Im Rahmen des Projekts «Happiness» wurden die VBZ-Lernenden des zweiten und dritten Lehrjahrs zu ihrer Vorstellung von Glück befragt. Elizabeth Okisai und Hans Müller haben daraufhin zusammen einen Song komponiert und ein Musikvideo aufgenommen. Im Interview erzählen sie, welchen persönlichen Entwicklungsprozess sie im Lauf des Projekts durchlebt haben, und warum man den Schweizern ihr Glück nicht ansieht.
Mal ehrlich: Was war euer erster Gedanke, als ihr den Auftrag erhalten habt, eine Projektarbeit zum Thema «Happiness» zu machen?
Hans: Offen gesagt hatte ich darauf ganz zu Beginn nicht wirklich Lust. Die Berufsschule lastet mich ja bereits genug aus mit all den Prüfungen, Vorträgen und Gruppenarbeiten. Im Lehrbetrieb nun nebst der üblichen Arbeit noch etwas Zusätzliches machen zu müssen, hat mich anfangs nicht gerade erfreut.
Elizabeth: Ich dachte auch: «Noch eine Belastung mehr».
Könnte der harzige Start auch am Thema gelegen haben? Sein persönliches Glück in Worte zu fassen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe…
Hans: Ehrlich gesagt haben wir uns zu Beginn gar nicht allzu viele Gedanken darüber gemacht, was für uns beide «Glück» bedeutet. Es ging weniger darum, uns in persönlicher Weise mit der Fragestellung zu beschäftigen. Wir sahen das Ganze eher als einen Auftrag an, den es zu erledigen galt, und deshalb war der Abgabetermin der Projektarbeit für uns zu Beginn das Relevanteste.
Ihr wolltet das Projekt also einfach erledigt haben?
Elizabeth: Ja, anfangs schon. Aber so läuft das doch üblicherweise bei Projektarbeiten. Man erhält ein Thema zugeteilt, mit dem man sich auseinandersetzen soll. Meistens zählt dann nur, den Inhalt soweit zu begreifen, dass man in der Lage ist, am Schluss ein Endprodukt präsentieren zu können. Genau so waren wir am Anfang damit beschäftigt, das Thema «Happiness» abzuarbeiten, um unsere Auftraggeber zufriedenzustellen.
Hat sich eure Sichtweise im Lauf der Zeit verändert?
Hans: Ja. Während des Drehs hatten wir eine total gute Zeit miteinander und haben viel gelacht. Dadurch wurde uns bewusst, dass die Musik für uns beide ein wichtiger Lebensinhalt ist und uns glücklich macht. Insofern haben wir nach und nach begonnen, uns tatsächlich mit dem Thema «Happiness» auseinanderzusetzen. Dieses ernsthafte eigene Interesse gab dem Projekt plötzlich eine andere Sinnhaftigkeit, als wir das von üblichen Schularbeiten gewohnt sind.
Nun, da ihr etwas intensiver über euer persönliches Glück nachgedacht habt: Was braucht ihr nebst der Musik für ein zufriedenes Leben?
Elizabeth: Das Wichtigste ist für mich mein dreieinhalbjähriger Sohn. Indem ich für ihn da bin, probiere ich, ihm eine Familie zu bieten, die ich selbst in Kenia damals nicht hatte. Wenn er zufrieden ist, bin ich es auch.
Hans: Für mich haben mein Freundeskreis und die Familie einen grossen Einfluss auf mein Wohlbefinden. Solange ich umgeben bin von Menschen, mit denen ich mich gut verstehe, bin ich glücklich.
Ihr beide erwähnt Dinge von immateriellem Wert. Es stimmt also, Geld macht nicht glücklich?
Hans: Hmmm. Geld ist für mich nicht der ausschlaggebende Faktor zum Glücklichsein… Aber es hilft! (lacht.)
Offenbar: Jedenfalls besagt eine Studie, dass die Menschen nirgends auf der Welt so glücklich sind wie in der Schweiz, einem der reichsten Länder überhaupt. Merkt ihr euren Mitmenschen dieses Glück an?
Hans: Auf den ersten Blick wohl eher nicht. Ich denke zwar schon, dass sich die meisten Menschen bewusst sind, in einem sehr privilegierten Land zu leben, und dafür sind sie auch dankbar. Man strahlt es einfach nicht so offensichtlich aus.
Wieso?
Hans: Es entspricht wohl der Schweizer Mentalität, sein Glück eher für sich zu behalten und es nicht offen zur Schau zu tragen. So ist das ja auch mit anderen Dingen: Zum Beispiel ist es unüblich, mit dem eigenen Reichtum zu prahlen. Ich glaube aber, dass diese Zurückhaltung auf Menschen, die nicht mit der Schweizer Kultur aufgewachsen sind, seltsam wirken kann.
Elizabeth: Ich als Kenianerin wusste nach meinem Zuzug in die Schweiz anfangs nicht, wie ich mit dieser Zurückhaltung umgehen soll. Die Schweizer wirkten auf mich oft verklemmt. Ich wollte mich integrieren, aber niemand schien einen Schritt auf mich zuzumachen. Später habe ich begriffen, dass die Schweizer eigentlich gerne erzählen und sich austauschen – es war einfach zu Beginn viel Eigeninitiative von mir gefragt, um das Eis zu brechen. Ich glaube also, wirtschaftlich gesehen sind wir unbestritten ein sehr glückliches Land, wie es allerdings mit dem persönlichen Glück der Menschen aussieht, lässt sich auf den ersten Blick kaum erkennen.
Was hat euch das Projekt im Rückblick persönlich gebracht?
Hans: Ich habe mich das erste Mal überhaupt mit der Frage befasst, was es eigentlich für mich bedeutet, glücklich zu sein.
Elizabeth: Im Nachhinein finde ich es sinnvoll, dass wir das Thema «Glücklichsein» mit dieser Projektarbeit thematisiert haben. Das persönliche Glück ist ja etwas, das uns in keiner Schule oder sonstwo beigebracht werden kann. So konnten wir uns jedoch mit dem Thema auseinandersetzen und eine Ahnung davon gewinnen, was es für uns heisst, glücklich zu sein.
Über Hans und Elizabeth
**** Hans Müller absolviert bei den VBZ eine vierjährige Lehre als Automatiker mit Berufsmaturität. Der 18-jährige befindet sich momentan im dritten Ausbildungsjahr. In seiner Freizeit spielt er gerne Schlagzeug, trifft sich mit Freunden oder geniesst es, als Neulenker seit kurzem alleine auf den Strassen unterwegs zu sein. Er lebt zusammen mit seinen Eltern in Freienstein.
Elizabeth Okisai ist in Kenia aufgewachsen und lebt seit 2008 in der Schweiz. Die 20-jährige schliesst ihre Lehre als Automatikerin im Sommer 2018 ab. Als Ausgleich zum Berufsalltag spielt Elizabeth gerne Basketball, tanzt oder rappt. Sie wohnt zusammen mit ihrem dreijährigen Sohn in Dietikon.
Zusammenarbeit mit Gesundheitsförderung Schweiz
Die VBZ nehmen seit 2015 am Pilotprojekt «Companion» von Gesundheitsförderung Schweiz teil. Dieses hat zum Ziel, die psychische und physische Gesundheit von Jugendlichen zu fördern, zumal aus diversen Studien hervorgegangen ist, dass junge Erwerbstätige durch die Einflüsse der Arbeitswelt überdurchschnittlich oft gestresst sind und deshalb eine Risikogruppe für psychische Erkrankungen darstellen. Das Kernstück des Projekts bildet eine App, welche den Lernenden nebst Informationen auch die Möglichkeit zum Austausch oder zum Knüpfen von Kontakten bietet. Als Teilprojekt von «Companion» sind schliesslich die Arbeiten der VBZ-Lernenden zum Thema «Happiness» entstanden.