Das Oldtimer-Tram Mirage dreht nochmals voll auf: Es wird von Diamantenräubern als Fluchtfahrzeug genutzt. Doch dahinter steckt viel mehr… Andreas Stadler, Autor und Künstlerischer Leiter, im Gespräch über sein Theaterstück «Mirage» und darüber, was es mit ihm selbst zu tun hat.
Die Mirage gibt ein Comeback und startet – ihrem Namen entsprechend – diesmal richtig durch. Ab 6. Januar 2026 präsentiert die VBZ Event-Linie in Zusammenarbeit mit dem Theater am Hechtplatz nämlich die Premiere des Stücks «Mirage». Austragungsort: Dreimal dürfen Sie raten… Das Tram mit Jahrgang 1966 bis 1968 beweist, dass es noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Es trägt – ganz ohne Übertreibung! – eine Hauptrolle, in der es sich selbst spielt.
Andreas Stadler, Autor, Schauspieler und Regisseur, hat das Stück dem Tram auf den 43-plätzigen Leib geschneidert und dabei das, was ihn selbst bewegt, gleich mit auf die Reise geschickt. Das Resultat ist eine leichtfüssige Gaunerkomödie, die ernsthafte Lebensfragen aufwirft. Wir haben mit ihm über die Entstehung des Kunstwerks gesprochen: Ein Gespräch, das während einer für den Autoren hoch aufregenden Zeit stattfindet – einen Tag vor dem offiziellen Geburtstermin seiner Tochter. Dieses Lebensereignis hat der sympathische Berner, der zurzeit in Berlin lebt, mit in die Geschichte hineingewoben.

Herr Stadler, das Stück «Mirage» spielt – buchstäblich – in einem Tram des Typs «Mirage». Was hat Sie zu der Geschichte inspiriert?
Ich erhielt den Auftrag, ein Stück zu schreiben, das im Tram spielt. Daraufhin bin ich stundenlang mit dem Tram durch Zürich gefahren und habe mir überlegt, was alles passieren könnte. Unter anderem kam ich auf die Idee, Juwelierräuber könnten das Tram als Fluchtfahrzeug benutzen.
Der Hintergrund des Diamantenraubs ist ein intensiver Kinderwunsch. Wie kamen Sie auf diesen ungewöhnlichen Plot?
Der Wunsch, eine Familie zu gründen, ist ein universelles Thema. Mich hat die Frage interessiert, wie weit jemand für seinen Wunsch nach einem eigenen Kind gehen würde. Dieses Thema wollte ich mit einem gewissen Augenzwinkern umsetzen und den beiden Räubern ein sympathisches Motiv geben.
Sie werden aktuell selbst Vater…
Genau, das Stück enthält autobiografische Teile. Ich habe mit meinem Mann und einer gemeinsamen Freundin eine Regenbogenfamilie gegründet. In diesem Prozess habe ich viele Menschen in verschiedensten Konstellationen kennengelernt, deren Sehnsucht nach einer Familie nicht so leicht umzusetzen ist – etwa Frauen ab einem gewissen Alter, die keinen Partner haben: Menschen, die nach unkonventionellen Möglichkeiten suchen, um ihren Wunsch zu erfüllen.
Ein sehr tiefsinniges Thema für eine Gaunerkomödie!
Es war mir ein zentrales Anliegen, zum Nachdenken anzuregen und dabei trotzdem leicht und unterhaltend zu bleiben. Dazu hatte ich auch einfach Lust, eine spannende Räuberstory zu erzählen. (schmunzelt)
Anderes Thema: Warum gerade die Mirage als Aufführungsort?
Weil alle Plätze den Blick der Zuschauer in dieselbe Richtung lenken. Das Stück ist aber auch eine Hommage an das Fahrzeug: Die Mirage verkörpert einen Rückzugsort, an dem die Welt noch in Ordnung ist. Auch die Zuschauer im Tram sind Teil der Szenerie. Hier hinein platzen plötzlich all die äusseren Probleme, wie eben die beiden Räuber und ihre Bedürfnisse. Das ergibt einen interessanten Kontrast.
Ein Tram als Theaterbühne bringt wohl einige Herausforderungen mit sich…
… die vor allem den Regisseur, Andreas Storm, beschäftigen werden. Aber auch ich als Autor musste dem Umstand Rechnung tragen, dass die Kulisse der Stadt und die Geräusche des Trams sehr viele Reize produzieren. Das Stück muss die Aufmerksamkeit zurückerobern und Action bieten. Das ist mit ein Grund, weshalb wir mit kleinen Musical-Einlagen etwas Show-Stimmung machen.
Was hat Ihnen rund um «Mirage» besonders Spass gemacht?
Ein wundervoller Moment war, als am Casting Schauspieler*innen vor mir standen, die perfekt zu den Ideen passen, die ich bereits im Kopf hatte. Zu sehen, wie diese Ideen plötzlich in Fleisch und Blut dastehen, war sehr schön. Auch der Austausch mit dem jungen Komponisten Moritz Lieberherr darüber, was die Songs für das Stück brauchen, war sehr inspirierend. Last but not least natürlich das Stück als Gesamtkunstwerk wachsen zu sehen – mit dem Tram, in Zürich. Das ist schon ein unglaublich gutes Gefühl.
Was verbinden Sie persönlich mit Zürich?
Ich hatte Anfang der 2000er-Jahre die Theater-Serie «Absolut Zürich» produziert und darin eine der Hauptfiguren gespielt. Die Serie wurde während acht Folgen in unterschiedlichen Theatern aufgeführt und handelt von der Midlife-Crisis der Technogeneration – eine komödiantische Antwort auf die Frage: «Was ist das Leben, ist es eine Party? Wann muss man Verantwortung übernehmen?» Dafür zog ich für ein halbes Jahr nach Zürich. Natürlich war Zürich für mich stets auch darüber hinaus ein Anzieh- und auch Reibungspunkt, eine faszinierende Stadt.
Konnten Sie aus «Absolut Zürich» etwas mitnehmen?
Im Grunde ist «Mirage» eine Art Fortsetzung: Einer der beiden Gauner kommt aus dieser Rave-Szene. Er durchlebt jetzt die grosse Krise und wünscht sich, sein Leben in eine neue Richtung zu bringen, Spuren zu hinterlassen.
Was verbinden Sie persönlich mit dem Fahrzeug und dem ÖV?
Im Depot Oerlikon, wo wir das Tram für das Stück besichtigt haben, kamen durch die Atmosphäre und die Holzstühle sehr viele Erinnerungen hoch. Eine unserer Hauptfiguren will Trampilotin werden. Bei meinen Recherchen wurde mir bewusst, mit wieviel Liebe die Menschen in Zürich die Trams und ihre Geschichte verfolgen. Ich traf eine Freundin in Zürich und habe gemerkt, «die kennt jeden Tramtyp!» Die Verbundenheit dieser Stadt mit ihren Trams hat mich fasziniert.
Konnten Sie sich von dieser Begeisterung anstecken lassen?
Ja, sehr. Aber besonders ist «Mirage» meiner Tochter gewidmet. Während der vergangenen Monate, in denen ich das Stück zum Leben erweckt habe, wurde es quasi zu meinem zweiten «Baby». Meine Familie und ich haben gerade gestern den Zug gebucht, um nach Zürich zu kommen und das Stück zu sehen. Wir freuen uns sehr.
Nachtrag:
Andreas Stadlers kleine Tochter Melina Floris hat am 17. Oktober das Licht erblickt: Pünktlich zum Geburtstermin – vielleicht doch ein ÖV-Baby?
Titelbild (von links):
Josef Mohamed, Jürg Plüss, Ruby Betulius, Vera Bommer (Bild: Theater am Hechtplatz)
MIRAGE – Ein komödiantischer Tramtripp mit Musik und Apéro
Am 7. Januar 2026 startet das Stück «Mirage» unter der Leitung des Theaters am Hechtplatz und Regisseur Andreas Storm. Ein turbulentes Erlebnis in einem bewegenden Umfeld, das Sie sich nicht entgehen lassen sollten!
Tickets erhalten Sie ab 5. November auf der Website der VBZ Event-Linie.



