Der Gleisweg

Mehr als 100 Tramschienenkilometer befinden sich im Stadtzürcher Boden. Sie sind da, unbeachtet von den meisten Menschen, werden repariert und erneuert, damit die Trams Tag für Tag eine gute Fahrt haben. Wo aber werden die Gleise gefertigt? Wie werden sie transportiert und in den Boden verlegt? Unsere Reporterin hat sich über den komplexen Prozess von A bis Z informiert.

Im Sommer 2015 wird das Bellevue saniert. 1 323 Meter Tramgleise werden ausgewechselt, 18 Weichen werden installiert, drei Schmieranlagen und sechs Kreuzungen eingebettet. Das Bellevue wird zur Grossbaustelle. Nach 25 bis 30 Jahren müssen die Schienen ausgewechselt werden, denn sie werden von 60 Tonnen schweren Fahrzeugen beansprucht – 365 Tage im Jahr, fast 20 Stunden pro Tag.

Als ich mit meiner Recherche begann, interviewte ich eine Kollegin aus dem Unternehmensbereich Infrastruktur, in der Annahme, sie könne mir in 30 Minuten kurz erklären woher die Gleise kommen, was wir daran verändern und wer sie dann zur Baustelle bringt. Gut, nicht ganz so naiv vielleicht, aber etwa in der Art. Und sie erzählte. Und ich schrieb. Und mir wurde bewusst, was rund um ein Gleis alles geplant werden muss, damit es auf der Baustelle millimetergenau in den Boden passt. Fehler könnten verheerende Folgen auf dem Netz haben: Ein Tram könnte aus der Spur geraten.

Vorausplanen, damit auf der Baustelle alles stimmt

Die Gleisanlagen werden von den Weichenwerken projektiert und gefertigt. Die neuen Anlagen fürs Bellevue kommen von der Firma Voestalpine BWG aus Gotha (Deutschland). Sie produzierte die komplexe Gleisanlage für das Projekt Bellevue. Nach der Detailprojektierung durch die Konstruktionsabteilung des Weichenwerkes erfolgt die Prüfung der Geometrie und der Herstellmasse durch die VBZ-Spezialisten. Dies bereits einige Monate vor Baubeginn. Erst wenn diese Prüfung erfolgreich ist, erhält das Weichenwerk grünes Licht für die Fertigung der Gleisanlagen. Die Werksabnahme erfolgt durch Vertreter der VBZ gemeinsam mit dem Auftragnehmer. Sie beinhaltet einen gesamtheitlichen Check der komplett zusammengestellten Anlage.

Es werden folgende Punkte geprüft:

  • Funktionalität der Weichen und Kreuzungen
  • Geometrie (Radien, Winkel), Aussenabmessungen und Länge der Elemente
  • Fertigungsmasse und Spurführung
  • Materialqualität und Verarbeitung
Die Schienen lagern gestapelt und in der richtigen Abfolge auf dem VBZ-Areal. (Bild: Elina Fleischmann)

Von der Vormontage bis zur Baustelle

Nach erfolgter Abnahme werden die Anlagen mittels LKW an die VBZ geliefert. Die Werkstatt nimmt die Vormontage der Gleisanlage vor. Es werden Weichenstellvorrichtungen, Weichenheizungen, Rückleiter- und Entwässerungskästen montiert sowie Zungenvorrichtungen mit Weichenendteilen zu kompletten Weichen zusammen geschweisst und die Streustromisolation an Gleisjochen und Anlagenteile geklebt.
Danach wird die Gleisanlage in grösstmöglicher Transportgrösse (Breite 4,5 m, Länge 23m) als Spezialtransport am Einbautag direkt auf die Baustelle geliefert. So dass auf der Baustelle stets das richtige Gleis am richtigen Ort eingebaut werden kann.

Baustelle Bellevue – Millimeterarbeit in kürzester Zeit

Am Bellevue beginnt die Präzisionsarbeit von Neuem. Baustellen in der Stadt machen Lärm und behindern Verkehr und Fussgänger, kosten Geld und müssen darum möglichst rasch wieder weg sein. Meist werden die groben und lauten Arbeiten am Anfang gemacht, erst danach folgt der Feinschliff. Alle Arbeiten werden nach einem genauen Zeitplan ausgeführt, Millimeterarbeit in kürzester Zeit.

Wir arbeiten in der Nacht, damit die Trams am Morgen fahren

Die Gleisanlagenelemente werden durch zwei Baukräne in die dafür vorgesehene Grube abgesenkt und verlegt. Einmal in der Grube, werden sie gerichtet, befestigt und zusammen geschweisst. Abweichungen von wenigen Millimetern können fatale Folgen haben. Schliesslich wird das Gleis einbetoniert, die Spurbreite wird kontrolliert, die Schienen werden untergossen und zum Schluss wird ein Profilschliff gemacht. Am ersten Gleisschlag-Wochenende vom 10./11./12 Juli  waren rund 400 Personen mit verschiedensten Berufen vor Ort: Gleisbauer, Geomatiker, Strassenbauer, Bauleitung, Oberbauleitung, Bauführung, Elektriker, Projektleiter, Polier, Maschinisten, Lastwagenfahrer, Disponenten und viele mehr. All diese Arbeiten werden direkt auf der Baustelle gemacht, meistens in der Nacht, so dass die Trams bei kleineren Baustellen bereits am nächsten Morgen wieder über die Gleise rollen können.

Gigantische Logistik

Das ganze Projekt beschäftigt hunderte von Arbeitskräften. Die Planung der Bellevue-Baustelle durch die Projektleitung sowie die Projektverfassung begann bereits 2012, und die Logistik, die es für einen von A bis Z reibungslosen Ablauf des Bellevue-Bauprojekts benötigt, ist wahrlich gigantisch.  Da ich ein Mensch bin, dem es schon schwerfällt, auf dem eigenen Schreibtisch Ordnung zu halten, ist es für mich praktisch unvorstellbar, wie man diesen komplexen Gleisweg von der Herstellung bis zur millimetergenauen Verlegung einhalten kann.

Bellevue-Umbau in Zahlen

Gleis- & Strassenbau am Bellevue im Sommer 2015 Abbruch der Strassenbeläge: 15 000 m2 Zu versetzende Randsteine: 1200 m Neubau Strassenbeläge: 15 000 m2 Volumen der Beläge: 5200 t Bus-Betonplatten: 230 m2 Oberbeton im Gleisbereich: 1400 m2 Fugenarbeiten Schienen: 5200 m 

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