Mit dem Bus durch die zentralamerikanischen Tropen

Es gibt nicht wenige Menschen, die sagen, Zürichs Herz schlage im Takt der VBZ. Das ist ein schönes Kompliment – wie sehr die Qualität und Zuverlässigkeit des öffentlichen Verkehrs dieser Stadt geschätzt wird. Wie aber ist das in anderen Regionen dieser Welt? Sind Busse, Trams, S- oder U-Bahnen dort ähnlich pünktlich und komfortabel wie bei uns? In einer losen Serie werden wir solche und ähnliche Fragen rund um den internationalen ÖV zu beantworten versuchen – durch persönliche Berichte von sogenannten «Sonderkorrespondenten». Heute erzählt uns Céline Reichmuth von ihrer eineinhalbmonatigen Reise durch Costa Rica und Panama. Dabei lässt sie uns wissen, was es mit Leguanen, Schlaglöcher und rasenden Omis auf den Strassen auf sich hat.

Es zog mich in die Tropen Zentralamerikas, genauer gesagt nach Costa Rica und Panama, die Länder mit einer beeindruckenden Artenvielfalt, atemberaubenden Landschaften und Ozeanen auf beiden Seiten. Auch trotz eingängiger Warnung, dass diese zentralamerikanischen Länder ÖV-technisch keine Traumdestinationen seien.

Der wohl schönste und auffallendste Bus meiner Reise.

Das Hauptfortbewegungsmittel für Reisende in Costa Rica und Panama sind, abgesehen von den teuren Mietautos und Shuttles, zweifellos öffentliche Reisebusse. Die Reisebusse, so würde meine Generation sagen, sind «voll okay» und im Vergleich zu den nicaraguanischen «Chicken Buses» beinahe Luxus, denn Bein- und Bewegungsfreiheit sind gewährleistet.
Auch preislich gesehen ist das Reisen mit dem ÖV für die Geldbörse ziemlich angenehm. Obwohl die Preise sonst – hochgetrieben durch den Tourismus – beinahe Schweizer Standard erreichen, sind Bustickets für wenige Colones bzw. Dollars erhältlich.


Als wäre es eine abgemachte Norm, fuhren beinahe alle Busse im Takt der Cumbia-Musik, welche die Fahrer hörten und zugleich Unterhaltungsprogramm für uns Reisende war. Die leisen Hintergrundtöne brachten so manche zum Einschlafen. Jedoch nicht im Ortsbus des panamaischen Städtchens Boquete, wo hinter der Führerstand-Wand ein immenser Bildschirm «klebte», auf dem eine Telenovela lief. Das innenarchitektonische Highlight war jedoch das Lichtspektakel an der Decke, welches einem den Eindruck vermittelte, sich am helllichten Tage in den Tiefen einer Disco zu befinden.


Die Warnung meiner Freunde hat sich entsprechend bewahrheitet, denn es zeigte sich schnell, dass die Busverbindungen in Costa Rica wirklich nicht das Gelbe vom Ei, ja noch nicht einmal das Weisse vom Ei sind. Grund dafür ist, dass Verspätungen und Nicht-Erscheinen der Busse an der Tagesordnung sind. Die Verspätungen dauern nicht etwa 30 Minuten, sondern können sich bis zu mehreren Stunden hinziehen. Die Ursachen dafür klingen wie eine schlecht ausgedachte Notlüge, sind aber bei der Qualität der Strassen durchaus plausibel: So kann es vorkommen, dass ein riesiges Schlagloch die Strasse blockiert und den Buschauffeur mit gezückter Schaufel kurzerhand in einen Strassenbauer verwandelt.

Die wahre Schwierigkeit des Reisens in Costa Rica und Panama liegt aber eigentlich an einem früheren Punkt: die Busverbindung bzw. die Station und Fahrzeiten überhaupt ausfindig zu machen. Im Internet sind diese Informationen, wenn überhaupt, nur spärlich vorhanden. Und falls sie vorhanden sind, gibt es keine Garantie, dass sie stimmen. Darum gilt der Grundsatz, dass die vertrauenswürdigste Quelle die «Locals» selbst sind. In die Karten spielt, dass die Menschen in Costa Rica und Panama Lebemenschen und sehr hilfsbereit sind.

Verinnerlichtes Pura Vida

Die Menschen in Costa Rica, liebevoll Ticas und Ticos genannt, leben nach dem optimistischen Lebensgefühl «Pura Vida», was soviel bedeutet wie: Geniesse das Leben. Mit diesem Motto lassen sich die Einheimischen durch nichts aus der Ruhe bringen – schon gar nicht durch verspätete Reisebusse.

An dieser Lebensweisheit führt auch als Touristin kein Weg vorbei, denn auf Reisen läuft nicht immer alles wie am Schnürchen und man lernt zwangsläufig, Pläne über den Haufen zu werfen und das Beste aus der Situation zu machen, eben genau nach «Pura Vida» zu leben. Obwohl sich Bettwanzen und die stressige Suche nach einer Unterkunft in dem überfüllten Boquete definitiv nicht nach «Pura Vida» anfühlten.

Das Raser-Omi

Die Möglichkeit der Spontanität, Tag für Tag zu nehmen, machte meiner Reisebegleitung und mir in Boquete einen Strich durch die Rechnung. Die spontane Entscheidung, länger im schönen Vulkan-Städtchen zu bleiben, erwies sich bei der Hostel-Suche als sehr schwierig. Nach stundenlanger Suche wurden wir dann an eine herzliche panamaische Grossmutter vermittelt. Sie verwöhnte uns nach Strich und Faden. So gab es nicht nur Pommes zum Frühstück, sondern auch gleich eine Touri-Tour mit ihrem Auto. Ich bin seeehr froh, dass unsere Abuelita Panameña nicht auf den Zürcher Strassen unterwegs ist, denn sie hält nicht viel von Stoppschildern und Ampeln. Bei ihrem Fahrstil gibt es keinen Rechtsvortritt, vielmehr wird nach dem «abualitanischen» Gesetz mit lautem Hupen auf die Strasse losgerast. Als Sahnehäubchen erklärte sie mit einem verschmitzten Lächeln: «Grossmütter dürfen das.»

Achtung Echse!

Eine andere Schreckenssekunde erlebte ich auf der Fahrt nach Uvita, als ich in der Pole-Position, das heisst in der ersten Bus-Reihe sitzend, einen riesigen Leguan vor uns auf der Strasse sah. Es war aber nicht der Leguan selbst, der die Panik hervorrief, vielmehr bereitete mir das Bild eines künftig überfahrenen Leguans grosse Angst. Der Busfahrer hingegen machte keine Anstalten abzubremsen. Je näher wir der Riesenechse kamen, desto klarer sah ich die Abdrücke der Autoreifen auf dessen Rücken vor meinem inneren Auge. Der sonnentankende Kaltblüter hatte aber Glück, denn in der letzten Millisekunde machte der Fahrer einen Schlenker nach rechts – das Bremspedal hingegen blieb unberührt.

Zu Fuss über die Grenze watscheln

Die Grenzüberquerung von Costa Rica nach Panama verlief anders als erwartet: Ich hatte eine Grenzüberfahrt von Puerto Viejo entlang der Karibikküste vor Augen. Eine Überfahrt war es aber keineswegs, denn wir Passagiere wurden an der costa-ricanischen Grenze abgeladen. Dort musste in einem «amtlichen» Handyhüllen-Geschäft die Ausreisegebühr erworben werden. Danach hatten wir grünes Licht, um mit Rucksäcken und Flip-Flops gerüstet, mehrere hundert Meter über «la Frontera» nach Panama zu watscheln. Auf der panamaischen Seite wartete bereits der Anschlussbus auf uns.

Wasserwege voller Überraschungen

Die Verkehrswege begrenzen sich nicht nur auf das Festland. Einfache Wassertaxis im kleineren Format sind auf den karibischen Inseln von Bocas del Toro die einzigen Vehikel, um von Insel zu Insel zu gelangen. Die beste 5-Sterne-Wassertaxifahrt war, als der Fahrer plötzlich den Motor abstellte und wir zwei Delfine entdeckten. Meine Lieblingstiere so nah und unerwartet zu sehen, war die Krönung meiner ganzen Reise.

Gänsehaut-Moment: Diese Fahrt mit dem Wassertaxi wird mir noch lange in Erinnerung bleiben.

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