All unsere Fahrgäste sind herzlich willkommen. Auch jene, die den Bus nicht nutzen, um von A nach B zu kommen, sondern ganz einfach für einen kleinen Ausflug. Manche davon erwartet bisweilen sogar eine Extraportion Zuwendung.
Ich habe Zeit. Sehr viel Zeit. Früher habe ich ja noch das Essen nach Hause gebracht. Das hat in meiner Familie nichts als blankes Entsetzen ausgelöst. Soviel zum Thema «Dankbarkeit». Dabei gehe ich jeweils noch selbst auf die Jagd, aber dafür hat sie natürlich kein Verständnis, diese Gesellschaft mit ihrem Convenience-Food aus der Dose. «Katzen würden Whisky» kaufen, klar doch. Da muss man sich schon fragen, ob manche nicht etwas zuviel davon hatten. Aber nun gut. Ich will ja keinen Ärger. Aus, die Maus. Eigentlich will ich einfach etwas zu essen im Teller und ein schönes Leben. Wobei das mit dem schönen Leben… Also ich wohne in Weiningen. Ja klar, Weiningen ist idyllisch. Ich liebe Weiningen. Aber gleich nebenan ist ein Schrottplatz. Ich bitte Sie, wollen Sie den ganzen Tag neben einem Schrottplatz dem Müssiggang frönen? Dieses Geschepper und Gerumpel von früh bis spät? Eben, ich auch nicht.
Busfahren als Hobby
Deshalb musste ein neues Hobby her. Zuerst habe ich es mit Klettern versucht, aber so nach dem hundertsten Mal rauf und runter, immer am selben Baum, wurde es mir allmählich etwas langweilig. Dazu das ständige Gekläffe von Lumpi, Fido oder wie der struppige Köter in Nachbars Garten auch heissen mag. Da sträubt sich mir das Fell. Hab dann jeweils «Who let the dogs out» gesungen, um ihn ein bisschen zu ärgern. Daraufhin hat tatsächlich einer die Feuerwehr gerufen. Die meinten, mich runterholen zu müssen (mit einer Leiter. Mich, die Klettermeisterin. Erbärmlich.), und da war’s mit dem Frieden endgültig vorbei. Nein Sie, meinen Ruhestand stelle ich mir anders vor.
Dann, eines Tages, stand ich an der Bushaltestelle und wartete darauf, dass die Dame des Hauses endlich den Heimweg findet. Sie entschwindet nämlich jeden Tag mit diesem Bus, keine Ahnung wohin und vor allem wozu. Auf die Jagd geht sie jedenfalls nicht, soviel ist sicher. Item, als das blau-weisse Gefährt endlich daher schnurrte – ein Geräusch, das ich ganz besonders liebe –, stieg sie aus und knuddelte mich. Nichts Ungewöhnliches soweit, sie ist halt eine Gute. Dann aber geschah das Unerwartete: Der Buschauffeur kam hinterher, auf mich zu und… nahm mich in den Arm. Free hugs! Vom Chauffeur. Also sowas passiert selbst mir nicht allzu oft, und wirklich, ich bin es mir ja gewohnt, dass man mich süss findet. Ich bin halt schon eine flauschige Mieze.
Schmusen mit dem Chauffeur
Es hat mir keine Ruhe gelassen. Schon am nächsten Tag bin ich wieder runter zur Bushaltestelle. Hab gewartet. Wieder kommt das Gefährt, der Chauffeur steigt aus, herzt mich liebevoll. Ich muss wohl recht doof aus der Wäsche geguckt haben, aber dann grinste er neckisch und meinte: «Komm rein!». Das habe ich mir nicht zweimal sagen lassen. Ich flugs rein wie der Blitz und schwupps, sass ich auch schon auf dem Sitz. Der beste Platz im ganzen Bus, gleich hinter dem Fahrer. Dort nämlich hatte es ein Gebläse, das mir sanft in meine Nackenhaare pustete. Wellness pur. In Schlieren an der Endhaltestelle hab ich dann noch ein bisschen mit dem Chauffeur geschmust. Die ganze Runde bin ich mitgefahren, und in Weiningen stieg ich wieder aus. Ein schöner Ausflug! Und das, ohne dass mir jemand eine Rheumadecke verkaufen wollte. Oder eine Entsaftungsmaschine. Oder Whisky in Dosen.
Seither mache ich das öfters. Ein Ticket löse ich aus Prinzip keins. Hat auch noch nie jemand eines verlangt. Im Gegenteil, ich kann hier unbehelligt die Aussicht aus dem Fenster geniessen, lasse die Sonne meinen Schnurrbart wärmen, putze seelenruhig die Pfötchen, und egal, wer am Steuer sitzt, an der Endhaltestelle krault mir der Chauffeur den Pelz. Herrlich!
Eine wahre Geschichte
Die Geschichte ist nicht erfunden: Tatsächlich gab es anno 1992 eine Katze, die regelmässig in Weiningen in den Bus einstieg, sich auf ihren immer gleichen Platz setzte, eine Runde mitfuhr, und dann wieder ausstieg. Nach 26 Jahren wird das Tier wohl leider nicht mehr unter uns weilen. Wir hoffen, dass es im Katzenhimmel einen Fensterplatz ergattern konnte und regelmässig das Fell gekrault bekommt. Happy Welttierschutztag!