«Die erste Tasche wurde vom Hund angeknurrt»

Tief im Glarnerland, im Sernftal, befindet sich eine Taschen-Manufaktur, die auf die gleiche Weise entstand, wie die Taschen und VBZ-Necessaires, die dort heute produziert werden: nämlich durch ehrliche Handarbeit. Über «Macher» Eugen Fauquex und sein durch und durch schweizerisches Lebenswerk.

Der Werbeslogan eines bekannten Sportartikelherstellers lautet: «Just do it». Tatsächlich leben aber nur wenige Menschen nach diesem Motto. Eine Ausnahme ist Eugen Fauquex, obschon ja sein gern zitierter Leitspruch in Wirklichkeit «Geht nicht, gibt’s nicht» lautet. Der in Bern und Zürich aufgewachsene Romand aus Basel ist so vielseitig wie sein Heimatort. Einer, der die Ärmel hochkrempelt und tut, wonach ihm der Sinn steht. Und so hat der einstige Kellermeister und Sommelier aus einer verwahrlosten Weberei von anno Tobak die einzige Schweizer Taschenfabrik aus dem Boden gestampft.

Seine Taschenfabrikanten-Karriere startete er nach bester Tellerwäscher-Manier wie die ganz Grossen der Computerbranche: in einer Garage. Wenn auch nicht in den Staaten, sondern im Zürcher Oberland. Das Erstlingswerk fertigte er für seinen Bruder an, der durch seine Arbeit in einer Lastwagenveredelungsfabrik günstig zu Blachen kam. Das war im 2004. Die Schöpfung verleitete nicht eben zur Annahme, er werde dermaleinst Inhaber einer 300’000 Taschen schweren (soviel produziert er nämlich pro Jahr) Manufaktur. Im Gegenteil. «Als ich meine erste Tasche vollendet und sie dem Hund gezeigt habe, hat der angefangen zu knurren; so hässlich war die, krumm und schief nämlich», lacht er.

Trotzdem war die Arbeit nicht für die Katz, denn von da an hatte ihn die Welt der Taschen im Sack: Er begann, Entwürfe zu zeichnen, Kartonschablonen anzufertigen und auf seiner 300-fränkigen Occasion-Nähmaschine ratternd alten Blachen einen neuen Sinn zu verleihen. Das Know-how dazu eignete sich der damals 40-jährige, der ursprünglich Archäologie und Ägyptologie studiert hatte, durch «learning by doing» an. Irgendwann begann daraus ein Business zu entstehen, das ihn nötigte, mehr und mehr Platz zu mieten. Bis er schliesslich im Glarus auf ein leerstehendes Fabrikgebäude stiess und nicht lange fackelte.

Geistige Umnachtung oder doch eine gute Intuition?

Ein von Wiesen und Bergluft genährtes Heimatgefühl, gewürzt mit einem wohligen Schuss Spukambiente, umgibt den Gebäudekomplex aus Stein und Holz, der – umringt von den Glarner Alpen – direkt am Rande des Dorfes Engi steht. «In einem Anflug geistiger Umnachtung und mit einer rosa Brille» habe Fauquex im 2011 einen Teil der seit 1847 existierenden Weberei gekauft, «eine Ruine», wie er sagt.

Die gebirgige Umgebung lieferte dem frisch gebackenen Eigentümer zunächst einen eher kühlen, wenn auch gleichwohl stürmischen Empfang. Kurz nach dem Erwerb brach eine Lawine durch das Gebäude. Ohnehin pfiff damals ein eher kühler Wind durch die Hallen. Fenster, Fassaden, das Schiefer-Dach – alles aus den Anfängen des vorletzten Jahrhunderts. Auch die Stromversorgung, mit grossen Keramikverschlüssen und baumwollumwickelten Aluminiumfäden, verlangte dringend nach einem Elektriker. Wozu hat man Freunde? Ein Nachbar, der sein Auto von Fauquex neu austapeziert haben wollte, versprach dem frischgebackenen Ruinenbesitzer, im Gegenzug am Wochenende mal kurz den Strom im «Fabrikli» zu erneuern. «Das Wochenende dauerte schlussendlich fünf Jahre», schmunzelt der Unternehmer. 200 neue Fenster, sanierte Fassaden, 57 Kilometer Kabel, Solarzellen auf dem Dach: Gemeinsam mit vier «Gspänli» packte er den Umbau an, ganz nach dem Prinzip «eine Hand wäscht die andere», so läuft das eben, im Glarus Süd – das schweisst auch zusammen.

Tausende Taschen, jede durch und durch «Swiss made» und Unikat

Unterdessen, 9 Jahre später, sind die Geburtswehen der neuen Wirkungsstätte ausgestanden. Das dumpfe Poltern aus dem Keller stammt denn auch nicht von einem Geist, sondern von der 40-Tonnen-Stanzmaschine aus den 80er-Jahren, welche das Innenleben für 280 verschiedene Modelle herstellt: Nicht nur einfach «Taschen», sondern Wickeltaschen, Trommeltaschen, Bowling-Bags, Weintaschen, kultige Einkaufswagen, ja sogar Blumentöpfe aus Blachen. Jedes einzelne Stück durch und durch schweizerisch, handgemacht und ein Unikat. «Upcycling» heisst das Thema. Die Stücke werden auch aus alten Schweizer Militär-Wolldecken, Pferdepauschen oder Schiffsegeln und sogar aus Karbon hergestellt. Oder aus Tram- und Bus-Sitzbezügen der Verkehrsbetriebe Zürich, wobei es sich bei diesem Erzeugnis ausnahmsweise nicht um eine Tasche, sondern um ein Necessaire handelt. Vom Faden über das Gurtmaterial, das Leder, ja sogar bis hin zu den Kordeln und dem Schaumstoff, alles «Swiss made», wie der Unternehmer betont. Auch produziert wird nicht etwa im Ausland; «das kommt überhaupt nicht in die Tüte», knurrt Fauquex. Und deshalb geniessen die Schneiderinnen den Ausblick aufs Mülihorn, einen Glarner Berggipfel, denn genäht wird in Engi. Konkreter gesagt, wird alles in Engi produziert. Und deshalb geht auch alles ein bisschen schneller vorwärts oder, wie es der Fabrikherr ausdrücken würde, «bis der Chinese ‹Salami› sagt, haben wir ihn längst gegessen».

Farbe aus Milch und Schrubben wie zu Grossmutters Zeiten

Entwerfen, stanzen, drucken, nähen: Was sich an Handwerk in dieser alten Fabrik alles vereint, ist für heutige Verhältnisse eigentlich unfassbar. Wie kann das noch zahlbar sein? «Das hat mit Enthusiasmus und Liebe zu tun», erklärt der Selfmademan. «Meine Stunden kann ich eh nicht rechnen. Würde ich das alles knallhart durchkalkulieren, müsste ich mich zweimal fragen…». Was immer möglich ist, macht der Taschendesigner selber. Auch die Montage der über hundert Solarpanels, die er mit Hilfe seiner Kollegen auf dem Dach installiert hat. «Die gesamte Produktion wird mit unserer Solaranlage betrieben – das reicht bei Tage und im Sommer noch für den Nachbarn. Nachts oder im Winter beziehen wir von ihm im Gegenzug Wasserkraft».

Upcycling, also die Wiederverwertung von Materialien, ist ja per se ressourcenschonend. Wo Leder zum Einsatz kommt, wird nur vegetativ gegerbte Ware verwendet – also solche, die mit natürlichen Mitteln und ohne den Einsatz von Chrom auskommt. Sogar die Druckfarbe passt bestens in die ländliche Umgebung: Sie besteht nämlich aus einem Milchnebenprodukt – Molke quasi, die man nicht mehr braucht. Die selbst gemischte Farbe hat der kreative Erfindergeist Fauquex kurzerhand in Tupperware-Boxen an die Druckmaschine angeschlossen. Das ist nicht nur ziemlich hemdsärmlig, sondern vor allem ökologisch – die Farbe ist benzolfrei. Also ebenso ungiftig wie der Aluminiumreiniger, mit dem die Ware wie zu Grossmutters Zeiten in der Badewanne geschrubbt wird. Die «grüne Produktion» ist freilich nicht der einzige Aspekt, mit dem der «Do-it-yourself»-Man den richtigen Riecher bewiesen hat. Lokal, handgemacht und nachhaltig: Genau mit diesem altertümlich anmutenden Konzept trifft Fauquex den aktuellen Zeitgeist.

Necessaires aus Tram- und Bus-Sitzbezügen

Wegwerfen ist out. Wozu auch, wenn sich aus dem Material so coole Produkte machen lassen, wie die in der Schweiz handgenähten, robusten Necessaires der VBZ Lifestyle-Linie. Die nachhaltigen Reisebegleiter aus Cobra-, Tram 2000- und Bus-Sitzbezügen verfügen über vier Innenfächer und ein Aussenfach sowie einen abnehmbaren Spiegel. Genug Platz also für alle denkbaren Damen- oder Herren-Hygieneartikel.  Sichern Sie sich jetzt eines der raren Unikate im Online-Shop oder in den ZVV-Contact-Kundencentern.

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