Unsere Trams und Busse verbinden die Plätze von Zürich – auch die verschiedenen Public-Viewing-Angebote. Die vbzonline-Redaktion hat sieben davon besucht.
Die WM ist in vollem Gange und Public Viewings gibt es fast so viele, wie sich Lokale über Zürich verteilen (oder auch Gärten mit Grill). Wir haben einige davon herausgepickt, reingeschnuppert und hier zu einem ersten Eindruck zusammengefasst: Sieben subjektive Momentaufnahmen eines lauschigen Fussballabends.
Zum Glatten Köbi: Isländisches Bier und chinesische Teigtaschen
Den «glatten Köbi» gibt es fast bei jedem fussballerischen Grossanlass seit 2002. Mittlerweile steht zwar nicht mehr die stets lächelnde Wiediker FCZ-Legende (und Namensgeber) Köbi Kuhn, sondern der streng blickende (aber nicht minder sympathische) Vladimir Petković an der Seitenlinie. Der «glatte Köbi» hat allerdings bereits den letzten Trainerwechsel der Schweizer Mannschaft ohne Namensänderung überstanden. An der Geroldstrasse 17 gibt es drinnen und draussen Bildschirme und Leinwände soweit das Auge reicht. Neben dem Bier im Offenausschrank, wird Bier aus fast allen teilnehmenden Ländern angeboten. Das isländische Bier scheint besonders beliebt zu sein, sogar wenn die Fussball-Wikinger gerade nicht im Einsatz stehen. In den Spielpausen laufen auf den Bildschirmen schön zusammengeschnittene Bilder vergangener grosser Fussballmomente; ein Highlight. In den kommenden Wochen sind ebenfalls einige Konzerte geplant. Das Publikum ist denn auch bunt gemischt: In der Pause diskutieren die Fussballnerds angeregt über das grosse Spiel von Maradona 1986, von dem eben Bilder zu sehen waren. Andere bestellen ein paar leckere chinesische Teigtaschen, welche vor Ort frisch gefaltet werden, oder schauen sich die Bilder der kleinen Street Art Ausstellung an – bis der Ball wieder rollt. Auch nach den Spielen wird in einigen Gruppen weiterhin ausgiebig das Spiel analysiert, während ein Teil der Gäste den Abend längst ohne Fussball (das sei möglich) an der Bar ausklingen lässt und den DJs anstatt den Fussballexperten lauscht.
Einer für alles: Buckhuser
Beim Buckhuser in Zürich-Altstetten hat man die Wahl zwischen einem gepflegten Abendessen mit ein bisschen Fussball oder ganz viel Fussball vor dem grossen Bildschirm (und der Verpflegung als Nebenschauplatz ). Quasi das argentinische Rinds-Entrecôte versus die Schweizer Bratwurst. Bei der Wurstvariante laden passende Campingstühle zum entspannten Verweilen ein. Jedenfalls für all jene, die zuerst kommen. Die später Dazustossenden nehmen auf dem Holzbank Platz. Beim Spiel Marokko gegen Iran kann man sich setzen, wohin man will. Der urbane, schattige Platz wird dominiert von der Stimme des Sportkommentators, was nicht nur dem geringen Besucherandrang an diesem Spiel (beim «Café Orient» weiter vorne geht es – zumindest während des besagten Spiels – schon etwas anders ab), sondern vor allem der einwandfreien Soundanlage geschuldet ist. Ein guter Ort für alle, die im Quartier wohnen oder arbeiten, um nach Feierabend noch in aller Ruhe ein Spiel zu verfolgen.
Viel Trubel im Bullingerhof
Einer der bestechenden Vorteile des Public Viewing im Bullingerhof besteht zweifelsfrei in der gleich nebenan gelegenen Wiese, auf die sich Fussballverächter zurückziehen können, während sich die sportbegeisterten Lieben dem Geschehen auf der Grossleinwand hingeben können. Ausserdem kann der geneigte Besucher auch gleich selbst grillieren. Manche Zuschauer bringen eine Pizza mit. Wir raten – aus diversen Gründen, die wir nicht im Detail ausführen möchten – zu einer dieser beiden Varianten. Getränke mitbringen nicht vergessen! Die Stimmung auf dem Platz ist prima, das Publikum jung und locker. Besonders angetan haben es uns die Sofas auf Paletten, die im Zuge des länger andauernden Kampfs am Verpflegungsstand allerdings leider bereits mit allerhand Kleidungsstücken fremdbesetzt wurden. Bis zum Anpfiff des Spiels ist der Platz rappelvoll, Ronaldo wälzt sich bereits auf dem Rasen, die spanischen Kids hinter uns kommentieren fachmännisch das Geschehen: Der Bullingerhof steht unter Spannung.
Openair WM-Flair: Die Schickeria
Wer die WM-Spiele eher in kleiner Runde als in grossen Public-Viewing-Tempeln erleben möchte, dem sei die Schickeria an der Langstrasse wärmstens empfohlen. Das sympathische Team um Dejan Müller gibt alles, dass es einem hier auch neben dem Spiel an nichts fehlt. Grosse Screens mit scharfem Bild, lauschiges Garten-Ambiente, tolle Getränke, ein Foodtruck für die Hungrigen und ein bunt gemischtes, fröhliches Publikum lassen auch die nicht so guten Matches zum Event werden. Jeder Gast ist Spieler, Schiri und Experte zugleich und so ist die Stimmung – auch in Minuten wo die Akteure auf dem Platz etwas durchhängen – stehts kommunikativ und feierlich. Man ist hier übrigens auch nicht lange allein, sollten einen seine Freunde mal hängen lassen… und ab der zweiten Halbzeit ist sowieso der gesamte Garten zu einer heiteren Fangruppe geworden. Man kann hier auch ganz bequem einen Platz vor dem Screen reservieren, wenns im Büro doch noch etwas länger dauern sollte: unter 078 729 95 45 wird einem geholfen. Ein weiteres Plus an der «Schicki» ist, dass man hier schon vor Ende des Spiels in der Pole Position für das Nachspiel entlang der Langstrasse steht oder sitzt. Also, hingehen und abgehen!
Rosi: Tête-à-tête mit Seitenblick
Wer eine Verschnaufpause von all diesen gut gefüllten Public Viewings braucht, die man am besten mit Kollegen und einem Bier in der Hand besucht, ist im Rosi gut beraten. Dort geht es vergleichsweise ruhig zu und her, es werden explizit Plätze mit oder ohne Fussball angeboten. Aber mal ehrlich: Auch unter den Rosenranken besteht die Möglichkeit, sich zum Fussballspiel hin- oder davon abzuwenden. Immerhin wird hier um das Geschehen auf dem Bildschirm kein grosses Geschrei gemacht. Statt dessen gibt’s herzhafte Schmankerl von der überwiegend bayrischen Speisekarte. Kurzum kann man sich hier bestens mit der oder dem Liebsten verabreden und dabei mit dezenten Seitenblicken trotzdem den Spielstand im Auge behalten.
Fast wie im Fussballstadion: Der Idaplatz
Wer gerne unter Leuten ist und ohnehin im Büro schon lange genug gesessen hat, begebe sich auf den Idaplatz. Dort möge er sich das WM-Spektakel wahlweise vor dem Le Calvados oder vor dem Kiosk zu Gemüte führen. So er denn etwas sieht. Die Grösse des Bildschirms korrespondiert nicht mit der Masse an Fussballbegeisterten vor Ort. Alternativ lassen sich auch gut Leute beobachten, und mit einer naiven Frage zum Spielstand entbrennt vielleicht sogar ein Gespräch. Ausser vielleicht in jener Minute, in denen schrille Pfiffe durch die Menge gehen, gefolgt von einer Grossaufnahme der ausdrucksvollen Mimik eines bekannten portugiesischen Spielers und anschliessendem Hurrah-Gebrüll (vermutlich die Gegner der Pfeifenden). Eine am Anlass Partizipierende flucht wegen ihres gewonnen geglaubten, aber de facto verlorenen Gewinnspiels. Spanische Schlachtrufe keimen auf. Anyway: Auch hier gilt, wegen des Grossandrangs, Tranksame am besten selbst mitzubringen – oder aber frühzeitig Platz zu nehmen.
Echte Stadionstimmung in der Maag Halle
Man darf sich die berechtigte Frage stellen, weshalb man beim schönsten Sommerwetter in einer überdachten Halle – und je nach Mannschaft – mit sehr eingeschränkten Platzverhältnissen (mehrheitlich Stehplätze) die WM verfolgen soll. Wo es doch, wie dieser Artikel zeigt, eine Auswahl an so vielen gemütlichen Beizen mit Sitzplätzen gibt. Sitzplätze sind offenbar für viele das entscheidende Kriterium für die Auswahl eines Public-Viewing-Standorts. Aber muss die WM tatsächlich gemütlich sein? Es geht doch vielmehr um das Hühnerhaut-Gefühl, wenn die Lieblingsmannschaft die Hymne singt, um die Nervosität vor dem Anpfiff, um die dröhnenden Jubelschreie, das Gehüpfe bei einem Tor (ja, das tut manchmal weh), die Buhrufe, das Schlangestehen beim Outdoor-Bratwurststand, und um die latente Angst, nur eine halb gute Sicht auf die Leinwand zu haben, wenn man nicht rechtzeitig in der Halle ist. Vieles davon geht selbstverständlich auch in der Variante «Gemütlich» – dennoch ist die geballte Fan-Stimmung in der Maag-Halle einmalig und auch akustisch ein grossartiges Erlebnis.