Alles spricht von Digitalisierung. Auch im «Zukunftsbild ÖV 2050» ist die Digitalisierung massgebender Faktor in einem der fünf Ansätze. Aber wozu muss der ÖV digitalisiert werden? Und wie? Was bedeutet das? Und wie geht es in Zukunft weiter? Ein Überblick über die Ziele und Herausforderungen dieses grossen Themas im Zürcher ÖV.
Die Digitalisierung ist ein grosser Bestandteil des Zukunftsbilds ÖV 2050. Bereits heute greifen Pilotprojekte wie Pikmi, ZüriMobil oder Yumuv die Möglichkeiten auf, welche die digitale Welt bietet. Wozu aber testen die VBZ solche Angebote überhaupt und was braucht es, damit diese Pilotprojekte reif für den Regelbetrieb sind? Beginnen wir ganz von vorn, beim Thema «Modal Split».
Der Modal Split
Die Stadt Zürich verfolgt das Ziel, das Mobilitätsbedürfnis möglichst mit dem öffentlichen Verkehr und dem Velo aufzufangen, während der motorisierte Individualverkehr (kurz MIV) an Bedeutung verlieren soll. So wollen wir dem Ziel einer 2000-Watt-Gesellschaft näherkommen und bis 2040 die Treibhausgasemissionen auf netto null reduzieren.
Die Verkehrsplaner nennen den Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel am gesamten Personenverkehr «Modal Split». Dieser Modal Split soll sich also zukünftig zugunsten von Langsamverkehr sowie ÖV entwickeln, der Anteil dieser Modalitätsformen an der Gesamtmobilität soll gesteigert werden.
In Zürich ist weiterhin ein Bevölkerungs- und Arbeitsplatzwachstum prognostiziert. Die damit einhergehende Mobilitätszunahme auf Stadtgebiet soll praktisch ausschliesslich mit ÖV und Velo sowie dem Fussverkehr abgewickelt werden. Bei stagnierendem MIV beeinflusst dies den Modal Split bereits in die angestrebte Richtung. Um den Modal Split noch stärker zu beeinflussen, sind allerdings zusätzliche Anstrengungen notwendig, um die erwünschten Mobilitätsformen attraktiver zu machen.
Wie lassen sich Lücken schliessen?
Neben den grossen Vorteilen wie Zuverlässigkeit und Effizienz hat der ÖV gegenüber dem motorisierten Individualverkehr gewisse Schwachstellen. Üblicherweise sind dies geografisch oder topografisch bedingte Erschliessungslücken sowie der ausgedünnte Fahrplan zu Randstunden bis hin zum Betriebsende nach Mitternacht. Wo hingegen eine grosse Nachfrage besteht, kann der ÖV das Mobilitätsbedürfnis bündeln und effizient bedienen.
«Wollen wir den öffentlichen Verkehr weiter stärken, muss bei der Feinerschliessung angesetzt werden.»
In Gebieten oder zu Zeiten mit geringer Nachfrage stösst der ÖV mit seinen fixen Linien und zeitlich beschränkten Fahrzeiten somit an seine Grenzen. In der Stadt Zürich mit dem dichten ÖV-Netz ist dies bei der Feinerschliessung der Fall, insbesondere zu Randzeiten. Gerade in den Abendstunden kommen oft beide Schwachstellen zum Tragen: längere Wartezeiten auf den ÖV und um dann noch ein Fussweg von der nächsten Haltestelle zum Ziel.
Wollen wir den öffentlichen Verkehr weiter stärken, muss also bei der Feinerschliessung angesetzt werden. Das Ziel sind kürzere Zugangswege und Wartezeiten sowie weniger Umstiege.
Wie genau die Feinerschliessung erfolgt, ist nicht abschliessend definiert. In ländlichen Gebieten kann beispielsweise auf Park&Ride-Angebote gesetzt werden, da Platz für Parkplätze zur Verfügung steht. In der Stadt Zürich gewährleisten diverse (Quartier-)Buslinien die Feinerschliessung. Diese Buslinien haben allerdings die erwähnten Nachteile: Wartezeiten oder gar eine Angebotslücke, gerade in den Randstunden, und zusätzliche Fusswege.
Die beschriebene Lücke bei der Feinerschliessung mit ergänzenden Verkehrsmitteln zu schliessen kann die Gesamtattraktivität des ÖV steigern. Das Ziel ist es also, den ÖV anzureichern, damit er attraktiv genug wird, um für alle Reisenden die bequemste Form der Mobilität zu bedeuten.
Multimodale Lösungen für die Feinerschliessung
Unter den verschiedenen Möglichkeiten, die Feinerschliessung zu verbessern, gilt es herauszufinden, welche Mobilitätsform sich in welcher Situation am besten eignet. Die VBZ führen deshalb Pilotprojekte durch, um zu erfahren, wie neue Lösungen funktionieren müssen, damit sie den Fahrgästen einen Mehrwert bieten.
Bei der Umsetzung von möglichen Lösungen geht es darum, wie verschiedene Verkehrsmittel miteinander verknüpft werden können und wie der Übergang zwischen den Verkehrsmitteln möglichst angenehm gestaltet werden kann. Es geht aber auch darum herauszufinden, welche neuen Mobilitätsangebote zur Lösung beitragen können.
ZüriMobil
Viele Angebote setzen dabei auf (neue) digitale Möglichkeiten: Echtzeitinformationen über den Standort, die Verfügbarkeit, Algorithmen zur effizienten Allokation von Fahrzeugen oder Routenführung sowie digitale Abrechnungssysteme. Teilweise gilt es aber, viel einfachere Problemstellungen zu lösen: Neue Mobilitätsangebote wie geteilte E-Trottinette, Velos oder Autos brauchen Platz und sollen gut miteinander, aber auch mit dem ÖV kombiniert werden können. Die ZüriMobil-Stationen der VBZ bieten hierzu eine Lösung, indem sie Platz für die geteilten Mobilitätsangebote bündeln. Sie bilden somit eine Art Prototyp für die im Zukunftsbild postulierten Mobilitätshubs. Auf der ZüriMobil-App werden diese Angebote übersichtlich dargestellt. Sie zeigt die unterschiedlichen Wege auf, um in Zürich ans Ziel zu kommen. Insbesondere ermöglicht sie, intermodale Reisen (also Reisen, bei denen verschiedene Verkehrsmittel kombiniert werden) aufzuzeigen.
Yumuv
Wenn Fahrgäste mit intermodalen Reisen an ihr Ziel gelangen und dabei verschiedene Verkehrsmittel benützen, müssen diese – bisher – häufig auch getrennt abgerechnet werden. Für die Kundinnen und Kunden ist dies etwas umständlich und kann den Wechsel zwischen den Angeboten weniger attraktiv machen. Um in diesem Bereich neue Lösungen voranzutreiben, engagieren sich die VBZ zusammen mit weiteren Verkehrsunternehmen im Pilotprojekt «yumuv». Es geht dabei um Mobilität im Abo und kann im Pilotprojekt zusammen mit einem bestehenden ÖV genutzt werden. Bezahlt wird monatlich, und die angeschlossenen Mobilitätsdienstleister (Voi, Tier, Bond, Mobility, Carvelo2Go) können gemäss dem gewählten Abo genutzt werden. So soll herausgefunden werden, welche Abos für Kundinnen und Kunden attraktiv sind.
Pikmi
Um die Feinerschliessung zu verbessern, testen die VBZ ebenfalls ganz neue Angebotsformen. Mit Pikmi wird eine Art digitaler Rufbus in einem Pilotprojekt getestet. Im Betriebsgebiet Altstetten und Albisrieden gibt es ein feinmaschiges Netz von virtuellen Haltepunkten, um kurze Zugangswege zu ermöglichen. Fixe Routen oder Fahrpläne entfallen: Pikmi fasst Fahrten mit ähnlicher Richtung zusammen (Pooling) und ermöglicht so einen effizienten Fahrzeugeinsatz. In den Abendstunden ermöglicht das On-Demand-Ridepooling-Angebot damit neue, direkte Wege im Betriebsgebiet und eine effiziente Feinverteilung von oder zu den Hauptachsen des ÖV.
Nächster Schritt: Optimieren
Die Vision für 2050 ist, die bestehenden Angebote zu optimieren, indem sie besser miteinander vernetzt werden. Digitalisierung ist dabei einer der Schlüssel. Insbesondere bei der Verknüpfung des ÖV-Linienverkehrs mit Angeboten zur Feinerschliessung bieten digitale Angebote eine Vielzahl von Möglichkeiten, welche die VBZ aktiv nutzen. Die immer besser nutzbaren Echtzeitdaten ermöglichen eine genauere Information der Fahrgäste und immer besser werdende Algorithmen können genauere alternative Vorschläge für Reisen machen.
Die Herausforderung besteht darin, auf den Hauptachsen effizient grosse Kapazitäten zu ermöglichen und gleichzeitig Reisen anzubieten, auf denen möglichst wenig, aber komfortabel umgestiegen werden kann. Erreicht werden soll dies mit einfach buch- und nutzbaren multimodalen Verbindungen, wie eben Pikmi, ZüriMobil und Yumuv. Im Zukunftsbild ÖV 2050 zeigt sich dieser Anspruch sowohl in den Mobilitätshubs, welche die Angebote räumlich näher zueinander rücken sollen sowie im Thema der Digitalisierung, die das Planen und Buchen vereinfachen soll.
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