Ein Gebiss und 48000 Schweizer Franken

Die Mitarbeitenden des Fundbüros der Stadt Zürich vermitteln nicht nur Alltagsgegenstände wie Taschen, Handschuhe und Schals, sondern erleben täglich unglaubliche Geschichten.

Autorin: Simone Grögli, VBZ

Pro Jahr werden ungefähr 32 000 Gegenstände im Fundbüro der Stadt Zürich aufgenommen, wovon  etwas mehr als die Hälfte wieder an den ursprünglichen Besitzer vermittelt werden kann. Dabei sind die häufigsten Fundsachen – wie nicht anders zu erwarten – gewöhnliche Alltagsgegenstände wie Handschuhe, Schals, Taschen und Bücher. Also alles Dinge, die nicht zwingend eine Berichterstattung benötigen. Im Gespräch mit der Leiterin des Fundbüros der Stadt Zürich, Daniela Baldauf, wird klar, dass sehr wohl auch lustige, tragische und skurrile Geschichten zu verloren gegangenen Gegenständen existieren.

Saisonale Fundgegenstände

Gerade in den Sommerferien ist Hochsaison für verloren gegangene Koffer. Die Leute nehmen den ÖV und fahren an den Flughafen. Und da passiert’s: Komplett ins Gespräch vertieft, vorfreudig auf die Ferien oder mit den Gedanken schon am Strand unter dem Sonnenschirm liegend, steigen sie aus dem Tram, Bus oder Zug – und der Koffer fährt alleine weiter. Sollte sich in einem solchen Fall der Reisepass im Koffer befinden, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Obwohl die Leitstelle der VBZ das Gepäckstück in der Regel innerhalb weniger Stunden aufspüren kann, war es schon für manch einen Passagier zu spät und das Flugzeug schon hoch über den Wolken, als er den zurückgelassenen Koffer wieder in seinem Besitz hatte.

Es ist auch bei weitem nicht so, dass jeder Gegenstand, der im Fundbüro landet, den Weg zurück zu seinem rechtmässigen Besitzer findet. So kommt es immer wieder einmal vor, dass skurrile Gegenstände, ohne die zugehörige Hintergrundgeschichte, in der Fundstelle verbleiben. Vor mehreren Jahren wurde zum Beispiel ein Gebiss gefunden und bis heute nie abgeholt. Hat sich der Besitzer vielleicht geschämt, seine «Zähne» verloren zu haben oder hat er gar nicht erst daran gedacht im Fundbüro nachzufragen, da ihm dies so abstrus schien? Wir werden es wohl nie erfahren. Ein anderes Beispiel war eine Sporttasche mit kompletter Hockey-Ausrüstung. Solche Dinge, die vergeblich auf ihren Besitzer warten, werden nach der gesetzlichen Aufbewahrungszeit (Fund auf öffentlichem Grund: 1 Jahr, Fund auf VBZ-Gebiet: 3 Monate) versteigert (siehe Infobox).

Noch mehr Fragen warf eine Geschichte aus dem Jahre 1991 auf, als dem Fundbüro ohne Kommentar und Absender 48 000 Schweizer Franken in bar, verpackt in einem Päckchen, zugeschickt wurden. Als auch nach mehreren Monaten noch niemand seine Besitzansprüche auf die hohe Summe geltend gemacht hatte, wurde beschlossen, das Geld für wohltätige Zwecke einzusetzen.

Eine Tasche mit kompletter Hockey-Ausrüstung. (Bild: Simone Grögli)

Das «Highlight» im Fundbüro-Alltag

Doch das «Highlight» im Fundbüro-Alltag ist letztlich nicht die Beschäftigung mit exotischen oder schrägen Gegenständen, sondern jener Moment, in dem ein Gegenstand wieder seinem Besitzer übergeben werden kann. Daniela Baldauf kann sich noch gut an jene Geschichte erinnern, als im Fundbüro eine Uhr des renommierten Schweizer Herstellers IWC abgegeben wurde (es scheint sie doch noch zu geben, die ehrlichen Menschen!!). Nur kurze Zeit später rief dann auch schon die Besitzerin an und erkundigte sich nach dem Verbleib des kostbaren Chronometers. Selbstverständlich folgt in solchen Fällen eine exakte Besitzabklärung durch das Fundbüro. Da die Uhr anhand der Seriennummer eindeutig bestimmt werden konnte, erhielt die Besitzerin sie schon bald zurück. Als Dankeschön erhielt der ehrliche Finder einen Finderlohn von mehreren Hundert Franken.

Zum Schmunzeln bringt die folgende Geschichte: Vor etwa sieben Jahren kam eine Mutter immer wieder mit ihrer Tochter im Fundbüro vorbei, um jedes Mal denselben Schülerthek abzuholen. Das ganze Spielchen erstreckte sich über mehrere Wochen, bis der Mutter klar wurde, dass das Mädchen ihren Schülerthek wohl absichtlich «verlor», um sich vor den Hausaufgaben zu drücken – ganz schön gewitzt diese junge Dame.

Das Fundbüro wird zum Tierheim

Dass die Mitarbeitenden des Fundbüros nicht nur verloren gegangene Gegenstände vermitteln, sondern auch mal zu Tierpflegern werden, ist für sie nichts Ungewöhnliches. Schon öfters mussten sie sich um Ratten, Mäuse, Meerschweinchen oder Hamster kümmern, die als Fundgegenstand abgegeben wurden. Für die Tiere werden grosse Plastikboxen mit Stroh, Heu, Futter und Wasser ausgestattet, um ihren Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Holen die Besitzer ihre Tiere nicht wieder ab, werden sie dem Tierspital übergeben. Auch staunte ein Mitarbeiter nicht schlecht, als er beim Inspizieren eines Fundgegenstandes Heuschrecken und Mehlwürmer in Plastiksäckchen vorfand. Dieses Lebendfutter wurde dann, da es nicht vermittelt werden konnte, in die Zoohandlung gegeben.

Fakten zum Fundbüro der Stadt Zürich

Das Fundbüro der Stadt Zürich befindet sich in der Nähe des Hauptbahnhofs (Werdmühlestrasse 10) und wird durch die VBZ betrieben. Auf einer Gesamtfläche von rund 340m2 werden die verloren gegangenen Gegenstände entgegengenommen, kontrolliert, mit einer Etikette versehen und versucht an den ursprünglichen Besitzer zu vermitteln. Seit November 2011 gibt es die Möglichkeit, den Verlust online auf www.easyfind-zh.ch zu melden. Bei einem Treffer wird der Besitzer schnell per Email informiert. Das Fundbüro führt mehrmals jährlich Auktionen durch, um nicht vermittelte Fundgegenstände zu versteigern. Massenartikel werden traditionell versteigert, Einzelartikel über Ricardo. Die nächsten Auktionen finden am 19. und 26. November 2015 im städtischen Gantlokal an der Bullingerstrasse 60, 8004 Zürich statt. Vielleicht findet sich da der eine oder andere interessante Gegenstand. Wer weiss!

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