«Meine Frau sagt, ‹chasch dänn grad alles mache›»

37 Jahre lang stand Urs Schönenberger, Gruppenleiter Betrieb Bus, im Dienst der VBZ. Per Ende Jahr geht er – mit einem lachenden und einem weinenden Auge – in Pension. Was ihm in seiner Laufbahn besonders viel gegeben hat und wofür er sich jetzt mehr Zeit nehmen will, hat er uns in einem Gespräch erzählt.

Ein oft gehörtes Rezept für ein glückliches Leben lautet, das zu schätzen, was man hat. Diese Wertschätzung hat Urs Schönenberger 37 Jahre lang für die VBZ arbeiten lassen. Wenn man so will, ist er mit den VBZ somit fast annähernd so lange «verheiratet» wie mit seiner Frau.

Entsprechend zufrieden blickt der Gruppenleiter im Betrieb Bus auf die vergangenen Jahre zurück, wenn er per Ende Jahr in Pension geht. Die Frage, was er vermissen wird, beantwortet er postwendend mit «die Menschen». In seinem Job trifft er stetig auf neue Gesichter: Alleine im laufenden Jahr führte Schönenberger 50 Vorstellungsgespräche. Und dann ist da natürlich sein Team, das ihm am Herzen liegt und für das er seinen Ruhestand mit dreimonatiger Verspätung antritt: Erst möchte er nämlich mit seinen Mitarbeitenden die Qualifikationsgespräche zu Ende führen, die jeweils per Jahresende anstehen. «Ich kenne meine Leute, weiss um ihre jeweilige Situation. Meine Nachfolge muss vor der Beurteilung erst einmal die Chance haben, sie während eines Jahres kennenzulernen.»

Der Umgang im Team ist unverkrampft, «man nimmt sich gerne auch mal gegenseitig hoch», erzählt der extravertierte Gruppenleiter. Als Chef von 59 Buschauffeurinnen und -chauffeuren sieht er sich vor allem als Vertrauensperson, als Förderer: Jemand, der für seine Leute da ist. Wenn’s sein muss, auch nachts, am Wochenende, etwa «wenn ein Fahrdienst-Mitarbeiter im Nachtbus nicht mehr sicher ist, welche Strecke er fahren muss», meint Schönenberger fröhlich und, mit einem Augenzwinkern: «Solange man mich nicht am Sonntagmorgen um 8 Uhr anruft, um mir mitzuteilen, dass man in einer Woche gerne frei hätte, ist mir das egal…»

Fliessende Grenzen zwischen Job und Privatleben

Einen 9-to-5-Job hatte Schönenberger noch nie:  «Bis vor kurzem bin ich noch mitgegangen, wenn eine neue Buslinie evaluiert wurde. So prüfen wir, ob die geplante Strecke auch aus Betriebssicht funktioniert. Vor der grossen Umstellung im Nachtnetz ist auf diese Weise manch ein Wochenende flöten gegangen, aber es hat sich gelohnt.» Ohnehin zieht der 65-jährige keine harten Grenzen zwischen seinem Job und dem Privatleben. «Ich hielt es nie für selbstverständlich, dass ich so einen Job machen durfte. Deswegen war es normal für mich, wenn nötig auch am Wochenende mal was zu erledigen.» So spricht jemand, dessen Job nicht nur dem Broterwerb dient, sondern Sinn stiftet.

Begonnen hat der ÖV-Experte seinerzeit im Fahrdienst: «Ich hatte sogar einige Jahre für Tourismus Zürich das goldene Sächsitram gefahren, ein Oldtimer, in dem eine Reiseführerin mitfuhr und etwas über die Stadt erzählte. Ich bin ja in Zürich-Altstetten aufgewachsen und dachte, ich kenne die Stadt. Und doch habe ich auf diesen Fahrten vieles gehört, was mich überrascht hat. Seither will ich auch in anderen Städten an solchen Führungen teilnehmen», erzählt er begeistert. Der Fahrdienst sei etwas, das ihm grosse Freude gemacht habe: «Als ich nicht mehr fahren konnte, hat mich das sehr geschmerzt. Es ist etwas, das ich wirklich vermisse.»  

Ein Vorsatz, den er sich für seinen Ruhestand gefasst hat, ist der, wieder öfter auf Reisen zu gehen. Nach Rügen, ans Meer – oder nach Berlin. Letztere sei seine heimliche Lieblingsstadt, verrät er. Das ist wiederum dem ÖV geschuldet, beziehungsweise den Kollegen, die er dort gefunden hat – jene der Berliner Verkehrsbetriebe nämlich. «Es begann vor zig Jahren mit einer Anfrage für eine Besichtigung, unter anderem der riesengrossen Betriebsleitstelle der U-Bahnen und Busse«, erinnert er sich, noch immer beeindruckt. Der Austausch habe sich inzwischen so eingespielt, dass Schönenberger immer wieder in die deutsche Hauptstadt reist: «Ich werde sogar zu Pensionierten-Verabschiedungen eingeladen und gehe dann gerne», freut er sich.

Das Wesentliche besteht darin, jemandem helfen zu können

Wenn man dem passionierten ÖV-ler zuhört, wird schnell klar, dass Loyalität einen seiner wesentlichen Charakterzüge ausmacht. «Es fällt mir schon schwer, mich zu trennen», sinniert Schönenberger über seine Lebensaufgabe. «Mir ist zwar klar, dass andere den Job ebenso gut machen können, aber ich arbeite einfach gern.» Auch deswegen wird er dem ÖV in Zukunft als Transport-Guide – zur Unterstützung und als Ansprechperson für die Fahrgäste bei grösseren Anlässen – erhalten bleiben. Er habe nämlich ein bisschen ein Helfer-Syndrom, gesteht er schmunzelnd, «ich finde es schön, wenn ich jemandem helfen kann».

Die soziale Grundhaltung ist bei Schönenberger deutlich spürbar. Ein Softie ist er trotzdem nicht.  Als Chef über zeitweise bis zu 100 Mitarbeitenden muss man sich auch durchsetzen oder unliebsame Entscheidungen treffen können. Schönenberger strahlt ein Selbstbewusstsein aus, das keinen Zweifel daran lässt, dass er mit allerlei schwierigen Situationen gut zurechtkommt. Auf die Frage, was er als Höhepunkt seiner langjährigen Arbeit sieht, antwortet er «das Care-Pikett». «Es klingt zwar komisch, wenn ich sage, dass ich mich auf diese fünf bis sechs Wochen im Jahr jeweils gefreut habe,» meint er etwas verlegen, «weil bei diesen Einsätzen zuvor immer etwas passiert ist, ein Unfall etwa. Das sind natürlich traurige Momente. Aber am Ende kann man jemanden unterstützen, dem es gerade nicht gut geht.» Und das liegt dem Gruppenleiter besonders gut: «Es berührt mich sehr, wenn eine schwierige Situation am Ende doch noch eine gute Wendung nimmt.» Die VBZ sind eben ganz oft auch ein bisschen sowas wie eine Familie.

Für seine richtige Familie wird der dreifache Vater und Ehemann ab Ende Jahr noch mehr Zeit haben. «Ich kann dann den Haushalt reorganisieren», kündigt er verschmitzt an. Man darf sich das keinesfalls vorstellen wie bei Loriots «Pappa ante portas»: Er habe bereits schon ein Kästchen umgeräumt, erzählt er lachend, «da hat meine Frau gesagt, ‹chasch dänn grad alles mache›». Neben seinen zwei Töchtern im Alter von 35 und 45 Jahren und dem 33-jährigen Sohn zählt neuerdings auch eine kleine Enkelin zum Familienkreis. Die erste Enkelin ist bereits 24 Jahre alt, sie muss natürlich nicht mehr gehütet werden: Den jungen Neuankömmling hingegen darf das Ehepaar Schönenberger einmal pro Woche in seine Obhut nehmen, sie bleibt dann auch über Nacht. Der Grossvater freut sich wie ein Schneekönig auf seine Rolle, für die er jetzt umso mehr Zeit hat. «Ich habe an sich einen guten Schlaf, aber wenn ich dann höre, dass sie in der Nacht aufwacht, weil sie etwas braucht, stehe ich auf jeden Fall auf», kündigt er mit Entschiedenheit an. Trotz diesem neuen Fokus wird er seine Verbindungen zur VBZ – nicht nur als Transport Guide – weiter pflegen: Die «Ehemaligen» treffen sich einmal im Monat bei einem gemeinsamen Essen. Zum Glück, denn die liebevollen Neckereien im Team würde ihm ansonsten mit Sicherheit fehlen.

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