Grüezi, Züri

Martin Dathe-Schäfer ist Stadtbahnfahrer bei der Verkehrsgesellschaft Frankfurt und berichtet mit seinem geschulten Blick über die ÖV-Stadt Zürich.

Autor: Martin Dathe-Schäfer
Ein Artikel aus der Personalzeitschrift «in Fahrt» der Verkehrsgesellschaft Frankfurt

Unterwegs sein in Zürich, heisst überall und zu jeder Zeit flexibel sein. Zürich ist mit seinen 405 000 Einwohnern keine Grossstadt, aber ein Finanzdienstleistungszentrum mit globaler Ausstrahlung und bildet das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Schweiz. Durch die reizvolle Lage am See ist Zürich ausserdem ein sehenswerter Stadtraum. Mit dem Blick eines Trampiloten, wie es in der Schweiz heisst, habe ich mir die Stadt genauer angeschaut und die VBZ erfahren.

Die grossen Knotenpunkte in Zürich sind der Hauptbahnhof, die Haltestelle Central, das Bellevue am Zürichsee und der Paradeplatz. Hier treffen sich die meisten Tramlinien und geben einander Anschluss und kurze Umsteigezeiten im engen Netz. Eines der Herzstücke, das Bellevue, wurde 2015 saniert. Gleise und Bahnsteige schaffen nun einen barrierefreien Umstieg, zusätzlich gibt es dort ein Kundenzentrum, in dem Mitarbeitende Fragen zu Tarifen und Fahrkarten schnell beantworten.

Meterspurig mit Steuerrad unterwegs

Als erstes fällt einem in Zürich der dichte Takt auf. Jede Tramlinie ist in der Innenstadt mit mindestens einer weiteren verknüpft, dadurch sind schnelle Intervalle zwischen den Haltestellen gegeben. Als zweites fällt auf, dass das Netz komplett meterspurig ist, die auf ihm verkehrenden Trambahnen jedoch sind ähnlich breit wie bei uns. Das Netz wurde im Jahr 1882 mit dem «Rössli-Tram» als normalspuriges Netz eröffnet. Mit der Elektrifizierung des Trams wurde das Netz meterspurig. Drittens – und das ist für das Fahrpersonal interessant – wird in Zürich nicht mit dem «Befehlsgeber» gefahren, sondern die Kollegen drehen am Rad. Der Trampilot hat das «Steuerrad» stets im Griff, es ist direkt vor ihm im Fahrzeug angebracht. Damit wird aber nicht etwa wie beim Auto gelenkt, sondern beschleunigt oder gebremst. Nach links bremst man das Tram mit den Bremsstufen ab, nach rechts beschleunigt man mit den Fahrstufen. Reisst man das Lenkrad ganz nach links, macht das Tram eine Notbremsung.

Vorrangsteuerung auf den Punkt gebracht

Auf Zürichs Strassen herrscht dichter Verkehr. Das Tram geniesst eine Vorrangschaltung, um den öffentlichen Verkehr zu beschleunigen. Die Signalsteuerung lässt die Bahnen nicht lange warten und springt, wenn alle Türen geschlossen sind, auf Fahrt. Bevor ein Zug in Zürich allerdings die Haltestelle verlässt, blinkt der Trampilot mit dem Blinker rechts. Dies heisst: Abfahrbereitschaft signalisieren, kein Zustieg ins Tram mehr möglich. Danach fährt das Tram ab.

Die Signale sind sehr einfach gehalten. Es gibt nur zwei Arten in Zürich, die «Punktesignale» heissen. Wenn das Signal von Fahrt auf Halt springt, dann geht das sehr schnell. Da ein Trampilot allerdings so schnell nicht bremsen kann, blinkt das Punktesignal für «Halt» noch dreimal. Das heisst, bei Durchfahrt an einem blinkenden Signal ist die Weiterfahrt noch erlaubt. Der Name «Punktesignal» leitet sich von den drei horizontalen Punkten für «Halt» und zwei vertikalen Punkten für «Fahrt» ab.

Dichtes Netz mit starken Steigungen

Die VBZ betreiben zusammen mit der Glattalbahn 16 Tramlinien, sowie zahlreiche Bus- und Trolleybuslinien. Die Streckenlänge beträgt 72,9 Kilometer, 205,6 Mio. Zürcher fahren jährlich mit dem Tram. Farbige Linienschemata erleichtern die Suche nach dem richtigen Tram: Alle Linien haben eine eigene Kennfarbe, die sich nicht nur auf den Fahrplänen wiederfindet, sondern auch in der grossen Aussenanzeige am Tram. An den Zielanzeigern vom «Tram2000» erkennt man dies besonders gut, wegen der grossen Schrift auf dem Rollband, das weithin sichtbar ist.

Die Trassen des Trams gehen in Zürich zum Teil steil bergauf und haben auch ein ebenso starkes Gefälle. Der Höhenunterschied ist beachtlich. Vom tiefsten Punkt im Tal in der City (392 m ü. M.) bis zum höchsten Punkt am Üetliberg (869 m ü. M.) ergibt sich eine Höhendifferenz von 477 m. Das Tram in Zürich muss Steigungen von über 7,0 Prozent bewältigen, was die zugstarken Wagengarnituren spielend meistern. Es ist interessant zu beobachten, wie sich das Tram in Serpentinen den Berg hocharbeitet, so zum Beispiel die Linie 6,  das so genannte «Sächsitram», die von der Innenstadt-Haltestelle «Central» bis zur Haltestelle «Zoo» stets bergauf fährt, dabei mehrere 90-Grad-Kurven überwindet und daher  als «Bergbahn» unter den Tramlinien gilt.

Ein Tunnel für das Tram

Es gibt einen Stadtbahntunnel, der aus Zeiten der Planung einer «U-Bahn Zürich» stammt. Dieser 2,5 Kilometer lange Tunnel verbindet die Quartiere Milchbuck und Schwamendingen. Beim Befahren gibt es eine Besonderheit: Alle «Züri-Trams» haben ihre Türen rechts, deshalb muss das Tram vor Einfahrt in den Tunnel die Seite wechseln. Die Bahnen fahren im Linksverkehr, damit die Türen an den Tunnelbahnsteigen, welche als Mittelbahnsteige ausgeführt wurden, wieder zur richtigen Seite aufgehen können. Nach der Haltestelle Milchbuck gibt es eine unterirdische Überwerfung und das Tram wechselt ganz automatisch auf die richtige Gleislage. In Schwamendingen gibt es so etwas nicht, dort muss das Tram über eine oberirdische «X-Kreuzung» den Spurwechsel vollziehen. Erst nach Signalfreigabe kann das Tram die Seite wechseln. Im Tramtunnel selbst werden drei unterirdische Stationen angefahren: «Tierspital», «Waldgarten» und «Schörlistrasse». Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 60 km/h. Der Tunnel und die Stationen wurden in den Jahren 2011 und 2012 saniert und barrierefrei ausgebaut. Blaues Licht erhellt nun die Stationen und verleiht ihnen einen futuristisch-coolen Charakter.

Blaues Licht erhellt nun die Stationen und verleiht ihnen einen futuristisch-coolen Charakter.

Die Zürcher Wagen «Tram2000» und «Cobra»

Das «Tram2000» ist der Klassiker in der Stadt. Seit mehr als 35 Jahren bringt es die Menschen zuverlässig von A nach B. Dieser Wagentyp ist 21,4 m lang und 2,2 m breit und besteht aus mehreren Untergruppen. Zu den Motorwagen, die einen eigenen Antrieb besitzen, gibt es die «geführten Wagen» mit Antrieb, auch «Blinde Kuh» genannt. Sie sind genauso lang wie die Motorwagen und besitzen einen eigenen Stromabnehmer auf dem Dach. Zusätzlich gibt es das «Pony», einen 15,4 m langen, motorlosen Anhänger mit eigenem Stromabnehmer auf dem Dach. Um die Kapazität zu erhöhen, wurden einige Motorwagen um ein zusätzliches Niederflur-Mittelteil ergänzt. Insgesamt sind 23 Wagen zu einer «Sänfte» umgebaut worden. Im Jahre 1992 erfolgte die letzte Lieferung einer «Tram2000», dieser Typ wird jedoch noch einige Jahre auf Zürichs Strassen zu sehen sein.

Die «Cobra» unter den Trambahnen fährt in Zürich und «frisst» für ihr Leben gern Fahrgäste. Die jüngste Tramgeneration in der Stadt wurde von Bombardier gebaut und seit dem Jahr 2001 bis zur neuesten Serie in 2010 an die VBZ ausgeliefert, ist 100 Prozent niederflurig und bietet mit ihren 36 m Länge und 2,40 m Breite Platz für 240 Fahrgäste. Durch die Einzelradaufhängung hat das «Cobra-Tram», wenn es über Weichen fährt, ein ähnlich «schwimmendes» Fahrverhalten wie unser «R-Wagen». Mit maximal 60 km/h kann es auf der Strecke zum Flughafen «Zürich-Kloten» voll ausgefahren werden.

Vom Heckschalter bis zum Feierabend im Depot

Alle Trambahnen in Zürich sind Einrichtungsfahrzeuge und wenden daher in so genannten «Wendeschlaufen». Das Heck ist im «Tram2000» sowie beim «Cobra-Tram» für Fahrgäste ausgebaut und dient als Sitz- und Stehplattform. Wenn ein Trampilot ein Manöver fahren muss, dann gibt es dafür in jedem Tram einen Heckfahrschalter. Somit lässt sich ein Tram immer von der Strecke bringen.

Alle Trambahnen sind in fünf verschiedenen Depots untergebracht, wobei zwei nur als «Schlafdepots» dienen. In den Depots Irchel, Kalkbreite und Oerlikon werden auch Reparaturarbeiten ausgeführt, die Depots Hard und Wollishofen dienen lediglich als Abstellanlage. In der Zentralwerkstatt in Zürich-Altstetten werden die Züge überprüft und bekommen ihre Zulassung. Dort erfolgen auch die schwierigeren Unterhaltungsarbeiten an den Zügen.

 

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