Der vergangene Sommer hat uns einmal mehr unliebsam zu Bewusstsein gebracht, wie wichtig das Wasser für Mensch und Tier ist – und was es bedeutet, wenn zu wenig davon fliesst. Zeit also für eine Ode an die Brunnen in Zürich, die so zahlreich und facettenreich vorhanden sind. Unsere Redaktion stellt einige davon vor.
Wer in Zürich am Hauptbahnhof ankommt und diesen durch den Haupteingang verlässt, stösst zunächst einmal auf das Denkmal von Alfred Escher, das notabene inmitten eines Brunnens steht. Egal, ob der Wasserlauf fröhlich dahinplätschert oder imposant beweist, dass er auch eisige Zeiten übersteht, das Signal ist eindeutig: Zürich ist eine Brunnenstadt. Zweifler mögen das städtische Brunnenverzeichnis konsultieren – aber Achtung: Die Lektüre sämtlicher Brunnenguides könnte ein Weilchen dauern…
Der Füchsli-Brunnen
Thomas Wyss
In der Peripherie einer Stadt, wo sich die Häuser an Wald und Wiesen schmiegen, hat es naturgegeben mehr Tiere als in der urbanen City – und zwar nicht nur lebendige, sondern auch nachgebildete, sei es aus Bronze, sei es aus Stein. Ich weiss das, weil ich in einer solchen Randzone aufwachsen durfte. Oder jugendlicher formuliert: Mein damaliger «Hood» bestand aus Wollishofen, Leimbach und Kilchberg. Und da gabs (und gibts erfreulicherweise noch immer) etliche dieser Kleinkunstviechli, welche die Gegend verschönern, in den meisten Fällen als Brunnenschmuck.
Vor dem Bauerngut «Uf Stocken», wo alle sechs Jahre der berühmte Kilchberger Schwinget stattfindet, hockt zum Beispiel, umzingelt von plätscherndem Wasser, eine steinerne Muttersau mit ihren Ferkeln. Oberhalb vom Bahnhof Leimbach steht das Katzenbrünneli, auf dem Pausenplatz des Schulhauses im Lee (wo ich mit sieben Treffern in 14 Minuten bis heute der 10-Uhr-Pause-Rekordtorschütze bin) ziert eine landende Eule den Trinkbrunnen, und geht man etwa 300 Meter stadteinwärts der Kilchbergstrasse entlang, trifft man vis-à-vis vom Parkplatz des Restaurants Bürgli das Wollishofer Meisterwerk schlechthin, nämlich den in all seiner Lieblichkeit schlicht verzückenden Fröschlibrunnen.
Der wichtigste Brunnen meines Lebens indes steht weiter oben im Quartier, an der Ecke Moos-/Widmerstrasse. Die Figur zeigt Meister Reineke, der eben ein Huhn geraubt hat. Dass die Szene mehr über die unbarmherzige Welt erzählt, als man prima vista ahnen würde, wurde mir klar, als ich auf dem Brunnen-Bänkli den ersten (ausserfamiliären!) Kuss bekam – ob von Heidi, Sandy oder Vreni, ist mir blöderweise entfallen –, wobei das fiese Mädchen dabei auch gleich mein Herz hat mitgehen lassen, weshalb ich mich wochenlang fühlte wie ein hinterrücks gemeucheltes Federvieh (ich nahm zumindest an, dass das Huhn ähnlich empfunden haben musste). Dass zu diesem Brunnen auch noch ein prächtiges Unterwassermosaik gehört, fiel mir übrigens erst auf, als ich nun, 45 Jahre später, an den einstigen «Tatort» zurückkehrte.
ÖV zum Fuchsbrunnen:
Busstation «Dangelstrasse» der Linien 184 und 185.
Der Brunnen des Glücks
Natascha Klinger
Brunnen nehme ich normalerweise gerade mal aus dem Augenwinkel wahr. Dann, wenn ich zügig daran vorbeigehe oder -fahre. Ausser vielleicht, ich befinde mich gerade auf einer Wanderung und der Durst drängt mich, meine entleerte Flasche zu füllen. Was in der Stadt eher nicht vorkommt. Wenn ich nun also jeweils vom Helvetiaplatz her mit dem Velo heimwärts radle, muss ich am Bullingerplatz zwangsläufig den Springbrunnen auf der Platzmitte umrunden. Dabei fällt mir regelmässig die friedvolle Stimmung auf, die diese «Begegnungszone» umhüllt. Vielleicht ist es das Café du Bonheur, dessen Name in seiner Bedeutung die Atmosphäre durchdringt, oder auch die den Platz umsäumenden Pflanzenkisten.
Wahrscheinlich aber ist es eben doch der Brunnen – mal ehrlich, könnten Sie sich den Bullingerplatz ohne den Brunnen vorstellen? Eben, ich auch nicht. Dann nämlich wäre der Ort, wo heute die Menschen ihre Füsse im Wasser kühlen (versuchen Sie das mal im Brunnen auf dem Bellevue, ohne waghalsige Kletteraktion) nicht friedvoll, sondern verlassen. Und letztere Beschreibung trifft auf besagtes Fleckchen Zürich eben nicht zu. Hier trifft sich das Quartier, es läuft immer etwas. Aber nicht so, wie beim nahe gelegenen Idaplatz (hat’s dort eigentlich einen Brunnen?), sondern ganz «légère». Weswegen ich dann doch mal angehalten und diesen Brunnen, der übrigens anno 1929 erbaut wurde (nur, damit das auch mal gesagt ist), unter die Lupe genommen habe. Und was sah ich? Eine zarte Korona in Regenbogenfarben. Wenn das nicht «Bonheur» ist?!
ÖV zum Bullingerbrunnen:
Tram- und Bushaltestelle «Hardplatz» der Linien 8, 33, 72, 83.
Tramhaltestellen «Albisriederplatz»/«Zypressenstrasse» der Linien 2,3.
Musizieren im Industriequartier
Tobias Wälti
Auf dem Weg zum nächstgelegenen Laden überquere ich jeweils den Röntgenplatz. Obwohl an dem Platz theoretisch sechs Strassen zusammenlaufen, ist es ein ruhiger Treffpunkt für das Quartier, denn alle Strassen enden für Autos hier in einer Sackgasse. Dies war nicht immer so: An dieser Stelle verlief bis Ende des 19. Jahrhunderts sogar ein Eisenbahngleis. Der Brunnen, um den es hier geht, wurde dann 1929 in einer Ecke des Platzes gebaut (dies scheint ein wichtiges Jahr für den Zürcher Brunnenbau gewesen zu sein).
Die drei musizierenden Buben, welche den Brunnen zieren, mussten bis zur Verkehrsberuhigung Anfang der 1980er Jahre allerdings lange gegen den stetig anwachsenden Lärm des damaligen Durchgangsverkehrs ankämpfen. Heute müssten sie nur noch gelegentlich gegen die Boom-Boxen ankommen, welche vor allem jüngere Besucher auf den Platz mitbringen. Warum dieses Sujet gewählt wurde, ist unklar. Vielleicht sollte es einen beruhigenden Kontrastpunkt zum damals noch qualmenden Industriequartier setzten? Heute passt das Relief perfekt zum ruhigen Platz, welcher zwar immer belebt, aber selten überlaufen ist. Man könnte sich gut ein bisschen Handorgelmusik vorstellen, die das diskrete Plätschern des Brunnens begleiten.
Beim Bau hatte der Brunnen das wichtigste Merkmal allerdings noch nicht: Das Becken unterhalb des Hauptbrunnens wurde erst später erstellt. Heute ist es der Hauptgrund, warum der Brunnen angesteuert wird: Kaum ein Kind kann daran vorbeigehen, ohne vom glitzernden Nass angezogen zu werden. Und auch Erwachsene können darin ohne mühsames Klettern ihre Füsse baden. Den Durst scheinen die meisten Besucher des Platzes nämlich lieber mit Getränken aus dem Laden nebenan zu löschen.
ÖV zum Röntgenplatz:
Tramstation Quellenstrasse der Linien 4, 13 oder 17.
Namenloser bärtiger Kopf
Ursula Heiniger
Welch Segen ist denn das: Auf dem Weg zum Tram, aus einem skurrilen bärtigen Kopf, Wasser in die Trinkflasche füllen und schon ist man bereit für durstige Zeiten. Insbesondere nach einer mehrwöchigen Reise ennet dem Atlantik, wo das flüssige Nass nach Chlor schmeckt und nur mit viel Eis geniessbar wird, schätzt man dieses Privileg mehr denn je.
Der bärtige Kopf, überwölbt von drei Bogen und verziert mit Wasserpflanzen und Fischen, ist ein Quartierbrunnen und verschönert die Kreuzung Möhrli/Letzistrasse im Kreis 6. Mit den zugehörigen Reihenhäusern gehört er zum Inventar der schützenswerten Bauten der Stadt Zürich und ist Anziehungspunkt von unzähligen Schulkindern, die sich innerlich und äusserlich mit dem herrlich kalten Wasser erfrischen. Erstklassiges Trinkwasser notabene, zusammengesetzt aus See-, Quell- und Grundwasser, wie bei allen anderen über 1200 Brunnen der Stadt – ausser jenen 320 Exemplaren, aus denen reines Quellwasser sprudelt. Weshalb der Namenlose 1925 aus Kunststein, welcher den Mägenwiler Muschelkalkstein imitieren soll, und nicht mit echtem Kalkstein gebaut wurde, lässt sich nicht eindeutig herausfinden. Beruht dieser Entscheid auf Kostenüberlegungen der Baugenossenschaft Vrenelisgärtli, die den Brunnen damals erstellen liess? Fast 100 Jahre später sei der Brunnenbau dennoch verdankt: Der Bärtige und all seine Kollegen tragen geduldig und zuverlässig zu einer Lebensqualität bei, die sich sehen lassen kann. Und das, ohne grosses Aufhebens um sich zu machen. Welch vornehme Eigenschaft!
ÖV zum Wandbrunnen Ecke Möhrli/Letzistrasse
Tram- und Bushaltestelle «Letzistrasse» der Linien 9, 10, 39.
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Marktbrunnen Altstetten
Silvia da Silva
Der Brunnen, den ich oft bewusst wahrnehme, ist der Marktbrunnen am Lindenplatz. Da es in meinem Wohnort ausserhalb der Stadt nur eingeschränkte Einkaufsmöglichkeiten gibt, fahre ich am Samstag öfters – natürlich mit dem ÖV – in die Stadt herunter zum Lindenplatz. Dort flaniere ich über den Altstetter Wochenmarkt, wo ich selten am Stand mit den köstlichen Oliven vorbei gehen kann, ohne welche zu kaufen und widme mich dann dem eigentlichen Grund meines Marktbesuchs, dem Obst und Gemüsestand. Wenn ich meine Taschen gefüllt und mein Portemonnaie geleert habe, halte ich oft inne und wasche meine, von den ungewaschenen Kartoffeln am Marktstand mit Erde bedeckten Hände, in diesem Brunnen.
Gemäss Brunnenguide wurde der Marktbrunnen Altstetten 1773 gebaut und lag parallel zur Badenerstrasse, über die in dieser Zeit Pilger in die Stadt gelangten und sich am Quellwasser des Brunnens erfrischten. Im 18. Jahrhundert war er auch bei Hochzeitern, die aus der Stadt nach Altstetten kamen, sehr beliebt. 1957 wurde der Brunnen renoviert und an den jetzigen Standort versetzt. Zu dieser Zeit wurden am Brunnen noch Fischmärkte abgehalten, er verfügte daher über eine Vorrichtung, mit der man den Marktplatz abspritzen konnte. Heute nutzen ihn am Mittwoch und Samstag Vormittag die Standbetreiber des Wochenmarktes, um sich zwischendurch die Hände zu waschen oder einen Schluck Quellwasser zu trinken.
ÖV zum Marktbrunnen Altstetten
Haltestelle Lindenplatz: Tram 2, Bus 80, 35 und 78.
Manessebrunnen Hirschengraben
Daniel Soldenhoff
Im Zürcher Oberdorf, gleich beim Hirschengraben, steht ein Brunnen, der mich schon als Kind mächtig beeindruckt hat. Zum einen aufgrund seiner mächtigen Grösse, zum andern wegen des sich aufbäumenden Pferds, welches den Brunnen schmückt. So hab ich dem Brunnen immer «Rösslibrunnen» gesagt. Erst die Recherche zu diesem Artikel hat mich dann zum eigentlichen Namen des Brunnes geführt: Manessebrunnen. Aber wieso steht am Hirschengraben ein Rösslibrunnen, der vom Namen her ja eigentlich besser am Manesseplatz aufgehoben wäre?
Zuerst die «Hard Facts»: der Brunnen ist aus Granit, der aus den Steinbrüchen von Bodio stammt. Bodio ist in der Leventina, und die ist im Tessin. Gebaut wurde der Brunnen 1931 vom Bildhauer Johann Rigendinger (nach einem Modell von Arnold Hünerwadel) und der wilde Gaul soll an das Rittergeschlecht der Manessen erinnern. Am Hirschengraben steht der Manessebrunnen, weil die Patrizierfamilie Manesse da ihren Wohnsitz hatte, und zwar im «Steinhaus» an der Oberen Zäune. Wenn Sie jetzt noch mehr über das Rittergeschlecht der Manessen erfahren wollen, dann kann ich ihnen den 426-seitigen Bestseller «Codex Manesse» ans Herz legen. Darin haben sich Rüdiger und Johannes Manesse von 1300-1340 als Förderer der Dicht- und Liedkunst verewigt.
Jahre später taucht der Manessebrunnen als Opfer der Zürcher Jugendunruhen 1981 in den Archiven auf. Er wurde mit dem Wort «Krawall» und den Symbolen Pi-77 und Pi-777 besprayt. Danach wurde es ruhig um den Brunnen neben dem Obergericht und es bleibt unserer Fantasie überlassen, wieviele Verbrecher sich mit dem klaren, kalten Wasser des Brunnens reinwaschen liessen, um einer Verurteilung zu entgehen. Zum Schluss noch eine Info, mit der Sie sicher jede Wette gegen Ihre Freunde gewinnen: es gibt noch einen zweiten Manessebrunnen in Zürich. Ha, hätten Sie nicht gedacht! Der zweite Brunnen ist aber nicht ganz so monumental und schmuck wie der mit dem wilden Rössli. Es ist mehr ein Trog, und der steht am Fusse des Burghügels Manegg. Aber mit Baujahr 1906 ist er das Original. Diese Geschichte lassen wir an dieser Stelle aber mal ruhen und machen hier Schluss.
ÖV zum Manessebrunnen Hirschengraben
Haltestelle Neumarkt: Tram 3, Bus 31 und 33.
Haltestelle Kunsthaus: Tram 3, 5 und 9.
Alles über die Zürcher Brunnen
Wussten Sie, dass einen Zürcher Brunnenguide gibt? Auf der Website der städtischen Wasserversorgung können die Guides als PDF heruntergeladen werden. Einfach Stichwort «Brunnenguide» eingeben, und los gehts. Eine spielerische Reise durch die Brunnenwelt von Zürich gibt es in der App «A tale of Wells», welche aus Anlass des diesjährigen 150-jährigen Bestehens der Wasserversorgung Zürich ins Leben gerufen wurde.
Dieser Artikel wurde erstmals am 14. September 2018 veröffentlicht.