«Die Akzeptanz ist zum grossen Teil vorhanden»

Mit «Pink Line» haben die VBZ einen internen Verein gegründet, der sich für Anliegen und Projekte von bi- und homosexuellen Mitarbeitenden einsetzt. Mit dabei ist auch Peider Filli, der 2002 als schräger Trampilot für einen Sitz im Zürcher Stadtrat kandidierte.

Gastautor: Thomas Wyss, freier Journalist

Als Treffpunkt schlägt Peider Filli im Mail «mein Wohnzimmer» vor, und präzisiert dann in Klammern, er meine natürlich das Café Lang am Limmatplatz. Hier verbringt der gelernte Koch und Kellner, der 1958 im Engadiner Dorf Celerina geboren wurde, aber seit bald 40 Jahren in Zürich haust und seit 1991 bei den VBZ tätig ist, die arbeitsfreien Tage – Zeitungen lesend, Kaffee trinkend, rauchend, die Leute beobachtend. «Das war schon so, als das Lokal noch El Greco hiess, und das wird wohl bis ans Ende meiner Tage so bleiben», sagt Filli und lacht. «Denn hier fühle ich mich wohl, hier erlebe ich Zürich, wie es mir gefällt: Grossstädtisch, laut, weltoffen und ungeschminkt.»

Für ebendieses Zürich hat sich Filli, der sich im Gespräch auch als «Facebook-Aktivist, Hobbyfotograf und Schamanismus-Lehrer mit einem Lehrauftrag in Berlin» outet, lange Jahre auch politisch engagiert; bis ins Jahr 2002 bei der Alternativen Liste, danach bei den Grünen, zuerst als Gemeinde- und später als Kantonsrat. Zudem war er als Gewerkschafter aktiv, im Sektionsvorstand der VPOD vertrat er die Anliegen der VBZ-Mitarbeitenden.

Seit den letzten Wahlen sei er aber «ratlos», bemerkt Filli und lacht spitzbübisch – er will damit sagen, dass ein Parteikollege den aktiveren Wahlkampf betrieben und ihn auf der Liste überholt hat. Obwohl er das Mandat im Parlament verlor, ist er den städtischen Grünen als Co-Präsident der Kreissektion 7 + 8 treu geblieben.

Die Kandidatur war kein PR-Gag

Der Stadtpolitik verdankt der lockere Bündner auch seine überregionale Bekanntheit: Im Jahr 2002 kandidierte er nämlich als Kandidat für den Stadtrat und zusätzlich fürs Stadtpräsidium – und sass darum plötzlich mit zebra-mässig gefärbtem Spitzbart auf Wahlkampfpodien mit dem profilierten SP-Schwergewicht Elmar Ledergerber (der die «Stapi»-Wahl dann auch gewann). Die «NZZ» beschrieb den Trampiloten damals mit den Worten, er sei «eher ein Stadtoriginal als ein Stadtrat oder gar Stadtpräsident», und die Kandidatur «des sehr linken und sehr netten Filli» wurde als «PR-Gag» seiner Partei eingestuft.

Ganz so weit würde er nicht gehen, sagt Filli nun beim Kaffee, auch wenn ihm mehr oder weniger klar gewesen sei, dass es nicht reichen würde. Doch er habe wichtige Anliegen aufs grosse Tapet bringen können, beispielsweise den dringend nötigen städtischen Wohnungsbau für sozial Schwächergestellte, und auch der Akzeptanz der lokalen LGBT-Bewegung – die englische Abkürzung steht für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender –  habe die damalige Kandidatur sicher eher genützt als geschadet.

Damals hiess es zwar noch simpler (und politisch ein wenig unkorrekter) «Zürcher Lesben- und Schwulen-Bewegung», doch das ist sekundär. Viel wichtiger: Peider Filli, der schräge «Trämler», der um seine Homosexualität niemals einen Hehl machte, war vorab medial eines ihrer populärsten Mitglieder. Auch wegen dieses langjährigen Engagements haben wir entschieden, den nach wie vor erfrischend unkonventionellen 58-Jährigen zur «Pink Line» zu befragen – jenes vor einigen Monaten gegründeten, VBZ-internen LBGT-Vereins.

Peider Filli, Trampilot und Co-Präsident der Kreissektion 7 + 8 der Grünen Partei Stadt Zürich. (Bild: gruenezuerich.ch)

Herr Filli, wir haben bei den Vorabklärungen mit Erstaunen festgestellt, dass Sie gar nicht zu den Gründern von «Pink Line» gehören. Weshalb?

Als die «Pink Line» gegründet und durch die Teilnahme am diesjährigen «Christopher Street Day» am 10. Juni offiziell lanciert wurde, war ich in Berlin, wegen meines Schamanismus-Seminars. Es lag also am ungünstigen Timing, ich musste die Kurse in Berlin auch konzentriert vorbereiten, da fehlte mir einfach die Zeit, um mich in diesem Gründungskomitee richtig engagieren zu können. Da aber zwei meiner Arbeitskollegen vom Depot Escher-Wyss im Vereinsvorstand sind, bin ich bestens über die Aktivitäten informiert. Und natürlich trete ich dem Verein als Mitglied bei, und bringe mein Wissen und meine Erfahrungen gerne ein, falls das gefragt ist.

Wurden eigentlich schon in der Vergangenheit Versuche unternommen, einen solchen Verein zu gründen?

Auf diese Art nicht, nein. Aber die SBB haben mit «Pink Rail» seit vielen Jahren ein vergleichbares Angebot, das so offen konzipiert ist, dass wir von den VBZ uns da problemlos integrieren konnten. «Pink Rail» war wohl auch eine Art Vorbild für unsere jetzt lancierte «Pink Line».

Um welche Aufgaben will sich der Verein «Pink Line» überhaupt kümmern?

Einerseits geht es natürlich um die Akzeptanz der LGBTG-Bewegung innerhalb des Unternehmens, wobei diese zu einem grossen Teil bereits vorhanden ist, wie ich in der Vergangenheit immer wieder mit Freude feststellen durfte. Eine andere wichtige Aufgabe ist die Koordination mit vergleichbaren städtischen Stellen, zum Beispiel mit den «Pink Cops» der Stadtpolizei. Ich denke, dass man in gemeinsamen Aktionen und Projekten mehr erreichen und dadurch auch andere städtische Betriebe und Stellen auf unsere Anliegen aufmerksam machen kann.

Eine andere wichtige Aufgabe ist die Koordination mit vergleichbaren städtischen Stellen, zum Beispiel mit den «Pink Cops» der Stadtpolizei.

Wie sollen die «Pink Line»-Aktivitäten finanziert werden?

Einerseits durch die Vereinsmitgliedschaften, andererseits gibt es aber auch eine finanzielle Unterstützung seitens des Unternehmens, wie hoch die ist, weiss ich aber nicht.

Sie haben vorher die bereits gute Akzeptanz der homosexuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter innerhalb der VBZ angesprochen. Gibt es dennoch Verbesserungspotenzial?

Klar, das gibt es immer, in jeder Firma. Bei den VBZ orte ich dieses bei einer noch offeneren internen wie externen Kommunikation, was LGBT-Themen betrifft. Dass beispielsweise auch Personen, die Hemmungen oder Mühe haben, darüber zu sprechen, ermutigt werden, dies zu tun.

Werden der «Pink Line» von den VBZ auch Grenzen gesetzt, beispielsweise bei öffentlichen Auftritten?

Das nehme ich schon an, ja. Es wird wohl eher nicht möglich sein, an der Street-Parade ein eigenes «Pink Line»-Lovemobil an den Start zu schicken, oder an der Love Pride die lauteste Gruppe zu stellen (lacht). Ganz abgesehen davon glaube ich aber auch nicht, dass solche Aktionen zu den Zielen des Vereins gehören.

Wie wurde die Gründung des «Pink Line»-Vereins eigentlich in ihrem Arbeitskollegenkreis aufgenommen?

Die einen fanden das sehr positiv und haben sich auch entsprechend geäussert, andere wiederum fanden, nun habe die VBZ halt noch einen weiteren internen Verein, es hat sie schlicht nicht allzu sehr interessiert. Doch auch das ist normal, das wäre in einer Bank oder eine Versicherung nicht anders, im Gegenteil.

Weshalb im Gegenteil?

Weil es in der Privatwirtschaft – und das ist nicht bloss eine Vermutung – kaum Interesse an einer vergleichbaren Vereinsgründung geben würde. Nicht, weil es ein Tabuthema ist, aber weil man sich da wohl einfach weniger gern exponiert.

Und das ist bei den VBZ anders?

Ob es generell anders ist, weiss ich nicht. Doch gerade in unserem Depot Escher-Wyss arbeiten mit Andreas Schölermann und Peter Schüpbach zwei Kollegen, die sich gerne für solche Anliegen engagieren – und sich darum auch entsprechend exponieren.

Artikel teilen:

Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie unserer Datenschutzerklärung zu.
Mehr erfahren