Eine digitale Agenda für Tram und Bus

Im Innovationstram rollen die Verbesserungen von morgen durch die Stadt. Unternehmensbereiche der VBZ wie die Technik oder Infrastruktur testen dort, wie sich potenziell neue Teile oder Systeme im Alltag bewähren. Der Test erfolgt in einem Cobra-Tram, das im normalen Linieneinsatz steht. Ein jedes Fahrzeug am richtigen Ort: Dank einer Antenne, die im Innotram auf Herz und Nieren geprüft wurde, können Tram und Bus auch im Depot exakt verortet werden. Daten, die bisher von Hand verarbeitet wurden, sind jetzt in einer neuen Software automatisiert. Pascal Schnyder, Meister Instandhaltung Tram, über einen Quantensprung in der Fahrzeug-Disposition.

Die Trams und Busse der VBZ haben ein bewegtes Leben. Will man ein Fahrzeug mit einem «Büezer» vergleichen, so stehen beide in aller Herrgottsfrühe bereit, um den täglichen Dienst anzutreten. So wie unser Protagonist vielleicht gelegentlich bei der Partnerin logiert, übernachtet auch das Fahrzeug nicht immer im gleichen Depot. Natürlich geht so ein Bus oder das Tram bisweilen in Reparatur, zur Wäsche oder es feiert eine Party, auf einer Extrafahrt nämlich. Gerade so, wie wir zum Zahnarzt oder in die Physiotherapie müssen. Wir erhalten im letzteren Fall eine SMS, die uns an unseren Termin erinnert. Das Fahrzeug muss entsprechend disponiert werden. Das macht – wie der Name schon sagt – der Instandhalter in seiner Rolle als Disponent. Und zwar bis anhin von Hand. Pascal Schnyder, Meister Instandhaltung Tram, ist – gemeinsam mit Projektleiterin Gwendoline Levasseur – Teil eines Teams, das die Disposition der Fahrzeuge ins digitale Zeitalter gehoben hat.

Waschen, besanden, reparieren: Fahrzeuge wollen gepflegt sein

Anhand von Wünschen nach Reparatur, Wartung und natürlich dem Bedarf an Fahrzeugen für die verschiedenen Linien entscheidet der Instandhalter, welches Fahrzeug wann wohin fährt.

Ohne Buschauffeurin und -chauffeur, Trampilot und -pilotin fährt freilich gar nichts. Auch das Fahrpersonal wird in der Disposition seinen Diensten zugeteilt. Es ist jeweils einem Depot beziehungsweise einer Garage zugeordnet und beendet seinen Dienst dort, wo es begonnen hat. Die Trams nicht unbedingt: Sie beenden ihren Dienst dort, wo sie erhalten, was sie brauchen. Es können nämlich nicht alle Depots dieselben Arbeiten ausführen. Nach einem Unfall beispielsweise kommt das Fahrzeug postwendend in ein Hauptdepot oder sogar in die Zentralwerkstatt. Kleinere Reparaturen, etwa an den Türen, können auch in den nachts betriebenen Depots durchgeführt werden.

Unsere Depots und Garagen

Tram
Hauptdepots: Oerlikon, Irchel, Kalkbreite. Diese sind tagsüber vollständig in Betrieb.
Depots: Abstellanlage Zentralwerkstatt  Altstetten, Depot Wollishofen, später auch Depot Hard: Abends sind Fahrzeuge und Personal vor Ort, tagsüber finden sich dort keine Fahrzeuge.

Bus
Garagen: Hardau, Hagenholz

Haben nun Fahrer und Fahrzeug nicht dasselbe Endziel, muss deshalb auf der Strecke ein Abtausch vorgenommen werden. Dieser ist im grafischen Fahrplan mit Ort und Zeit festgelegt.

Man kann sich vorstellen, wie aufwändig und komplex es ist, all das zu organisieren und den passenden Match zu finden. Noch bis vor kurzem kam der Instandhalter seiner kniffligen Aufgabe mittels einer Access-Datenbank nach. Dazu musste erst mal klar sein, wo sich das fragliche Fahrzeug überhaupt befindet. «Bei Unsicherheit meldete man sich bei der Leitstelle. Sie kann am Rechner angemeldete Fahrzeuge orten – allerdings nur jene, die im Netz unterwegs sind», erklärt Schnyder, denn: «ausgeschaltete oder nicht angemeldete Fahrzeuge im Depot lassen sich nicht orten. Man musste deshalb in die Depots telefonieren und nachfragen.» Aber damit nicht genug: «Viele Interessengruppen möchten wissen, wo die Fahrzeuge sind. Die Datenbank wurde dadurch allmählich auch sehr langsam» verrät der gelernte Elektromechaniker. Zeit also für eine moderne Lösung!

Disposition 2.0: Getestet im InnoTram und im Parallelbetrieb

Heute sind 95% aller Trams mit einer sogenannten BMS-Antenne ausgerüstet. Der Einbau wurde im Innovationstram der VBZ ausgiebig getestet. Auch Busse sind sozusagen bereits alle ausgerüstet  «Dank dieser Antenne kann jedes Fahrzeug, ob ausserhalb oder innerhalb des Depots, genau geortet werden», meint Schnyder, «ja es könnte gar auf Google Maps nachverfolgt werden».

Davon ausgenommen sind Fahrzeuge, bei denen eine zusätzliche Anpassung notwendig wäre, etwa bei den Oldtimern oder Spezialfahrzeugen wie Cargo-Tram und Schneepflug.

Die Antennen auf den Fahrzeugen sind erst die halbe Miete. Eine Software namens BMS, eine ERP-Lösung, ermöglicht nun, alle vorhandenen Daten zu verarbeiten und so die Fahrzeuge zu disponieren.


Wenn nun das Fahrpersonal eine Störung meldet, wird diese durch die Leitstelle erfasst. Tagsüber beurteilt der Werkstattchef und abends der Instandhalter, was mit dem Fahrzeug bei Ankunft zu geschehen hat. «Die Hauptarbeit geschieht nachts», erklärt Schnyder. Ist beispielsweise eine Reparatur nötig, so wird eine Bestellung dem Fahrzeug zugewiesen. Jedes Fahrzeug besitzt eine eigene Akte, ja quasi einen «Lebenslauf». Dort ist ersichtlich, was das Fahrzeug braucht; eine Wäsche zum Beispiel, eine Besandung oder einen Einbau. Also wird dafür gesorgt, dass es am nächsten Tag ein Depot mit Werkstatt oder Waschanlage aufsucht. All das geschieht mehr oder weniger automatisch – ohne lange Telefonate.

Für Technik-Interessierte

Die Betriebshof-Antenne empfängt drei Signale:

1. GPS
Kann in den Depots und Garagen nur ungenügend empfangen werden (aufgrund vieler Metall- beziehungsweise Stahlkonstruktionen)

2. UWB (Ultra Wide Band)
Dieses Signal ist eine Kurzstrecken HF Technologie und dient einer sehr genauen Ortung als Beispiel innerhalb von Gebäuden.Die Antenne gibt kurze hochfrequente Impulse ab. Anhand dieser kann die Lage der Antenne über die fix montierten Anker sehr genau geortet werden.

3. ISM
Für Hersteller, um Konfigurationen und Softwareupdates vorzunehmen.

20 Minuten statt hundert Stunden

Die Bilanz ist überzeugend, und so konnte das Programm im Juli teilweise den Garagen übergeben werden. Schnyder resümiert zufrieden: «Jede Baustelle, jeder Anlass braucht einen eigenen Fahrplan. Roland Kaiser, der stellvertretende Depotchef in der Kalkbreite, arbeitet pro Jahr über 100 Fahrpläne aus. Pro Fahrplan dauerte das 45 Minuten bis zu einer Stunde – was der Grösse der Datenbank geschuldet ist. Bei den Bussen sind im Schnitt noch mehr Fahrpläne zu machen. In Zukunft können wir dem System sagen: ‹Mache mir alle Fahrpläne für 3 Wochen› und das Resultat steht in 20 Minuten.». Was eine grosse Zeitersparnis darstellt.

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