Irrungen und Wirrungen am Züri-Fäscht

Wenn sich ganz Zürich und Zugewandte zum Feiern treffen, sind aussergewöhnliche Begebenheiten vorprogrammiert. Die vbzonline-Redaktorinnen und -Redaktoren erzählen ihre ausgefallensten Erlebnisse am «Züri-Fäscht».

Seit 1951 finden sich die Zürcherinnen und Zürcher alle drei Jahre in der Innenstadt ein, um mit einer rauschenden Party ihre Stadt, sich selbst, den Sommer und das Leben zu feiern. Wieviele unzählige, individuelle, unvergessliche Erinnerungen mögen mit diesem wiederkehrenden «Fest der Feste» wohl verbunden sein! Geschichten von erstaunlichen Begegnungen, merkwürdigen Zufällen, heiteren Momenten. Drei davon erzählen wir Ihnen hier.

1. Bank-Einbruch wider Willen
2. Drei Tage Züri-Fäscht und ein Kuss
3. Der Sprungturm-Irrtum
Info: Die VBZ am Züri-Fäscht

Bank-Einbruch wider Willen

Natascha Klinger

Wenn das Feuerwerk wie ein knallig-bunter Sternenregen vom Zürcher Nachthimmel fällt, trachten die geneigten Zuschauer allesamt danach, möglichst nah dran, weit oben, auf jeden Fall aber mit freier Sicht dabei zu sein. Als uns ein werter Kollege, seines Zeichens Freund einer Bankangestellten (nennen wir ihn doch mal Röbi), eröffnete, der Balkon des hoch über der Innenstadt gelegenen Arbeitsortes seiner Liebsten sei für Eingeweihte an jenem Abend geöffnet, waren wir Feuer und Flamme. Als zusätzliche Facette der Anekdote sei erwähnt, dass wir – also mein Partner und ich – an jenem Tage einen höchst skurrilen Anblick boten: Wir hatten uns nämlich im Zuge einer geistigen Umnachtung anerboten, uns als Werbeträger für einen städtischen Frisör «stylen» zu lassen. Kurzum, ich sah obenrum aus wie ein Korbgeflecht und er wie Eiger, Mönch und Jungfrau. Mit Schnee auf den Gipfeln.

Dies jedoch hinderte uns nicht daran, mit einem Cüpli in der Hand und äussert gut gelaunt – ja nachgerade hingerissen von besagtem Finanzbalkon – den ökologischen Irrsinn am Zürcher Horizont zu bestaunen. Hernach waren wir von dem Verlangen beseelt, den Festivitäten in der Stadt beizuwohnen, weshalb wir zu dritt – also ohne besagte Freundin, welche weiter mit ihren Arbeitskollegen plaudern wollte – den Lift nach unten bestiegen.
Das. war. ein. Fehler!

Als nämlich das Gefährt den Zielort (sprich das Parterre) erreichte, bemerkten wir, dass wir uns im Kassenraum der Bankfiliale befanden. Gar nicht gut. Wir drückten den Knopf zurück in die oberen Etagen. Der Lift machte keinen Wank. Röbi erbleichte. In diesem Augenblick fiel ihm nämlich ein, dass ihm seine Auserwählte vorgängig eingeschärft hätte, keinesfalls, unter gar keinen Umständen und absolut einfach NICHT ins Parterre zu fahren. Da dieses Unheil nun nichtsdestotrotz angerichtet war, startete er einen Telefonanruf, um Selbige zu fragen, was zu tun sei. Die Antwort kam postwendend, und sie kam heftig: Nach dem Öffnen der Lift-Türe, so ihre wütend ins Smartphone gebrüllte Mitteilung, würde binnen Minuten ein Sonderkommando vor Ort sein, um die Maschinengewehre auf uns richten. Zudem – das schrie sie nicht, jedoch so unsere Vermutung – könnte sich unser Frisör einer noch nie dagewesenen PR-Aktion erfreuen, da wir nämlich am Folgetag wegen diesem Faux-Pas bestimmt die Titelseite irgendeines Boulevard-Blattes zieren würden.

Ich will den Spannungsbogen nicht weiter ausreizen. Natürlich haben wir den Lift unversehrt verlassen (ansonsten hätte  ich ja diesen Beitrag gar nicht schreiben können). Und die (sicher spannende) Erfahrung einer Verhaftung blieb uns ebenfalls erspart – die Rettung kam in Gestalt eines Abwarts, eine Stunde später. Ach ja, auch noch wichtig: Röbi war bald darauf wieder Single… ob der Bankfilialen-Lift-Gate dabei ein mitauslösender Faktor war, entzieht sich jedoch meiner Kenntnis.

Drei Tage Züri-Fäscht und ein Kuss

Linda Egloff

Mindestens zwei Zürcher freuen sich genauso aufs Züri-Fäscht wie alle anderen, aber feiern dann nicht nur ihre Stadt, sondern auch ihre grosse Liebe. So romantisch das klingt, so kompliziert und voller Hindernisse ist die Geschichte dahinter. Als Nebendarstellerin in dieser Romanze bin ich natürlich bestens informiert. Hauptdarstellerin ist jedoch meine wunderbare grosse Schwester. Sie geht im Jahr 2001 noch in die Kanti und hat ein Auge auf einen Klassenkameraden geworfen. Das Augenwerfen wird sinngemäss erwidert und so kommt schon bald ein erstes Date zustande. Sie treffen sich am Freitag, dem ersten Tag des Züri-Fäschts, am Bahnhof Enge. Doch leider dauert das Treffen nur ganz kurz, denn der Schwarm lässt sie kurz nach der Begrüssung schon wieder stehen. Als Erklärung gibt er an, dass ihm speiübel sei. «Frechheit!» denkt sie sich und glaubt ihm nicht. Damals weiss sie noch nicht, dass der Gute tatsächlich einen sensiblen Magen hat. Ob es aber am feuchtfröhlichen Vorabend lag oder an einer Magenverstimmung, will man heute nicht mehr so genau wissen.

Trotz diesem schlechten Auftritt willigt sie für ein zweites Date am Züri-Fäscht-Samstag ein. Die Skepsis bleibt und so ist das zweite Date eigentlich gar keins, denn man trifft sich zum gemeinsamen Abhängen mit Freunden. Und obendrein bestellt sie mich als kritischer Inspektor hinzu, denn schliesslich ist schwesterlicher Rat in allen Bereichen des Lebens unverzichtbar. Wie das Fazit meiner teilnehmenden Beobachtung genau lautete, daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Es muss jedenfalls positiv gewesen sein und in Anbetracht meiner damaligen Lebensphase war es wahrscheinlich etwas à la «De isch ja voll de Homie! Aber ja, scho no herzig.»

Am späteren Abend folgt als krönender Abschluss das Feuerwerk. Die Funken sprühen – nicht nur in der Luft. Dennoch gehen die zwei Turteltauben getrennt und ohne ersten Kuss nach Hause. Dieser folgt nämlich erst am Tag darauf beim dritten Züri-Fäscht-Date.

Seither sind sie unzertrennlich und mittlerweile auch verheiratet. Und das Feuerwerk des Züri Fäscht 2019 ist in Wahrheit das Geburtstagskerzli ihrer 18-jährigen Liebe.

Der Sprungturm-Irrtum

Thomas Wyss

Es passierte irgendwann in den frühen 1980er-Jahren. Damals hiess das Züri-Fäscht noch Seenachtsfest. Was nicht nur romantischer klang, sondern, nomen est omen, auch romantischer war. Erstaunlicherweise hatte diese «Romantik» mit einem doppelten und heutzutage schlicht unvorstellbaren Manko zu tun: Zum einen ermangelte es dem Volksanlass nämlich an der quasi generalstabsmässigen Organisation, und zum anderen an all den gesetzlichen Bestimmungen, denen man mit dem Begriff «Reglementierungs-Flut» längst nicht mehr beikommt; weitaus passender wäre inzwischen der Suffix «Tsunami». Wie auch immer, jedenfalls war in jenen Tagen vieles viel entspannter. Oder wie wir es im damaligen Jugendjargon zu formulieren pflegten: «Zimmli easy going.»

Dies als Vorbemerkung, nun aber alles schön der Reihe nach. Und diese Reihe beginnt bei Kollege T. zuhause, der tags zuvor braungebrannt und gut gelaunt aus dem Rimini-Urlaub zurückgekehrt war; im Gepäck ein stattlicher Haufen neuer Italo-Disco-Platten und je zwei Flaschen Cinzano Bianco und Cinzano Rosso (wir fanden damals eben alles super, was einen italienischen Namen hatte, von Alfa bis Celentano, von Ciao bis Gelato, von Rossi bis Stronzo; völlig egal, ob wir wussten, was es mit dem einzelnen Begriff auf sich hatte oder nicht … beim Cinzano indes wussten wirs genau, und weil man in Zürich zu jener Zeit keinen günstigeren und doch noch einigermassen geniessbaren Wermut bekam, entwickelte sich zwischen diesem Spiritus und uns eine gefährliche Liebschaft, doch es blieb letztlich bei einer Affäre, Ende Sommer aber war der Reiz ausgereizt und wir machten Schluss, dies nur rasch als Randbemerkung).

Heute, da jede Aufgabe und/oder Tätigkeit eine passende und/oder offizielle Bezeichnung braucht, um eine Wertigkeit und/oder einen Sinn zu haben, würde das, was wir mit diesen hör- und trinkbaren «Zutaten» anstellten, sicherlich mit dem Begriff «Vorglühen» beschrieben. Damals jedoch gab es dafür noch keinen Namen, es ging allein ums gute, entspannte Gefühl – das sich praktisch von selbst einstellte, wenn man am Samstagabend mit den drei besten Kumpels verspielte Synthie-Musik hören, eisgekühlte Drinks süffeln und straflos mit masslosen (sprich zur Hälfte anständig erfundene und zur anderen Hälfte unanständig übertriebene) Mädchengeschichten prahlen durfte. Pointierter formuliert: Im Gegensatz zu heute brauchte man in den Eighties als Teenie erstaunlich wenig, um happy zu sein.

Mit der «italienischen Dusche» ab ins Glück
Doch wie es der jugendliche Sturm und Drang halt so an sich hat, genügt das Gute manchmal nicht, man will mehr oder am liebsten grad zu viel davon. Was für die hier beschriebene Nacht bedeutete, dass wir vier erst rasch «italienisch duschten» (sprich Deo in die Achselhöhlen und Parfüm in die nicht vorhanden Brusthaare sprühten), uns danach trotz (oder eher: gerade wegen) dem süsslichen Cinzano-Räuschchen auf die frisierten Piaggo- und Puch-Maxi-Töffli schwangen, die kleinen Maschinen in einer Art Kanon starteten und durch die laue Sommernacht in die Badeanstalt Mythenquai frästen, die für dieses Seenachtsfest extra geöffnet wurde.

Weil die schon damals schön gestalte Badeparkanlage am See für das angekündigte Grossfeuerwerk geradezu ideal gelegen war, schien es, als hätten sich hier praktisch alle Bewohner der Quartiere Enge, Wollishofen und Leimbach hier eingefunden; die Menge war so immens, dass es fast kein Durchkommen mehr gab. Das war zwar einerseits cool,  weil: wo ganz viele Menschen, da laut Wahrscheinlichkeitsrechnung eben auch ganz viele Fräuleins in unserem Alter (bevor jetzt ein Entrüstungsorkan lostobt: In der Epoche, in der diese Geschichte spielt, war die Emanzipation noch nicht gar so weit fortgeschritten, deshalb wurde der Begriff «Fräulein» noch nicht als Abwertung oder gar als Sexismus gelesen … und unter uns: markant charmanter wäre  die Bezeichnung «Girls» also auch nicht gewesen). Andrerseits waren wir aber eben auch angeheitert. Und eine Jeunesse dorée, die angeheitert ist, wird unberechenbar – sogar für sich selbst!

Konkreter gesprochen: Völlig überraschend setzten wir die Prioritäten neu, verzichteten aufs geplante Schäkern mit Mädchen … und pirschten uns stattdessen unauffällig (oder so unauffällig das in unserem Zustand ging) an die am Ufer liegenden Bademeisterboote heran. Es waren klassische, rechteckige, mit Holzrudern bestückte Nachen – unbewacht!
Wahrscheinlich schauten wir uns in dem Moment verschmitzt an (wer kann das nach so langer Zeit noch mit Gewissheit sagen), und ebenso wahrscheinlich gab einer von uns vier dann das Kommando «Los!»

Woran ich mich genau erinnere ist die Euphorie, die wir verspürten, als wir das Boot mit all Kraft durch den Sand ins Wasser schoben, hinein sprangen und begleitet vom halb empört und halb bewundernd gemeinten «Jetzt lueg emal die fräche Sieche a!»-Spruch eines älteren Ehepaars zügig hinaus zum Sprungturm ruderten. Unser Ziel war das Fünf-Meter-Brett – da oben, das wussten wir, würden wir fürs Feuerwerk quasi in der Loge sitzen! Wenige Minuten später waren wir da, machten unseren «Kahn» mit dem Tau mehr schlecht den recht am Sprungturm fest, stiegen die Leiter hinauf, und kaum oben angekommen, klaubte Kollege L. eine der Cinzano-Rosso-Flaschen und vier Plastikbecher aus seinem Benetton-Beutel, es schien das schiere Glück auf Erden.

«Scheisse, die See-Polente!»
Bald danach gab das Seenachtsfest-Komitee den Himmel als Bühne frei, und so tanzten unter lautem Geknalle und Getöse vor unseren Augen Hunderte kunterbunte Lichtfiguren durchs Schwarz, alles er- und verblühte binnen Sekunden, so, als wär dies eine hyperschnelle Zeitrafferaufnahme (die zu jener Zeit rein technisch noch gar nicht möglich gewesen wäre) einer nächtlichen Blumenwiese. Wir waren jedenfalls alle sehr angetan vom Gesehenen und verharrten das erste Mal an diesem Abend in einer Art anmutigen Stille … bis einer rief: «Scheisse, die See-Polente!»

Diese See-Polente hatte nichts mit einem wässrigen Maisgericht zu tun – leider, muss man sagen, denn wir hatten glatt das Essen vergessen und langsam knurrende Mägen –, nein, derart harmlos bezeichnete man damals die Gesetzeshüter, die auf dem Wasser für Recht und Ordnung sorgten. Und weil sie das taten, hängten sie auch unser entführtes Bademeisterboot an ihr Motorboot und brachten es zurück ans Ufer. Plötzlich war die unsere Meinung, der Mythenquai-Sprungturm sei für diesen Abend der womöglich beste Ort der Welt, ein schwerer Irrtum.

Eine Busse in Geldform wurde uns netterweise erlassen, die «Tat» ging wohl als Lausbubenstreich durch. Doch eine Strafe gab es trotzdem – schliesslich standen wir in unserer sommerlichen Samstagabendrobe da draussen auf dem Betonturm, nicht viele, aber doch zu viele Meter vom Steg entfernt … und mussten irgendwie an Land gelangen. Blöderweise war inzwischen auch das Feuerwerk vorbei, weshalb uns, anders als beim Weg da hinaus, nun auch die Aufmerksamkeit eines stattlich grossen und vor allem schadenfreudigen Publikums gewiss war – ein Publikum, das jedes Mal fröhlich johlte und pfiff, wenn einer von uns in voller Montur ins Wasser hüpfte, in erster Linie tunlichst darauf bedacht, beim zaghaften Schwimmen zumindest nicht den Geldbeutel und den Töffli-Schlüssel zu verlieren. Immerhin schafften wirs alle vier heil ans Land, wo wir uns, umzingelt von der lachenden Meute, trocken schüttelten wie junge Hunde nach einem Seebad.

Ich könnte diese Geschichte jetzt noch weitererzählen, und berichten, wie ein paar süsse Mädchen (pardon: «Fräuleins») bei unserem erbärmlichen Anblick ein weiches Herz bekamen, und uns in der Umkleidekabine mit trockenen … aber wir lassen das, denn aus dramaturgischen Gründen ist dieser Schluss der richtige. Danke für die Aufmerksamkeit – und ein schönes Züri Fäscht!

Die VBZ am Züri-Fäscht

Spiel, Spass, viel Musik und auch Informatives: Am Züri-Fäscht 2019 sorgen die VBZ gemeinsam mit dem Radiosender GDS.FM für ein unvergessliches Züri-Fäscht-Erlebnis. Zu den Highlights gehören etwa ein Balancepark und weitere Herausforderungen für unsere verspielten Besucher. Dank einer Virtual-Reality-Brille sehen Sie die Welt für einmal mit ganz anderen Augen. Auch unser Partner GDS.FM, das Radio gegen den Strom, sorgt mit seinen DJs für elektrisierende musikalische Momente. Dazu gibts natürlich auch Speis und Trank, namentlich sind Panda Buns, Rhystorante und Gelateria di Berna an unserem Stand vertreten. Sie finden uns am General-Guisan-Quai vor dem Kongresshaus bzw. dessen Baustelle. Wir freuen uns auf Sie! Alle Infos und das Programm auf einen Blick

 

 

 

 

 

 

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