Die Patina in Zürichs Stadtbild.
Wenn ich da vorne im Führerstand meine Runden drehe, so sehe ich, wie schnell und deutlich sich Zürich verändert. Manchmal habe ich sogar das Gefühl, dass in Zürich nur um des Bauens willen gebaut wird. Dass es also weniger darum geht, ein Bauwerk oder das Erscheinungsbild eines Stadtquartiers zu einem einheitlich und einladend wirkenden Abschluss zu bringen, als vielmehr die Leistungsfähigkeit der Schweizer Bautechnik unter Beweis zu stellen. In den bald zwölf Jahren, in denen ich inzwischen hier lebe, hat sich viel geändert, sehr viel, lediglich wenige Quartiere erscheinen noch so, wie ich sie einst kennen lernte.
Zürich verwandelt sich ständig
Von solchen Veränderungen bemerkt man nicht viel, wenn man nicht, so wie wir mehrmals am Tag, an einer Baustelle vorbei fährt und sich dieses Prozedere innerhalb einer Woche, eines Monats oder eines Jahres wiederholt. Viele Bewohner Zürichs bemerken den Abschluss eines Bauwerkes erst, wenn zum Beispiel der Schatten des neu errichteten Hochspeichersilos von «Swissmill» in der Nähe zur Limmat den Badespass für eine Stunde mindert.
«Ich bin schon unzählige Male an Brunnen, Skulpturen und Parkanlagen vorbei gefahren, ohne sie zu registrieren.»
Ich bin in solchen Dingen ziemlich «retro». Ich mag alte Gebäude, die die Zeit überstehen und die der Moderne trotzen, kein Opfer der grossen Maschinen werden und etwas über die Vergangenheit erzählen. Bei meinen Tramfahrten sehe ich immer wieder kleine «Dinge», die all die baulichen Veränderungen überstanden haben – und die sich fast schon zwischen den Häusern und Verwaltungsgebäuden zu verstecken scheinen – wohl, um nicht eines Tages doch noch der Stadtmodernisierung zum Opfer zu fallen. Ich bin schon unzählige Male an Brunnen, Skulpturen und Parkanlagen vorbei gefahren, ohne sie zu registrieren. Aber inzwischen entdeckte ich immer mehr von diesen Relikten aus Zürichs Vergangenheit, und wann immer ich Zeit dafür habe, schnappe ich mir meine Kamera, fahre gezielt zum Objekt meiner Begierde und fotografiere es.
Anheimelnde Neubauten
Zu den Objekten, die mir schon sehr früh ins Auge gefallen sind, gehört jene Skulptur, die Sie im Bild sehen können. Sie steht zwischen den Stationen «Hubertus» und «Siemens», in einer kleinen Parkanlage an der Ecke zur Kreuzung der Albisrieder- und der Rautistrasse. Sie zeigt ein Mädchen, welches einen Keks in der Hand hält. Vor ihm sitzt ein Hund, der auf den Keks blickt, die eine Pfote leicht erhoben. Das Mädchen hat die Hand gehoben, wahrscheinlich möchte es dem Hund so mitteilen, dass es den Keks nicht teilen will. Immer wieder habe ich mir vorgenommen, diese Skulptur abzulichten. Und kürzlich habe ich es nun endlich geschafft. Ich verband das mit dem Besuch einer Baustelle an der Ecke von der Badener- zur Flüelastrasse, wo zum gleichen Zeitpunkt ein Verwaltungsgebäude aus den 60er-Jahren von jenen grossen Maschinen abgerissen wurde. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird dort ein neuer Komplex entstehen, der in etwa so anheimelnd ist, wie jenes neue Hochsilo von «Swissmill» im Kreis 5, das sich seit kurzer Zeit über 118 Meter in den Himmel über Zürich streckt.
Es gehört zu einer Stadt, dass sie fortwährend ihr Erscheinungsbild verändert, sich entwickelt. Aber es gehört auch zu einer Stadt, die Dinge zu bewahren, die sie einst überhaupt erst zu einer Stadt gemacht haben, zu denen diese kleinen Brunnen und Skulpturen, an denen Sie und ich tagtäglich vorbei fahren, nun einmal auch gehören. Schauen Sie mal aus dem Fenster unserer Busse und Trams und versuchen Sie zu zählen, wie viele dieser Zeitzeugen in Zürich die Zeit überdauert haben – Sie werden staunen!