«Nach der Bauzeit bringt die neue Haltestelle eine Verbesserung der Lebensqualität!»

Die Bauarbeiten zur Erneuerung der Haltestelle Bahnhofquai sind umfangreich. Christian Meier, Gesamtprojektleiter beim Tiefbauamt Zürich, hat mit uns über das Projekt, die Geschichte des Bahnhofquais und die Feinheiten des Denkmalschutzes gesprochen.

Wäre ein Bahnhofplatz eine Person, so müsste er dem Wesen nach ein vollendeter Gastgeber sein. Zum einen, weil er den ersten Eindruck schafft, den ein Reisender bei seiner Ankunft erhält. Zum anderen, weil er tagein, tagaus durch Tausende von Menschen belebt wird. Was könnte so ein Platz für Geschichten erzählen! Für den Bahnhofquai hat heute Christian Meier, Gesamtprojektleiter Realisierung beim Tiefbauamt Zürich, das Erzählen übernommen. Er gibt uns einen kleinen Einblick in die Geschichte des Bahnhofquais, die zugleich auch ein Stück weit seine eigene ist.

Spanische Brötli in Baden und grosses Kino im Hauptbahnhof

Für Christian Meier nahm diese Geschichte ihren Lauf im Jahr 1995. Der damals 33-jährige arbeitete in einem Ingenieurbüro, das den Umbau des heutigen VBZ-Stützpunkts im Untergrund des Bahnhofquais leitete: Im «Bunker», wie er mitunter genannt wird, treffen sich Serviceleiter und «Troubleshooter» der VBZ – sie können ab diesem Standort rasch jeden Punkt in der Innenstadt erreichen.  Es war Meiers erstes Projekt am Hauptbahnhof, weitere sollten folgen.

Für Bauprojektleiter Christian Meier ist der Bahnhofquai auch Teil seiner eigenen beruflichen Geschichte. (Bild: Nik Spoerri für VBZ)

Die eigentliche Geschichte des Hauptbahnhofs begann natürlich sehr viel früher, genauer um 1847. «Die erste Eisenbahn der Schweiz, nämlich die ‹Spanisch-Brötli-Bahn› zwischen Zürich und Baden, ist damals bis zur Limmat und ab 1871 in die von Jakob Friedrich Wanner gebaute Bahnhofshalle gefahren, bis zum ‹Meter 0›*, der an der Aussenfassade über der Uhr mit einer goldenen Säule markiert ist», erzählt Meier. «Die alten Dampfloks konnten nicht wenden», fährt er fort, «deshalb gab es dort, wo heute die Unterführung ist, eine Drehscheibe». Später sei die Querhalle gebaut und die ursprüngliche Halle zu einem Kommerz-Zentrum mit Kino, Läden und Schliessfächern umgebaut worden.

*der Nullpunkt der offiziellen Bahnhofs-Längenmessung im Zürcher Hauptbahnhof. Von diesem Bezugspunkt aus werden alle Entfernungen innerhalb des Bahnhofs und seiner Anlagen berechnet.

Wichtigkeit des Bahnhofquais

Ein Jahr später übernahm er die Bauleitung für den Neubau der unterirdischen Zentralen Anlieferung «HB Zürich», die zwischen der Bahnhofshalle und der Limmat unter dem Bahnhofquai liegt. Nach seiner Anstellung beim Tiefbauamt im Jahr 2003 durfte er als junger Projektleiter in den Jahren 2003 und 2004 am Zürcher Hauptbahnhof eine umfassende Neugestaltung des Bahnhofplatzes begleiten und als Teilprojektleiter die Sanierung der Wartehallen, eine Teilsanierung des ShopVille sowie den Strassenbau leiten.

«Die Herausforderungen für das Bauen rund um den Bahnhof waren schon damals gross», erinnert er sich. Bauen unter Betrieb sei nämlich immer anspruchsvoll. Erst recht an Orten, die für so viele Verkehrsteilnehmende wichtig sind: «Zwei wichtige Fusswegverbindungen führen über den Bahnhofquai ins Hochschulquartier, ebenso liegen im Umkreis zahlreiche Arbeitsstellen der Kantonalen Verwaltung.» Ein Knotenpunkt sei der Bahnhofquai auch für den Autoverkehr: «Der wichtigste Autobahnanschluss für die Innenstadt ist jener beim Milchbuck, der morgens viel Einfahrts- und abends viel Ausfahrtsverkehr mit sich bringt», erklärt der gelernte Bauingenieur. Auch all die Velos, die rund um den Bahnhof parkiert sind, markieren den Hauptbahnhof als Hotspot. Und natürlich der ÖV!

Der erfahrene Projektleiter strahlt eine tiefe Gelassenheit aus, die deutlich macht, dass ihn keine Herausforderung so schnell aus der Ruhe bringt. Eine notwendige Eigenschaft in diesem Beruf und erst recht am Bahnhofquai, der auch düstere Zeiten durchmachte: In den 80er-Jahren, zur Zeit der offenen Drogenszene am Platzspitz, sei ebenso am Bahnhof mit Drogen gehandelt worden – quasi direkt vor der Haustüre, erzählt Meier: «Man hat versucht, die Szene zu verdrängen, aber der Bahnhof blieb ein Hotspot. Selbst im 2003, als wir die Zentrale Anlieferung gebaut haben, hatten wir immer wieder Spritzen in der Baustelle. Das war auch für die Bauarbeiter gefährlich!»

Warum so lange?

Nun bricht eine neue Ära am Bahnhofquai an. Nachdem der Gleisbau diesen Sommer abgeschlossen wurde, startet am 14. Dezember mit dem Fahrplanwechsel die Sanierung und Erweiterung der denkmalgeschützten Wartehallen. Ein Jahr dauern die Arbeiten. Warum so lange für nur eine Haltestelle? «Wir bauen den Bahnhofquai hindernisfrei aus», beginnt Meier: Dafür seien hohe Haltekanten notwendig. Und diese wiederum müssten gerade sein, nicht gebogen wie heute. «In einer Kurve lassen sich die Abstände und Normen nicht einhalten, die für eine hohe Haltekante notwendig sind. Also müssen zwei gerade Strecken gebaut werden, das wiederum bringt mit sich, dass wir die Strasse verlegen müssen.» Dies sei nur ein Beispiel der umfangreichen Arbeiten, die mit der Sanierung und Erweiterung der Haltestelle einher gehen.

Für die Fahrgäste bringt das Umstände mit sich. Aber nicht nur: «Wir sind oft mit dem Unmut der Zürcherinnen und Zürcher konfrontiert, weil sie zum Zeitpunkt des Ärgers den zukünftigen Profit nicht sehen. Aber am Ende der Bauzeit bringt die neue Wartehalle eine Verbesserung der Lebensqualität!» argumentiert der 64-jährige versöhnlich. Diese bestehe nebst der Barrierefreiheit auch in einem zusätzlichen Witterungsschutz. Zudem werde neu angezeigt, wo welche Tramlinie hält, damit die wartenden Fahrgäste nicht – wie heute – hin und her rennen müssen, weil sie nicht wissen, ob das Fahrzeug in der Doppelhaltestelle vorne oder hinten stehen wird.

Welche Herausforderungen stellen sich punkto Denkmalschutz?

Diskussionsstoff gibt auch der Denkmalschutz der Tramhaltestelle Bahnhofquai. «Heute betrachtet man ein Objekt im Denkmalschutz ganzheitlich: In Bezug auf die Raumgestaltung, den Ausdruck der Materialien wie auch die Farb- und Formgebung», erklärt der Kultur- und Kunstkenner, der sich ehrenamtlich auch für die Denkmalpflege engagiert. Detailgenauigkeit sei gefragt: «Wenn bei der Verglasung eloxierte Stahlprofile verwendet wurden, können wir kein Alu einsetzen».

Ein weiteres Beispiel sind die Terazzosteinplatten, die unterhalb der Fenster verbaut sind. «In den 60er-Jahren hat man diesen Stein mit grauer Farbe überstrichen. Will man jetzt zum Urzustand von vor den 60er-Jahren zurückkehren? Das muss diskutiert werden», so der Gesamtprojektleiter. Ausserdem baue man heutzutage anders, mit anderen Materialien, nach neuen energetischen Gesichtspunkten, neuen Gesetzen und schärferen Normen. Da kommt es schnell einmal vor, dass technische und gestalterische Lösungen, die vor 50 Jahren im öffentlichen Raum möglich waren, heute so nicht mehr zulässig sind. So zum Beispiel die Verglasungen des neuen Haltestellen-Kiosk, welche heute aus Klimaschutz-Gründen zusätzlichen energetischen Anforderungen genügen müssen. Diese unterschiedlichen Ansprüche an Wirtschaftlichkeit oder Gestaltung müssen fair und ausgewogen ausgefochten werden.»

Diese unscheinbare Wand verbirgt unter ihrer Farbe den Terazzostein. (Bild: VBZ)

Der Bauingenieur sieht seine Aufgabe pragmatisch: «Ich setze die Haltestelle so um, wie sie bestellt wurde, bringe sie in eine haptisch erfahrbare Form und übergebe sie.» Zudem bestehe seine Grundaufgabe darin, das Projekt ohne Nebenerscheinungen umzusetzen. «Unfälle beispielsweise. Die kann es geben, aber ich bin sehr froh, dass ich noch nie einen schweren oder gar tödlichen Unfall auf einer Baustelle hatte», meint er froh. Und wie blickt er in die Zukunft? «Die Vision des Bahnhofplatzes sieht vor, dass er offener wird, dem Klimaschutz Rechnung trägt» räumt er ein. De facto sei aber jeder Quadratmeter ausgenutzt. Wo man einen Baum pflanze, müsse etwas anderes weichen. «Jede Veränderung hat ihren Preis, nicht nur im monetären Sinn, sondern auch so, dass man gewisse Annehmlichkeiten vielleicht aufgeben muss. Auch Umwelt und ebenso Ärger und Stau haben ihren Preis. Am Ende ist alles einer steten Veränderung unterworfen, ob wir wollen oder nicht. Wir müssen anpassungsfähig sein, dies bleiben oder allenfalls noch lernen», sinniert Meier.

Anpassungsfähig und flexibel bleibt er auch punkto seiner bevorstehenden Pensionierung im Januar 2026. «Wie lange und wie intensiv ich weiter aktiv im Berufsleben bleibe, habe ich noch nicht entschieden». Doch ein Gedanke gefällt ihm: «Ich habe meine Arbeit als Projektleiter seinerzeit mit dem Bahnhofquai begonnen, er hat mich in meinem Berufsleben immer wieder begleitet. Mit dem laufenden Projekt Bahnhofquai schliesst sich nun langsam der Kreis meiner beruflichen Laufbahn.»

Der grosse Fahrplanwechsel

Zürich, am 14. Dezember findet der wohl grösste Fahrplanwechsel in der Geschichte der VBZ statt! Informieren Sie sich bereits jetzt über die Änderung in Ihrem Quartier, auf Ihrer Linie. Mitte November geht der aktualisierte Fahrplan online. Am besten nützen Sie ihn zur Vorbereitung Ihrer Fahrten ab Fahrplanwechsel.

Alle Infos zum Fahrplanwechsel vom 14. Dezember 2025

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