Der Dreck muss weg

Tropische Hitze, Weekend- und Nachtdienst, Müll und andere Übel: Warum im Team «Fahrzeugservice» trotzdem gute Stimmung herrscht.

Ein Brummen liegt in der Luft. Die Bürsten der Bus-Wellnessanlage in der Garage Hardau, sie rotieren wie tanzende Derwische um ihre Achse und säubern die staubige Aussenhaut der Gefährte, die nach ihrem langen Tag auf Zürichs Strassen eine Rast einlegen. Für die einfahrenden Busse ist das die erste Station: Ein Empfang quasi, der sich gewaschen hat.

Busse, sauber aufgegleist

Nach dem erfrischenden Willkommensgruss an der Waschanlage wartet Ali an der Tankanlage auf die Neuankömmlinge. Er versorgt die Busse mit Diesel.

Der nächste Posten in diesem Staffellauf ist ein unscheinbares Glashäuschen, das Herz der Garage, ohne das hier so einiges im Chaos versinken würde. Ein Disponent weist dort den ankommenden Buschauffeuren ihren Parkplatz zu. Die Aufstellung der Busse geschieht nämlich nicht nach dem Zufallsprinzip: Die Fahrzeuge werden fein säuberlich nach Fahrzeugtyp und Einsatzort im «Gleis» eingereiht, so dass sie später unbehindert zu ihrem nächsten Einsatz ausfahren können. Busse aufs Gleis? Richtig, so nennt man die Spur, auf denen die Busse ihre weitere Behandlung erwarten. Die Bezeichnung «Gleis» verdankt die Spur den Trolleybussen. Diese gelten nämlich nicht als Autos, sondern fallen unter das Eisenbahngesetz. Und Eisenbahnen fahren bekanntlich auf dem Gleis.

Erbrochenes bei tropischem Klima

Die Busse stehen nun also Schlange, um die Hinterlassenschaften ihrer Fahrgäste im Innenraum loszuwerden. Jabbie und Edie schwingen den Besen und befördern ins Freie, was sich da so angesammelt hat: Glacépapier, Zeitungen, aber auch ein Kamm werden nun entsorgt.

Was klebt, wird feucht gereinigt. Wir reden da von süsslich duftendem Red Bull oder Cola aus achtlos hingeworfenen Dosen, die im Sommer öfter mal über den Boden rollen. Im Herbst ist es das schmierige Laub, im Winter das Salz. Die grauslichsten Vermächtnisse werden gehäuft nachts und am Weekend in das Innere der Fahrzeuge ergossen. Jabbie rollt die Augen: «Erbrochenes, das ist am Schlimmsten».

Während Jabbie in der oberen Halle die Trolleybusse von ihrem Unrat erlöst, erledigt Edie unterdessen im Keller den gleichen Job mit den Autobussen. Er schwenkt ein Portemonnaie, das am Ende im Fundbüro und damit wohl hoffentlich bald wieder beim Eigentümer landet.

«In den Trolleybussen liegt mehr Müll», meint Jabbie, «wohl weil sie mitten durch die Stadt fahren – dort ist die Hemmschwelle kleiner».

Das Wischen der Autobusse birgt dafür anderen Unbill: «Untertags stundenlang im Keller zu arbeiten, geht einem irgendwann einfach auf den Geist». Hinzu kommt das tropische Klima in der Halle. Die Motoren der Autobusse sind kochend heiss – bis zum Morgen haben sie sich gerade mal auf rund 50 Grad abgekühlt. Neid auf die Arbeit des anderen entsteht dennoch keiner. Die Einsatzpläne werden nämlich im Rotationsverfahren erstellt: Tanken, Wischen in der Halle, Wischen im Keller, tagsüber oder nachts: Es sind alle mal mit Allem dran.

150 Busse, drei Kontinente und ein blutgetränkter Sitz

Alle 7500 Kilometer, also im Turnus von rund sechs Wochen sowie halbjährlich, ist eine intensivere Reinigung vorgesehen. Alles wird dann gründlich geschrubbt, auch die Scheiben und die Wagendecke, sogar die Lampen und Werbetafeln… Diese Arbeiten werden tagsüber erledigt. Sind die Sitze verschmutzt, müssen sie abmontiert und – je nach Missgeschick – auch gleich entsorgt werden. «Neulich hat jemand im Bus viel Blut verloren, keine Ahnung wie das kam – vielleicht stieg da einer in den Bus, um ins Spital zu fahren». Ein dergestalt besudelter Sitz ist unbrauchbar geworden, er landet auf dem Müll.

150 Busse fegen in einer Nacht: Kein Problem für einen Zauberlehrling. Aber auch Ali, Jabbie und Edie lassen die Besen effizient tanzen – ohne Hokuspokus. Immerhin – seit die Abfallkübel aus den Fahrzeugen entfernt wurden, hat die Müllmenge eher abgenommen. Kommt hinzu, dass man die Kübel ja separat leeren und reinigen musste.

Aber auch ohne Kübel sind die drei Männer von 19.20 Uhr abends bis 3.45 Uhr im Einsatz, und zwar von Freitag bis Donnerstag – also durchgehend an sechs Tagen oder Nächten! Die Mitarbeitenden sind abwechselnd während zweieinhalb Wochen dem Nacht- oder Tagdienst zugeteilt. Tagsüber dauert der Einsatz von 9.00 bis 17.45 Uhr. Spielt da die innere Uhr nicht verrückt? «Am Anfang hatte ich Mühe, nach getaner Arbeit einzuschlafen», sagt Jabbie. Jetzt, nach neun Jahren, habe er sich aber daran gewöhnt. Das gilt auch für seinen Kollegen Ali, der sagt, er arbeite lieber in diesem wechselnden Rhythmus, als nur tagsüber oder nur nachts: «Mit diesem Dienstplan habe ich nämlich drei bis vier freie Tage hintereinander.». Ali, eigentlich gelernter Dachdecker, scheint die Arbeit zu mögen, immerhin macht er den Job bereits seit 25 Jahren; «seit dem 1. Juni 1991», meint er wie aus der Pistole geschossen. Auch Edie ist seit sechs Jahren im Team. Das verbindet, und so trifft sich das Dreiergespann auch gerne mal in der Freizeit und vereint dabei quasi drei Kontinente. Ali stammt aus dem Kosovo, Jabbie aus Gambia und Edie aus Brasilien.

Grossandrang zur Geisterstunde

Zur blauen Stunde liegt eine eigentümliche Stille über der grossen Halle. Es ist die Ruhe vor dem Sturm: Jede Welle, mit welcher der Fahrplan ausgedünnt wird, schwemmt wieder einen Schub Busse in die Garage. Eifrige Betriebsamkeit herrscht vor allem zwischen Mitternacht und 11.15 Uhr, erst recht am Wochenende. Rein und raus gleichzeitig – da müssen abends schon mal Busse fit gemacht werden, die gleich anschliessend wieder als Nachtbusse ausfahren.

Das gilt besonders auch nach einem Konzert im nahe gelegenen Letzigrund-Stadion, wenn einige Tausend Fans zum Bahnhof gebracht und die Busse danach sofort wieder für den nächsten Einsatz vorbereitet werden müssen. Ein «Highway to hell» ist das trotzdem nicht – dank der straffen Organisation. «Die Zeit geht rasch vorbei, es ist nie langweilig», betont Jabbie, greift nach seinem Besen und wendet sich einer Komposition aus Taschentüchern, Cheeseburger-Verpackung und weiterem Papier zu. Die nächsten 20 Busse stehen bereit.

 

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