Ein «digitaler Rufbus» für Altstetten und Albisrieden

Pikmi, Zürichs erstes «On Demand»-Angebot für den ÖV, zeigt neue Wege auf für den öffentlichen Verkehr. Die Kleinbusse mit drei Sitzplätzen stehen jeden Abend von 20:00 bis 24:00 Uhr zum regulären ÖV-Zonentarif im Einsatz. Im Betriebsgebiet in Zürich-Altstetten und -Albisrieden ermöglicht Pikmi neue Verbindungen sowie kurze Wege zum ÖV. Gebucht wird das neuartige Angebot über die Pikmi-App. Der «digitale Rufbus» fasst dabei Buchungsanfragen mit ähnlicher Fahrtrichtung zusammen, um die Pikmi-Fahrzeuge möglichst effizient einzusetzen.

Mit einem 18-monatigen Pilotprojekt testen die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) zusammen mit der Dienstabteilung Verkehr und dem Tiefbauamt der Stadt Zürich ab November 2020 erstmals ein nachfragegesteuertes ÖV-Angebot in der Stadt Zürich. Als Fahrzeugpartner für Pikmi  konnte Mobility gewonnen werden. Die Pikmi-App stammt vom erfahrenen Technologieanbieter ViaVan. Das Betriebsgebiet  schliesst neben den Züricher Quartieren Altstetten und Albisrieden ebenfalls die Verkehrsknoten Triemli und Hardplatz ein.

App für Android oder iPhone herunterladen: www.pikmi.ch

Haltestelle, gleich um die Ecke

Der Name Pikmi leitet sich ab vom Englischen «pick me (up)» und signalisiert, dass mit dem neuen Angebot die ÖV-Haltestelle näher zum den Kunden rückt. Zusätzlich zu den bestehenden Haltestellen der VBZ im Betriebsgebiet, wurden etwa 150 weitere Haltepunkte für die Pikmi-Fahrzeuge definiert. Diese sogenannten «virtuellen Haltestellen» kommen mehrheitlich ohne zusätzliche Infrastruktur oder Markierungen aus. Ihr Standort wird in der Pikmi-App genau beschrieben, ausserdem ist die Adresse erfasst. «Dank diesem dichten Netz von Haltepunkten liegt die nächste Haltestelle von Pikmi für unsere Kundinnen und Kunden direkt um die Ecke», sagt VBZ-Direktor Guido Schoch. «Unseren Fahrgästen können wir mit diesem innovativen Angebot darum sehr kurze Wege beim Zugang zum ÖV bieten.»

Neue Wege durch das Quartier

Im Unterschied zum regulären ÖV mit Linienbetrieb verkehrt Pikmi nicht auf vordefinierten Routen oder nach einem fixen Fahrplan. Eine Fahrt mit Pikmi muss vorgängig über die Pikmi-App oder alternativ telefonisch über den Kundendienst gebucht werden. Die flexiblen Routen ermöglichen ganz neue Wege im Betriebsgebiet: Strecken, bei denen der Anfang und das Ende im Betriebsgebiet liegen, lassen sich mit Pikmi zurücklegen. Und sollte der Startpunkt oder Zielort ausserhalb des Betriebsgebiet liegen, kann Pikmi als Anschluss von oder Verbindung zu den ÖV-Linien genutzt werden. «Bewohner der Siedlung Hardau können mit Pikmi beispielsweise von der Sportanlage Buchlern nach Hause fahren oder Bewohner des Freilager-Areals können mit Pikmi den Zug am Bahnhof Altstetten erwischen», sagt VBZ-Projektleiter Silvan Weber. Als Beispiel nennt er auch das Stadtspital Triemli: «Die regulären Busse der Linie 80 binden das Spital nur bis 21 Uhr direkt an die Quartiere Altstetten und Albisrieden an. Mit Pikmi verbessert sich das ÖV-Angebot in den Randzeiten, in diesem Fall könnten Angestellte des Spitals davon profitieren.»

Pikmi Betriebsgebiet

ÖV auf Bestellung

Die Fahrt mit Pikmi wird über die App gebucht. Diese zeigt an, wann man bei der nächstgelegenen Haltestelle sein soll und wann man am Zielort eintrifft. Die Pikmi-Fahrzeuge verkehren nur wenn eine Buchungsanfrage besteht. Das System fasst Buchungsanfragen mit einer ähnlichen Fahrtrichtung zusammen. Bei jeder Fahrt besteht also die Möglichkeit, dass die Route leicht angepasst wird und zusätzliche Fahrgäste zusteigen. In diesem Falle verändern sich auch die Abfahrts- und Ankunftszeit um einige Minuten. Der Routing-Algorithmus berechnet in Echtzeit die ideale Streckenführung und passt sie entsprechend an.

Pikmi fasst verschiedene Fahrtwünsche in einer Fahrt zusammen.

«Es bestehen also grosse Unterschiede zum regulären ÖV mit fixen Linien und einem strikten Fahrplan, wo die Fahrzeuge unabhängig von der Nachfrage verkehren», erklärt Silvan Weber. «Pikmi funktioniert ganz anders: Zwar gibt es fixe Haltestellen, die einen flüssigeren Betrieb erlauben als ein Tür-zu-Tür-Service, aber ein Fahrplan oder fixe Linien existieren nicht. Für die VBZ-Kunden wird somit ein ganz anders gedachter ÖV angeboten.»

«Flexible geteilte Mobilitätslösungen wie Pikmi können den Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln erweitern und somit eine langfristige Alternative zum Individualverkehr schaffen», sagt ViaVan CEO Chris Snyder. «Der Algorithmus von ViaVan ermöglicht schnelle und effiziente geteilte Fahrten, die unnötige Umwege und lange Wartezeiten vermeiden und gleichzeitig Stau und Emissionen reduzieren. » Entscheidend für ein gutes Funktionieren des Pikmi-Angebotes ist das Bündeln der verschiedenen Fahrtwünsche mit ähnlicher Fahrtrichtung sowie die entsprechende Disposition der Fahrzeuge. ViaVans intelligenter Algorithmus navigiert die Fahrzeuge ohne festgelegte Linienwege, koordiniert die Fahrtbuchung und ermöglicht die dynamische Echtzeit-Bündelung der Fahrten. Die Fahrer-App zeigt den Fahrdienstmitarbeitenden der VBZ an, welche Strecke gefahren werden muss, damit die Buchungen effizient bedient werden können.

Unterwegs in den Abendstunden

Das Angebot von Pikmi ist auf die Randstunden, täglich von 20 bis 24 Uhr, begrenzt, weil in dieser Zeit das fahrplanmässige ÖV-Angebot reduziert ist. Bei der Feinverteilung im Quartier, der sogenannten «letzten Meile», resultieren wegen des weniger dichten Fahrplans längere Wartezeiten. Dank Pikmi entsteht nun in den Abendstunden ein attraktives Zusatzangebot. In den Stunden am Abend nimmt zudem der Verkehr auf den Strassen ab, sodass die Pikmi-Fahrzeuge schnell vorankommen.

Optimierte Fahrzeugauslastung dank Partnerschaft mit Mobility

Während die Kleinbusse tagsüber für Mobility im Einsatz stehen, fahren sie zwischen 20 Uhr und 24 Uhr für Pikmi. «Wir möchten unsere Carsharing-Fahrzeuge möglichst effizient einsetzen. Da die Buchungsfrequenzen vom Mobility in der Nacht tiefer sind, macht ein Mischbetrieb Sinn», erklärt Mobility-Geschäftsführer Roland Lötscher. Zudem sei On-Demand-Mobilität stark im Kommen: «Gerade jüngere Menschen möchten Mobilität auf Knopfdruck. Das Projekt erlaubt uns, auch in diesem Bereich dazuzulernen.» Nach Abschluss des 18 Monate dauernden Pilotprojektes werden die Mercedes-Benz-Vito-Fahrzeuge in die Flotte von Mobility integriert werden. Für die VBZ hat dies den Vorteil, dass für den Pilotbetrieb keine Fahrzeuge angeschafft werden müssen.

Erfahrungen sammeln für einen allfälligen zukünftigen Betrieb

Wegen der beschränkten Nutzung für die Dauer des Pilotbetriebes sind die Pikmi-Autos nicht ausgerüstet für den Transport von Menschen im Rollstuhl. Die VBZ arbeiten aus diesem Grund mit der Stiftung Behinderten-Transporte Zürich (BTZ) zusammen, um die Buchungsanfragen aller Kundinnen und Kunden bedienen zu können. Die Stiftung BTZ kann dank der Zusammenarbeit Erfahrungen mit der Buchung über digitale Plattformen sammeln und ein neuartiges Angebot testen, um die Mobilität auch zukünftig für alle nachhaltig und effizient zu gestalten.

Der Pilotbetrieb mit Pikmi soll aufzeigen, welche Anforderungen an die Infrastruktur und die Fahrzeuge bei einem allfälligen zukünftigen Betrieb eines solchen Services bestehen. Für seh- und gehbehinderte Fahrgäste werden verschiedene Massnahmen im Betrieb umgesetzt. So kann beispielsweise bei Bedarf der Beifahrersitz freigegeben werden und beim Einstieg kann das Fahrpersonal Unterstützung anbieten. Auch ist die App dank einer Vorlesefunktion für sehbehinderte Menschen nutzbar. Der Pilotbetrieb von Pikmi soll aufzeigen, welche Optimierungen zusätzlich notwendig werden.

Ebenso werden Erfahrungen gesammelt mit der telefonischen Buchung eines Angebotes, welches für die Buchung über eine App optimiert ist. Die Buchung über den Kundendienst erlaubt auch jenen Kundinnen und Kunden die Fahrt mit Pikmi, welche kein Smartphone besitzen beziehungsweise die Pikmi-App aus anderen Gründen nicht installieren können.

Bei der Auswertung der gesamten Erfahrung mit Pikmi arbeiten die VBZ mit dem Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich zusammen.

«On Demand Ride Pooling», nachfragegesteuerte Mobilität .

Die Chancen der Digitalisierung nutzen

Pikmi soll aufzeigen, inwiefern sich der öffentliche Verkehr mit neuen Ansätzen effizienter betreiben lässt, indem nur dann Fahrzeuge eingesetzt werden, wenn Nachfrage vorhanden ist. Ebenso wollen die VBZ mit diesem flexibleren Konzept auf veränderte Nutzungsgewohnheiten reagieren. «Die VBZ wollen herausfinden, ob sich mit diesem dynamischen System zusätzliche Kundinnen und Kunden gewinnen lassen», erklärt Stadtrat Michael Baumer, Vorsteher der Industriellen Betriebe der Start Zürich. Der Bedarfsverkehr im ÖV ist darum Teil der strategischen Themenschwerpunkte der Stadt und unterstützt die Erreichung der städtischen Mobilitätsziele. «Pikmi ist ein weiterer Schritt Zürichs hin zu einer Smart City», ergänzt Stadtrat Baumer.

Die Veränderungen im Zusammenhang mit COVID-19 haben gezeigt, dass der ÖV flexibel sein muss, um sich ändernden Nutzungsmustern anpassen zu können. «Neue Situationen machen es wichtig, frische Ideen und technische Entwicklungen in den ÖV zu integrieren», sagt VBZ-Direktor Guido Schoch dazu. Der Objektkredit für den Pilotbetrieb wurde im Juni 2018 vom Zürcher Gemeinderat bewilligt. «Damals dachte noch niemand an eine globale Pandemie», fügt er an. «Aber gerade in der aktuellen Situation ist es wichtig, dass der ÖV innovativ bleibt und neue Ansätze integriert werden.»

Schutzkonzept

Da die Pikmi-Fahrzeuge geteilt werden, gilt das nationale Schutzkonzept für den öffentlichen Verkehr unter COVID-19: In den Fahrzeugen gilt die Maskenpflicht. Das Fahrpersonal ist zudem vom Fahrgastraum abgetrennt. Die Anzahl Sitzplätze in den Fahrzeugen wird von fünf auf drei reduziert, sodass immer ein Abstand zwischen den Fahrgästen möglich ist.

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