Mittendrin und doch (fast) unsichtbar

Die VBZ werden in der Öffentlichkeit stark über ihre blau-weissen Fahrzeuge und deren Fahrerinnen und Fahrer wahrgenommen. Von den 2400 Mitarbeitern lenken jedoch fast 1000 weder einen Bus noch ein Tram, sie sind im Stadtbild kaum wahrnehmbar. Und doch leisten auch sie wichtige Beiträge für das Funktionieren des öffentlichen Verkehrs. Einige dieser «unsichtbareb Talenten» sind nun Teil einer gleichnamigen Werbekampagne geworden. Ein Bericht über das Making-Of.

Im Quartier der Zürcher ETH ist die Temperatur an jenem Tag im vergangenen Winter zwar leicht über dem Gefrierpunkt, ein eisiger Wind macht daraus jedoch gefühlte minus 30 Grad. Die Passanten – mehrheitlich Studenten– gehen daher zügig ihres Weges. Mittendrin ein siebenköpfiges Team bestehend aus Malern, Projektleitern, Fotograf und Model. Einige Passanten bleiben verdutzt stehen und schauen zu, was dieses Team gerade ausheckt. Das Model, Thomas Eisenring – Projektleiter IT bei den VBZ, wird nämlich seit Stunden vom Zürcher Maler Pascal Thalmann bepinselt und zwar auf Kleidung, Haut und Haar. Wer genauer hinschaut erkennt, dass auf dem Model die Kulisse des historischen ETH-Gebäudes abgebildet wird. Dank dieser Ganzkörperbemalung verschmilzt Thomas mit der Stadtkulisse und wird nahezu unsichtbar. Auf kunstvolle Weise bringt das Shooting folgendes auf den Punkt: Viele VBZ-Mitarbeitende sind mittendrin, im Stadtbild aber kaum sichtbar.

Ein Mann verschwindet: Thomas Eisenring, IT-Projektleiter (Bild: Rico Rosenberger)

Nicht nur die Zürcher Bevölkerung sieht im Alltag hauptsächlich Fahrerinnen und Fahrer. Auch in den Augen vieler Stellensuchenden werden die VBZ als grosses Verkehrsunternehmen hauptsächlich mit Jobs in den Bussen und den Tramcockpits in Verbindung gebracht. Dass bei den VBZ Ingenieure, Automatiker oder Juristen tätig sind, ist weniger bekannt. Die Personalkampagne soll diese Denkweise ändern: Weniger sichtbare Mitarbeitende und ihre Berufe werden in den Mittelpunkt gerückt.

IT-Crack statt Model

Thomas Eisenring ist weder Gelegenheitsmodel noch Performancekünstler. Er hat  seinen Arbeitsplatz üblicherweise im Hauptgebäude der VBZ in Altstetten. Dort kümmert er sich um elektronische Anzeigetafeln und das komplexe Leitsystem, welches die dafür nötigen Daten liefert. Oder um die Fundbürosoftware, um die Nachtzuschläge auf den Kontrollgeräten und viele andere technische Funktionen, die für die VBZ und ihre Fahrgäste unverzichtbar sind. Sein warmes Büro hat Thomas Eisenring beim frostigen Shooting bestimmt  hin und wieder vermisst, tapfer hat er aber durchgehalten. Der IT-Projektleiter fand das Shooting im Grossen und Ganzen einfach «cool» – in jedem Sinne des Wortes.

Inspiriert von einer chinesischen Kunstrichtung

Als Inspiration für die neue Personalwerbekampagne diente der Künstler Liu Bolin. Der Chinese fing im Jahr 2005 nach dem Abriss eines Pekinger Künstlerviertels an, sich in der Grossstadt durch Bemalung unsichtbar zu machen. Mit seiner Reihe «Hiding in the City» verschaffte er sich weltweit Anerkennung in Kunstkreisen. Diese Parallele überzeugte schliesslich: Mittendrin und doch kaum sichtbar – wie viele VBZ-Mitarbeitende.

Auch ohne Fahrleitungsmonteur Ramon Mächler würden unsere Fahrgäste in Zürich schnell einmal den Anschluss verpassen. Die Frohnatur aus der Zürcher Gemeinde Bonstetten fühlt sich in schwindelerregenden Höhen und zwischen Fahrleitungen, die mit bis zu 600 Volt geladen sind, wohl. Bei  Tag- wie auch bei Nachtdiensten sorgt er dafür, dass immer genug Strom durch die 526 km langen VBZ-Fahrleitungen fliesst. Er kümmert sich auch um Tram- und Trolleybusweichen und fährt gelegentlich gar mit Spezialfahrzeugen wie Turmwagen oder Gelenksteigern durch das urbane Zürich. Bei den VBZ ist Ramon Mächler seit 2006 tätig. Nach dem Konkurs seiner Lehrfirma wechselte er im zweiten Jahr seiner Ausbildung als Automatiker zum städtischen Verkehrsunternehmen. Seine Freizeit widmet er hauptsächlich seinem grossen Hobby, dem Fitnesstraining.

Aufgelöst im Stadtbild: Ramon Mächler, Fahrleitungsmonteur (Bild: Rico Rosenberger)

Das lange Stehen ging an die Nieren

Beim Shooting staunte Mächler, wie es der Künstler Pascal Thalmann schaffte, ihn mit wenigen Farben mit dem Hintergrund verschmelzen zu lassen. «Das war einfach nur geil», so der Fahrleitungsmonteur. «Die Bilder machen auf verblüffende Weise das Unsichtbare sichtbar – auch mich sieht man ja im richtigen Berufsleben nicht auf Anhieb».
Die Microsite unsichtbarevbztalente.ch zeigt die beruflichen und privaten Hintergründe der drei Botschafter bzw. der Botschafterin sowie die Making-Ofs der Shootings.

«Bolin ist einfach zu gut, um ihm das Wasser reichen zu können.»

Um in Anlehnung an Liu Bolins Werke kunstvolle Werbesujets zu produzieren, haben die VBZ den Zürcher Pascal Thalmann ins Boot geholt. Der 36-Jährige Künstler malte bisher in seinem eigens aufgebauten Atelier namens «Thalmanisch» diverse Kulissen für Theater, Fotoshootings und Filmproduktionen. Kulissen sind seine Spezialität – aber diese auch auf einen Menschen zu projizieren? «Das habe ich vorher noch nie so gemacht», sagt Thalmann. Der Auftrag habe ihm die VBZ näher gebracht, meint der Künstler. Denn er selbst fahre eigentlich nie mit dem öV. Liu Bolin konkurrieren will er allerdings nicht. «Bolin ist einfach zu gut, um ihm das Wasser reichen zu können.» Für ihn sei es sehr spannend gewesen, diese Art von Kunst auch mal auszuprobieren. Es sei eine wertvolle Erfahrung und er sei mit seinem ersten Versuch sehr zufrieden. «Alles in allem ist es doch eine runde Sache geworden, die sich durchaus sehen lassen kann.»

Ralph Signer, Bauingenieur (Bild: Rico Rosenberger)

 

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