Linie des Hippokrates und anderer Gelehrten

Die VBZ-Linien sind Zürichs Lebensadern. Schnurgerade oder mit Ecken und Kurven verlaufen sie kreuz und quer durch die ganze Stadt. Dabei hat jede dieser Linien ihren Charakter, der geprägt ist von den Fahrgästen und der Strecke. In einer losen Serie gehen wir ihren Persönlichkeiten auf den Grund. Diesmal: Die Tramlinie 9.

Was wäre Zürich ohne die Linie 9!? Zugegeben, jede der Zürcher Tram- und Buslinien trägt natürlich ihren eigenen, ganz wichtigen Anteil zu einem prosperierenden Stadtleben bei. Die Linie 9 aber deckt dabei Bereiche ab, die ins Innerste des gesellschaftlichen Kerns treffen, ja quasi das Fundament der Maslow’schen Bedürnispyramide bedienen. Es handelt sich dabei um die Bereiche Gesundheit, Bildung und Erholung.

Wie wir darauf kommen? Nun, wir hoffen natürlich, dass Sie sich heute und in Zukunft stets einer unerschütterlichen Gesundheit erfreuen. Im unwahrscheinlichen Ausnahmefall wären Sie und Ihre Familie inklusive Fido oder Tigerli allerdings entlang der Linie 9 bestens aufgehoben. Dann nämlich haben Sie im Notfall die Wahl, sich mit dem «Nüüni» entweder zum Triemli oder zum Unispital zu begeben, ebenso befinden sich das Kinder- und das Tierspital im Einzugsgebiet der Tramlinie.

Linie der Universitäten und Spitäler

Natürlich dürften sich auch angehende Mediziner*innen vom Wirkungsfeld des Neuners angezogen fühlen. Erst mal wohlig eingerichtet in einem gemütlichen Altbau-Appartment im stilvollen Kreis 6, bräuchten diese ihren Wohnort streng genommen gar nie zu ändern. Von Anbeginn an würde sie das Tram bequem zur Kanti fahren, später dann an die Uni  und schliesslich an den Arbeitsplatz. Etwas verwegen könnte man also behaupten, es handle sich beim Neuner um die Linie des Hippokrates, aber natürlich wäre das zu eng gefasst. Genausogut könnte man die Neun als Studentenlinie jedweder Fachrichtung begreifen, verbindet sie doch die Uni an der Rämistrasse und die ETH mit der Universität Irchel. Wer morgens einsteigt, wird bestätigen, dass das Publikum auf besagter Strecke entsprechend jung an Jahren ist.

Nebst all diesen zukünftigen und ausgebildeten Akademiker*innen füllt natürlich ebenso das Bankgewerbe den Innenraum des Trams mit betriebsamem Leben; schliesslich und endlich passiert das Tram den Paradeplatz und gleich darauf die Kantonalbank. Ob in Wiedikon auch heute noch der eine oder andere Schmied zusteigt, ist nicht gesichert – wir wollen vielleicht nicht zu doll von den Haltestellennamen auf die Berufe schliessen. Oder hat es Schmiede unter Ihnen?

Durchatmen auf der Linie 9

Sie sehen also, die Linie 9 bedient wichtige Lokalitäten. Das hat natürlich einen günstigen Einfluss auf die Nachfrage und zu gewissen Tageszeiten vielleicht eine weniger günstige Auswirkung auf die Anzahl freier Sitzplätze. Da mag sich der Eine oder die Andere fragen, worin denn da der Erholungsfaktor bestehen soll? Als Antwort werfen wir mal ein fröhliches «Seilbahn Rigiblick» in die Runde. Hoch auf dem Berg lässt es sich nicht nur frei durchatmen, man behält auch stets den Überblick. Die Kunstinteressierten sehen sich derweil im Kunsthaus satt (das ist übrigens das Kerngebiet der Linie 9, die anno 1911 auf der Strecke vom Bahnhof Enge via Bellevue und Kunsthaus bis zum Römerhof fuhr).

Wiesen, Bäche und jede Menge zu sehen…

Sowieso scheint die 9 eine ganz beschauliche Linie zu sein. Da wird nicht nur gen Rigi geblickt, es wird auch ins Land gelugt und beim Guggach geguggt.  Falls Ihnen das noch nicht erholsam genug ist, hat die Linie 9 trotz ihres urbanen Grundversorgungscharakters auch eine sehr ländliche Komponente. Da hätten wir das Heuried und ach, was haben wir Wiesen! Eine saftige Talwiese, die hehre Heerenwiese und – für Tierfreunde – eine Luchswiese. Wenn der Neuner im September über die Quaibrücke am Bauschänzli vorbeirattert, haben wir gar noch eine Wiesn mehr. Fröhlich plätschern der Haldenbach und der Hirzenbach bis ins hinterste Winkelried, ja, es plätschert gar ein Goldbrunnen. Damit nicht genug, offenbart das Naherholungsgebiet an der Neuner-Strecke dem Vernehmen nach einen Waldgarten.

Wie, Sie sagen, da seien gar keine Wiesen, Bäche oder andere Grünflächen auf der Strecke, lediglich eine Betonwüste empfange die Reisenden anstelle eines Waldgartens? Nun, dann steigen Sie mal aus der Unterführung hoch und folgen Sie der Hubenstrasse. Binnen sieben Minuten stehen Sie mitten im Wald. Alternativ steigen Sie einfach demnächst beim wunderschönen Irchelpark aus. Gute Erholung!

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