Auch vbzonline spielt die EM 2021 durch – allerdings nicht auf dem grünen Rasen, sondern auf Strassen und Schienen: Wir lassen nämlich den ÖV der insgesamt Austragungsorte gegeneinander antreten! Ein Jux? Ja, aber einer, bei dem einiges zu lernen ist. Das heutige (Beinahe-)Duell: Kopenhagen gegen Bilbao.
Wir ringen nach wie vor nach den richtigen Worten, liebe Besucherinnen und Besucher, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Alles war angerichtet und bereit für ein letztes vielversprechendes Kräftemessen an diesem Turnier – ein Turnier, das uns alle bislang so sehr zu begeistern vermochte mit interessanten Spielzügen, engen Entscheidungen und vor allem etlichen Überraschungen; nur zu gut erinnern wir uns noch an den erst wenige Tage zurückliegenden Coup von Budapest mit den regenbogenfarbenen Trams, was London so sehr düpierte, dass der klare Favorit beim Abpfiff letztlich froh sein musste, überhaupt noch ein Remis erreicht zu haben. Ein Turnier, man muss es mit so viel Pathos sagen, dass das oft als gespalten verschriene Europa als schier unerschütteliche Einheit präsentiert, verbunden durch grossartigen ÖV-Sport!
Ja, und auch für die heutige Partie waren die Erwartungen zu Recht riesig; die Fachkräfte in den europäischen Verkehrszentralen erwarteten allgemein ein Duell auf Augenhöhe, einen epischen Kampf zwischen der modernen, nordischen Lebensfreude von Kopenhagen und dem archaischen südeuropäischen Stolz von Bilbao.
Doch dann, so wurde uns Reportern und Medienschaffenden vor etwa einer halben Stunde von offizieller Seite berichtet, sei es in der Spiel-Vorbesprechung der beiden Trainer mit dem Schiedsrichter zu Differenzen gekommen, die offenbar derart unüberbrückbar gewesen seien, dass die Begegnung habe abgesagt werden müssen! Ein noch nie dagewesenes Vorkommnis in der langen und mit viel Tradition behafteten Geschichte der ÖV-Euro. Wir alle sind noch ganz konfus und versuchen, das Geschehene und vor allem seine möglichen Konsequenzen einzuordnen – und dabei geht es nicht nur um ein bestimmt schwer enttäuschtes Publikum, es geht auch um die gerade noch in den blauen Himmel gelobte Zukunft der europäischen Einheit!
Alles wegen der fahrerlosen Metro
Was bis zum jetzigen Zeitpunkt bekannt ist, sei hier rasch berichtet. Der Zwist begann offenbar damit, dass Bilbao-Coach Luis Otoxa – nomen est omen, sein Name heisst übersetzt Wolf – in ziemlich bissiger Manier seinem dänischen Kontrahenten Jesper Jörgensen zu verstehen gegeben hat, dass es sein Team nicht akzeptiere, wenn die Metro-Züge von Kopenhagen wie geplant fahrer- und entsprechend führungslos unterwegs seien; das Risiko sei für seine Akteure viel zu gross. Jörgensen versuchte ihm darauf zu erklären, dass er darauf keinen Einfluss habe, die Züge würden von einer zentralen Steueranlage betrieben, das sei systembedingt und seit jeher so.
An dieser Stelle griff der erfahrene deutsche Unparteiische Jürgen Holzapfel ins Gespräch ein und sagte, er habe das selbstverständlich vorher abgeklärt, noch nie sei es auf den vier Metrolinien oder an den 37 Stationen zu grösseren Zwischenfällen gekommen, die Sache sei sicher.
Doch Otoxa war schon derart in Rage, dass er sich nun höhnisch ereiferte, ob Kopenhagen in Ermangelung eines Tramverkehrs allenfalls mit den Fähren gegen seine Strassenbahn antreten wolle. Holzapfel ermahnte darauf den baskischen Trainer zu einem angemessenen Ton, doch nun platzte auch dem sonst ruhigen und bedachten Jörgensen der Kragen. Er sagte angeblich wortwörtlich: «Sie nennen diese paar Verbindungen, die Sie zu bieten haben, tatsächlich Strassenbahn? Ich nenne es fahrenden Witz! Es ist ja nicht mal möglich, im Fahrzeuginnern die Tickets zu entwerten, dies muss man an den Stationen machen, wie damals, als die Trams noch mit Pferden durch die Strassen gezogen wurden!»
Gegenseitig beschimpfte Touristenattraktionen
Schiri Holzapfel wurde darauf laut und sagte, wenn nun nicht umgehend Schluss sei mit diesem niveaulosen Theater würde er, obwohl unüblich, fürs Spiel beide auf die Tribüne verbannen. Doch die Mahnung fruchtete nicht, im Gegenteil: Otoxa behauptete nun, Kopenhagen habe das Rot der S-Bahn von seinen «Bilbaobussen» abgekupfert, das sei ein Skandal, und dafür werde er die dänische Hauptstadt vor dem europäischen Gerichtshof in Den Haag verklagen. Jörgensen, der im damaligen Gremium sass, welches das S-Bahn-Rot bestimmt, war durch diese Behauptung dann so sehr gekränkt, dass er jegliche Contenance verlor, sprich das «Schlachtfeld» des öffentlichen Verkehrs verliess und Otoxa zurief: «Verglichen mit dem Guggenheim Museum von New York ist das Guggenheim Museum in Bilbao ein lauwarmer Furz!» Otoxa erwiderte in seinem besten Basken-Englisch: «Änd se Tivoli of Copenhagen is a wöörs sän se embärrässing Disneyländ in Pärris!»
Gerade noch rechtzeitig bevor sich die beiden Streithähne an die Gurgel gingen, rief Jürgen Holzapfel die Sicherheitskräfte herbei und liess sie abführen, darauf ging er in die Kabinen und informierte die beiden Mannschaften über den Vorfall und dass er die Begegnung schweren Herzens absagen müsse.
Das der Stand der Dinge. Wir bedauern dies alles sehr, sollten wir bald mehr erfahren, werden wir uns wieder melden, vorerst aber zurück ins Studio.