April, April …

Der 1. April steht wohltuend schief in der Kalenderlandschaft. Für einmal gestatten sich selbst die seriösesten Medien, die Leserschaft nach allen Regeln der Kunst an der Nase herumzuführen. Der Brauch ist uralt und schon immer waren die VBZ ein beliebtes Sujet für wohl gelungene Aprilscherze, wie der nachfolgende Streifzug durch die letzten 118 Jahre aufzeigt.

1898: Pächter gesucht
Kaum ist 1896 die Kommunalisierung des Trambetriebes vollzogen, verkündet der «Tages-Anzeiger» auch schon wieder die Reprivatisierung. Gemäss einem Beschluss der Stadtverwaltung soll die städtische Strassenbahn zur Vermeidung unnötiger Ausgaben an einen Privatunternehmer verpachtet werden. Nach dem Vorbild der alten Römer soll ferner auch der Betrieb des Elektrizitäts- und des Gaswerkes sowie des Abfuhrwesens und des statistischen Amtes dem Mindestfordernden übertragen werden. Und das Steueramt dem Meistbietenden. «Man hofft dadurch für den Stadtseckel mehrere Millionen zu gewinnen», meldet das Blatt.

1909: Waghalsige Tramverbindung
Die gleiche Zeitung berichtet über eine neue Tramlinie, die als Direktverbindung das Quartier Fluntern mit dem Kreis 3 verbindet. Die Strecke führt vom Kantonsspital zunächst durch einen abenteuerlich steilen Tunnel. Bevor über den Mühlesteg das linke Limmatufer erreicht wird, durchquert die Linie oberirdisch das Niederdorf. In der Gräbligasse wird es zwar ziemlich eng, dem Problem will man mit der «Verwendung schmaler Wagen» begegnen. Das wirkt sich auch auf die Tunnelbaukosten günstig aus. Daher besteht für den «Tagi» kein Zweifel, dass die Linie eine «gewiss ausserordentliche Rendite abwerfen wird».

Eine neue Tramlinie für Zürich.

1912: Wie in London
Nicht nur Medien legen sich am 1. April ins Zeug. Der Fotoverlag Pleyer und Stohl an der Stampfenbachstrasse, spezialisiert auf Postkarten und Fotomontagen, gibt 1912 Aprilscherz-Postkarten heraus. Eines der Sujets zeigt das erste Zürcher Doppelstocktram auf der Linie 7 – eine Reaktion auf die enorme Verkehrszunahme beim Zürcher Tram.

Wie in London: Das doppelstöckige Tram in Zürich.

1925: Baubeginn der Zürcher U-Bahn
Der «Tages-Anzeiger» wartet mit einer Sensation auf: Eine Berliner Baufirma beginnt am Paradeplatz mit dem Bau der Zürcher Untergrundbahn. Zunächst sind zwei Linien geplant. Bei der Linie A handelt es sich um eine Ringlinie Bellevue–Paradeplatz–Bahnhof–Bellevue. Die Linie B beschreibt eine Schlaufe über Pfauen und Kreuzplatz zurück zum Bellevue und weiter über Enge–Wiedikon–Wipkingen–Unterstrass–Central und wieder zurück zum Bellevue. Für die Stadtbewohner sind diese Pläne absolut neu. Der Grund ist, dass der U-Bahn-Bau von einem wohlhabenden, nach Rio de Janeiro ausgewanderten Zürcher spendiert wird. Der Wohltäter hat ausdrücklich verfügt, dass die Bevölkerung erst vom Vorhaben erfahren darf, wenn der erste Spatenstich ausgeführt ist. Da es sich ausserdem um «unterterritoriales Gebiet» handelt, welches nicht dem Gemeindegesetz untersteht, ist für das Vorhaben auch keine Volksabstimmung nötig. – 1973 (48 Jahre später) ist es dann kein Aprilscherz mehr und es kommt dann doch zu einer Volksabstimmung; der U-Bahn-Bau wird wuchtig verworfen.

1957: Besänftigender Duft
Um das Publikum auf «die Möglichkeit einer Taxerhöhung vorzubereiten», sollen Billette mit feinem Parfumduft imprägniert werden, weiss der «Tages-Anzeiger». Verhandlungen mit einer französischen Parfum-Firma sind im Gang. Versuchsweise werden die wohlriechenden Billette auf den Tramwagen der Linie 5 ausgegeben.

1958: Bubentraum
Enttäuschte Gesichter nach sich zieht ein Aprilscherz in der «Tat». Die VBZ haben eben die alten Coupierzangen durch ein neueres Modell ersetzt. Nun hat VBZ-Direktor Heiniger verfügt, die ausgedienten Billettknippszangen an interessierte Buben gratis abzugeben – zum «Konduktörlis-Spielen». Sie können im Fundbüro abgeholt werden. Der Andrang ist gewaltig, die Fundbüro-Leute kommen mächtig ins Schwitzen. Auch die Tat-Redaktion hat ein solches Echo nicht erwartet; sie schickt dem derart heimgesuchten Personal zum Trost einen netten Brief – und ein kleines Präsent.

Kinderfreundliche Verkehrsbetriebe

1970: Führerlose Trams
Die Umstellung auf Fahrgast-Selbstbedienung ist beim Bus vollzogen, beim Tram in der Einführungsphase. Gemäss «NZZ» rufen der finanzielle Druck und der Personalmangel jedoch nach weiteren Rationalisierungsmassnahmen. Beim schienengebundenen Verkehr ist die Umstellung auf wagenführerlosen Betrieb vorgesehen. Dank der automatische Standortmeldung und der elektronischen Steuerung in der Zentrale ist das relativ einfach zu bewerkstelligen. Allerdings eine ist vermehrte Mitarbeit der Fahrgäste erforderlich, welche gewisse Überwachungs-, Kontroll- und leichte Führungsaufgaben zu übernehmen haben. Um sie auf ihre neue Aufgabe vorzubereiten, bietet die Migros-Klubschule Wengihof und Stampfenbach in Zusammenarbeit mit den VBZ spezielle Kurse für Tramfahrer an. Die wöchentlich stattfindenden dreistündigen Kurse – für Hausfrauen am Nachmittag, für Berufstätige am Abend – behandeln die verschiedene Fächer wie Fahrplanlesetechnik, Signalgebung, Bedienung der Dienstmegafone, bei Betriebsstörungen zu treffende Massnahmen, kleine Münzenkunde usw. Das Eröffnungsreferat wird von VBZ-Direktor Prof. Dr. Latscha gehalten. Als nette Geste spendiert die Migros den Kursteilnehmern einen kleinen Imbiss.

1980: Majestätisch bergwärts
Der lange dauernde Umbau der Seilbahn Rigiblick hat der Anwohnerschaft viel Unbill beschert. Gewissermassen als Wiedergutmachung setzen die VBZ auf jeder zweiten Fahrt künftig einen Salonwagen ein, wie der lokale «Quartieranzeiger Unterstrass/Oberstrass» in Wort und Bild berichtet. Der Seilbahn-Salonwagen weist eine stilvolle Inneneinrichtung mit Teakholz und grünblaurotem Weichflor-Spannteppich auf. Auch eine kleine Kaffeebar fehlt nicht. Und selbstverständlich ist die Kabine vollklimatisiert. Die Bevölkerung ist zur Jungfernfahrt herzlich eingeladen. Auch Stadtrat Kaufmann wird zugegegen sein, «koste es, was es wolle».

2003: Alternative zum «Züri-Sack»
Kurz nach Ankündigung des Cargo-Trams meldet der «Tages-Anzeiger» die Lancierung eines «Güsel-Trams» zur Entsorgung des Hauskehrichts. Auf der Tramlinie 2 wird ein Testbetrieb eingerichtet. An jedem ungeradem Datum (ausgenommen an Wochenenden) wird ab Betriebsbeginn bis 10 Uhr jedem dritten Kurs des 2ers ein offener Anhängewagen angehängt, auf den jedermann seinen Abfallsack werfen kann. Neben  dem gebührenpflichtigen Züri-Sack können auch die gewöhnlichen Kehrichtsäcke verwendet werden, in diesem Fall muss allerdings zuvor am Automaten eine «Güsel-Tickets» für Fr. 1.80 gelöst werden. Um allfälligen Geruchsentwicklungen entgegenzuwirken, haben sich die VBZ vom Duft- und Aromahersteller Givaudan beraten lassen. Dem Artikel ist ein Interview mit Duftforscher Roman Kaiser angefügt.

2009: Je nach Gewicht
Platzmangel in den Cobra-Trams – dieses Thema wird vom «Tagblatt der Stadt Zürich» aufgegriffen. Die VBZ haben nun reagiert. Ab nächstem Monat müssen übergewichtige Fahrgäste den anderthalbfachen Taxe entrichten. Ähnliches ist ja auch auf gewissen Fluglinien der Fall, wo sogar der doppelte Fahrpreis zu zahlen ist. Der Zuschlag muss über die neue graue «Kiloplus»-Taste am Billettautomaten gelöst werden. An jeder Haltestelle wird ein 65 cm breiter Metallrahmen montiert; wer nicht durchpasst, muss den Zuschlag zahlen. Die Kontrolleure werden mit einem Messband ausgerüstet. Es folgt ein Interview mit dem Michael Onuser, Präsident des Vereins Vollschlanker Menschen Zürich (VVM), der die neue Regelung eine «Frechheit» findet.

Die Gebühr der VBZ ist eine Frechheit!

Vorsicht!
Nicht alle Scherze sind auf den 1. April terminiert. Dies mussten einige Fahrgäste im Jahr 1974 erfahren, als sie am VBZ-Billettautomaten ihre Mehrfahrkarte abstempeln wollten. Das Billett wurde mit penetrantem Pfeifen vom Automaten verschluckt. Gefilmt wurde das Ganze von der versteckten Kamera. Die Episoden wurden in der vom unvergesslichen Kurt Felix moderierten Sendung «Teleboy» am 15. Juni ausgestrahlt.

Vorsicht auch anders herum: Ganz selten sind vermeintliche Aprilscherze eben doch keine. Die Haare rauften sich 1989 vereinzelte Bahnfans, die sich nicht verkohlen lassen wollten und nicht daran glaubten, dass am 1. April das Gleis 6 bis in die Haupthalle des Zürcher Hauptbahnhofs verlängert wird, um nochmals einen Zug in die grosse Halle dampfen zu lassen, wie dies in der Anfangszeit des HBs der Fall war. Das Spektakel fand trotz 1. April statt.

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