«Züri schlaflos» präsentiert Zürcher Bars, Clubs, Kulturhäuser, Restaurants und anderen urbanen Hotspots und Schauplätze von einer neuen Seite. Die Stadtneurotiker, Journalisten und Autoren Philippe Amrein und Thomas Wyss haben über unterschiedlichste Lokalitäten und Orte streng subjektive und oft ziemlich schräge kleine Stadtgeschichten verfasst. Der heutige Tipp kommt von Thomas Wyss.
Nein, wir haben keinen Central Park, wie die grüne Lunge New Yorks eigentlich viel zu profan genannt wird, weil dort grosse Filme gedreht, grosse Konzerte (wie die Reunion von Simon & Garfunkel im August 1981) gegeben und grosse Verbrechen begangen wurden. Wir haben auch keinen Jardin de Luxembourg und keinen Jardin des Plantes wie Paris. Und natürlich haben wir auch keinen immensen Hyde Park wie London und keinen pompösen Schlosspark wie Wien-Schönbrunn, denn Zürich war und ist weder riesig noch königlich-kaiserlich.
Dafür haben wir den Rieterpark im Engequartier. Und der kann es – das ist zwar meine ganze subjektiv Behauptung (und ich bin nicht bloss Fan, sondern eher schon Groupie), doch sie ist wahr – mit jeder der genannten Metropolen-Grünzonen locker aufnehmen. Weil er den zauberhaftesten Picknickplatz der Stadt, ja wahrscheinlich der ganzen Schweiz offeriert, mit Blick auf den Zürichsee und das eindrückliche Bergpanorama. Weil man – Achtung, Attention, Attenzione! Was nun folgt, ist nicht ganz jugendfrei, alle unter 14 sollen bitte die folgenden Zeilen überspringen! – in etlichen seiner durch Bäume und Büsche gut kaschierten und intim-lauschigen Nischen die vorabendliche Zweisamkeit zur nächtlichen Paarung ausbauen kann. Weil es auf Stadtgebiet keinen idealeren Ort gibt, um die Streetparade mitzuverfolgen (man hört hier oben, hübsch abgedämpft durch die Flora, nur noch die beschwingten Melodien der Technofanfaren, und die sind ja oftmals ganz okay)*. Und keinen inspirierenderen Ort, um einen Liebesbrief alter Schule oder einen Romananfang zu schreiben.
Überdies offeriert der Rieterpark grandiose Stimmungen und Sujets für all jene, die Fotografie plötzlich als neues Hobby entdecken. Und einen Spielplatz für die Kleinen, der diese Bezeichnung fürwahr verdient. Und einen Spielplatz für die Grossen gibts auch, er ist, anders als jener der Kids, nicht mit grauem, sondern mit rotem Sand ausgestattet, sprich: man kann sich darauf im Tennis versuchen.
Ja, und da wäre noch das Nonplusultra: Der Park hat nämlich gar ein eigenes Kunsthaus! Es heisst Museum Rietberg, und es präsentiert gern exotische Schätze aus unbekannteren Kulturgefilden dieser Welt. Zum Museum gehört übrigens auch die Villa Schönberg, in der heute die Verwaltung untergebracht ist. Dieses architektonische Juwel ist vor allem historisch bedeutsam, denn in einem Zimmer dieser Villa kam am 30. August 1923 der damalige Parteivorsitzende der NSDAP und spätere Reichsführer Adolf Hitler mit rund 40 Schweizer Privatpersonen zusammen, um Geld für seine Partei zu sammeln. Womit wieder mal bestätigt wäre, dass selbst das hübscheste Fleckchen Erde niemals unbefleckt ist.
Haltestelle Museum Rietberg
Tramlinie 7
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*Anmerkung der Redaktion: 2020 muss man leider auf das gedämpfte Technofanfare im Rieterpark verzichten, da die Streetparade wegen des Coronavirus nicht stattfindet.