ist das vor allem, wenn wir spät dran sind und möglichst schnurstracks das Endziel erreichen wollen.
Zugegeben, die Idee ist nicht neu. Ebensowenig wie der Traum vom Fliegen, und trotzdem – oder gerade deswegen – lohnt es sich, den Gedanken eines Express- oder Eilkurses wieder einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Genau das werden nämlich auch die Fachleute der VBZ machen, wenn es bei der Netzentwicklungsstrategie 2040 darum geht, die verschiedenen Möglichkeiten einer Verkürzung der Reisezeit im Zürcher ÖV abzuwägen.
Schnell heisst nicht unbedingt schnell
«Express» bedeutet selbstverständlich nicht, dass das Fahrzeug mit hundert Sachen um die Ecke biegt. Das besagte Prädikat erhält eine Linie, bei der das Fahrzeug nur an den grossen, also stark frequentierten Haltestellen hält und an allen anderen vorbeifährt. In den Anfängen des ÖV waren naturgegeben die meisten Linien mehr oder weniger direkte Verbindungen – von einem Eilkurs konnte dazumal trotzdem nicht die Rede sein, eher von einem gemütlichen Trab. Die klassischen «Eilkurse» standen vor allem in den 70er-Jahren hoch im Kurs, und zwar bei den Bussen. Zuletzt eilten die Fahrgäste mit solchen Kursen zur ETH Hönggerberg hoch, mit der Linie 69.
In Deutschland ist man seit jeher ein bisschen schneller unterwegs. Nicht nur auf den Autobahnen und im Bus, sondern auch mit Schnellkursen beim Tram, wie man deren drei in Bremen oder sogar fünf in Karlsruhe findet. Es ist dennoch nicht zwingend nötig, den Blick über die Landesgrenzen zu richten. Auch die Berner sind, allen Unkenrufen zum Trotz, mit der Linie 6 etwas rascher unterwegs. Tatsächlich aber brauchen wir die Stadt noch nicht einmal zu verlassen, um ein gutes Beispiel zu finden.
Die effiziente Forchbahn und ihr Zusammenspiel mit der Linie 11
Eine besonders flotte Linie findet sich in Zürich nämlich ausgerechnet in der auf den ersten Blick so gemütlichen «Frieda», der Forchbahn. Auf Stadtgebiet bedient die Forchbahn nämlich nur die grossen Haltestellen. Ihr gemütlicheres oder, genauer gesagt, gründliches Pendant hält an allen Haltestellen auf der Strecke – die Tramlinie 11. Die Vorteile dieser Zusammenarbeit sind offenkundig: Alle Haltestellen sind bedient, niemand muss auf eine Verbindung im dichten Stadtzürcher 7.5-Minuten-Takt tagsüber verzichten. Ausserdem kann auch nicht aus Versehen in die direkte Linie eingestiegen werden, schliesslich ist die Bahn optisch einwandfrei vom Tram zu unterscheiden. Um exakt zu sein, lautet das korrekte Adjektiv zur Beschreibung dieser Lösung nicht prioritär «schnell», sondern hauptsächlich «effizient».
Auf der Forchstrasse hat man die Mischung zwischen «direkt» und «gründlich» gar auf das Maximum ausgereizt. So, dass Pünktlichkeit unverzichtbar ist. Wäre nämlich der 11er am Stadelhofen zu spät, hätte man das Problem, dass er schon wieder zu nahe vor der folgenden Forchbahn fahren und diese potenziell blockieren würde. Dasselbe Spiel umgekehrt ab Rehalp, wenn die Forchbahn zu spät und somit hinter dem 11er abfahren würde. Ist dieses Wechselspiel nicht fein austariert, werden separate Gleise benötigt. Und Platz, das wissen wir, ist in der Stadt knapp.
Erst ab Rehalp stadtauswärts beweist die Forchbahn, dass sie von lento bis presto die ganze Klaviatur beherrscht: Während den Hauptverkehrszeiten fährt jede zweite Forchbahn kompromisslos durch bis Forch, und von da an halten alle Fahrzeuge wieder an jeder Haltstelle bis nach Esslingen.
Natürlich ist so eine Direktverbindung physisch nachweisbar speditiver. Umfragen haben obendrein aufgezeigt, dass sie psychologisch ungleich schneller wahrgenommen wird, als sie tatsächlich ist. Auf jeden Fall kommt eine direkte Verbindung nicht nur jenen zugute, die zügig vorankommen wollen. Auch alle anderen profitieren davon, dass in «ihrem» Tram genug Platz ist. Die Forchbahn beispielsweise fährt acht Mal pro Stunde, also etwa alle 7.5 Minuten. Das bedeutet, dass man an jenen Haltestellen, die sowohl von der Forchbahn wie auch von der Linie 11 bedient werden, ein doppeltes Angebot erhält, nämlich das direkte plus das klassische dazu.
Viele Faktoren spielen mit
Die Nachfrage ist ein wichtiges Kriterium, das gilt für jede ÖV-Verbindung. Auch Expresslinien gibt es nur dort, wo sie ebenso wie die klassischen Kurse genutzt werden. Wenn wir den Blick in die Zukunft wagen, könnte beispielsweise auf der Achse Bellevue – Hochschulgebiet – Irchel – Oerlikon so eine Nachfrage zwischen den verschiedenen Hochschulstandorten bestehen. Voraussetzung wäre natürlich, dass sich die Fahrzeuge bei einem dichten Fahrplantakt nicht gegenseitig behindern. Weswegen bei so einem Arrangement nicht nur zwei, sondern alle Linien auf der Strecke mitspielen und betrachtet werden müssen. In der dicht befahrenen Innenstadt ist das eine knifflige Ausgangslage.
Ein gutes Abstimmen von Haltestellenabständen und unterschiedlich oft haltenden Linien ist nur eine Möglichkeit, die Reisezeit zu verkürzen. Für ein Tram besonders wichtig sind eigene Tramtrassen, aber auch kurze Wartezeiten an Kreuzungen durch eine intelligente Verkehrssteuerung. Wo welche Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, bedarf für die Zukunft einer eingehenden Prüfung, die dann vorgenommen werden kann, wenn klar ist, wie das zugrundeliegende ÖV-Netz aussieht. Eine Aufgabe, derer sich die Verkehrsexperten der VBZ und ihrer externen Mitstreiterinnen in der kommenden Zeit widmen werden, wenn es darum geht, die Netzentwicklungsstrategie 2040 zu formulieren. Und vielleicht, so die leise Hoffnung, haben wir es in den kommenden Jahrzehnten irgendwann nicht mehr immer gar so pressant. Trotz oder wegen des speditiven ÖV.
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