Aus der Luft in den Boden: Die VBZ haben in zwei Pilotprojekten den Einbau eines Betons getestet, der C02 bindet und unschädlich macht. Über das Verfahren «Carbon Capture and Storage» und den Beton der Zukunft.
Stellen Sie sich vor, Sie würden an einem Quiz nach dem Namen eines nachhaltigen Baumaterials gefragt: Würde Ihnen der Begriff «Beton» einfallen? Wohl eher nicht – immerhin trägt die Zementproduktion bis zu satten zehn Prozent an die weltweiten C02-Emissionen bei. Gleichzeitig taugt auch eine Kehrrichtverbrennungsanlage nicht zur Symbolstätte für die Klimaziele, und dennoch oder gerade deswegen zeichnet sich dort allmählich ein sauberes Licht am Horizont ab: Die Anlagen – Sie haben es vielleicht in den Nachrichten gehört – sollen ihre CO2-Emissionen dank einer neuen, sogenannten CCS- Technologie («Carbon Capture and Storage», auf gut deutsch: Kohlenstoffabscheidung und -lagerung) langfristig auf Null herunterfahren. Aber zurück zum Beton: Auch diesen soll die besagte Technologie «ergrünen», das heisst umweltfreundlicher werden lassen.
Das Baumaterial steht nicht erst seit gestern im Visier des Klimaschutzes, wie ein Dokument des WWF aus dem Jahre 2019 zeigt. Umweltfreundliche Alternativen sind ebenfalls an der ETH und konkret bei deren Spin-off «Neustark» seit längerem Thema. Das dabei entwickelte Verfahren konnte jetzt in der Praxis Boden gewinnen: Die VBZ haben hierzu zwei Pilotprojekte aufgegleist, letztes Jahr an der Gleisbaustelle Römerhof und Ende März 2022 am Hardhof.
Der an den beiden Gleisbaustellen verbaute Beton nennt sich, nach dem Namen der Herstellerfirma, Kibeco® und besteht aus Recyclingmaterial. Dieses wird mit zehn Kilogramm Kohlenstoffdioxid (C02) pro Kubikmeter angereichert – das gespeicherte C02 wird der Luft entnommen, in kristalliner Form im Beton gebunden und so unschädlich gemacht. Die Vorgehensweise entspricht dem CCS-Verfahren, wie es auch bei den Kehrrichtverbrennungsanlagen angedacht ist. Obendrein kann das Material erneut rezykliert werden, ohne dass das Kohlenstoffdioxid dabei freigesetzt würde.
«Bei der Baustelle Römerhof wurde soviel C02 gebunden, wie ein Auto mit 14’000 gefahrenen Kilometern Emissionen ausstossen würde», sagt VBZ-Bauleiter Tobias Imhof. Aber sehen Sie am besten selbst:
Das bei den Pilotprojekten der VBZ verwendete Material wird im laufenden Betrieb gegenüber herkömmlichem Beton genau geprüft, beispielsweise in Bezug auf die Druckfestigkeit*. Verläuft die Prüfung erfolgreich, soll das Material der neue Status Quo in Gleisprojekten werden.
* Mit dem gleichen Beton werden vor Ort mindestens drei Normwürfel abgegossen. Diese Würfel werden nach zehn Stunden in einer Prüfapparatur positioniert und mit einer ansteigenden Druckkraft belastet, und zwar solange, bis der Würfel zerstört wird. Die maximale Kraft, die hierzu benötigt wird, entspricht der geforderten Druckkraft.
Die CCS-Technologie
Die Technologie zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage) wird seit längerer Zeit intensiv getestet, vorab in Kraftwerken. In der Schweiz stehen aktuell die Abfallverwertungsanlagen im Fokus, welche ab 2022 bis 2030 jährlich eine Million Franken in diese Technologie investieren und ab 2030 solche Anlagen in Betrieb nehmen sollen. Das Ziel ist laut dem Bund, dass die Technologie bis 2050 auch in der übrigen Industrie zum Einsatz kommt und dabei sieben Millionen Tonnen CO2 abscheidet. Bei dem von den VBZ eingesetzten Beton wird das Material über den Gleisabbruch gewonnen, einem Recyclingwerk zugeführt und in der Recyclinganlage entsprechend aufbereitet. Beim KIBECO-Beton wird der natürliche Prozess der Karbonatisierung durch das Einbringen von CO2, gewonnen aus der Umgebungsluft, um ein Vielfaches beschleunigt. Der nun eingebrachte CO2 ist im Beton für immer fest eingebunden. Im Jahr 2021 haben die VBZ insgesamt rund 2410 Kubikmeter, also 6025 Tonnen Beton verbaut. Dieselbe Menge KIBECO-Beton entspräche einer Einsparung von rund 24.1 Tonnen CO2.