Unsere erfolgreiche App «Züri schlaflos» offeriert mehr als 170 Geschichten über Zürcher Bars, Clubs, Kulturhäuser, Restaurants und andere urbane Hotspots und Schauplätze. Die Stadtneurotiker, Journalisten und Autoren Philippe Amrein und Thomas Wyss haben über unterschiedlichste Lokalitäten und Orte streng subjektive und oft ziemlich schräge kleine Stadtgeschichten verfasst.
Wie man sich vielleicht erinnern kann, habe ich im Gasthaus Zum Guten Glück in Wiedikon einmal eine Nacht verbracht, weil ich unbedingt ein Filmgefühl nacherleben wollte: Das Gefühl eines Mannes, der innerhalb kürzester Zeit flüchten und abtauchen muss – weil er entlarvt wurde oder eine schwere Dummheit angestellt hat – und sich dann in einem unauffälligen Motel ein Zimmer nimmt, sich aufs Bett legt, eine Zigarette anzündet, eine Bierdose öffnet und nachdenkt.
Als ich dann so da lag, auf dem Bett im Guten Glück – tatsächlich mit Bier, aber ohne Zigi; es war ein Nichtraucherzimmer –, war ich blöderweise so stark darauf fokussiert, dieses besondere «Gefühl» zu spüren, diese speziellen Gedanken zu denken, dass rein gar nichts passierte. Doch aufgeben ist nicht so mein Ding, also unternahm ich einen zweiten Anlauf, diesmal jedoch im Kafischnaps.
Dieses Gasthaus ist verwandt mit dem Zum Guten Glück: Es hat dieselben Eltern (sprich Besitzer), ähnliche Preise und das gleiche Konzept – allerdings gibt es in der dazugehörigen (und dezent trendigeren) Café-Bar keine Pfannkuchen, sondern «normale» Gerichte. Dafür sind die Zimmer nach Schnäpsen benannt; das eine heisst «Kirsch», ein anderes «Quitte», das «Pflümli» ist die Suite, und ich nahm natürlich das «Williams».
Anders als beim ersten Versuch war die «Tat», die mich zum Untertauchen zwang, diesmal ein Fantasieprodukt. Allerdings ein krasses: Ich hatte dem Zürcher Ableger der Russenmafia durch einen blöden Zufall 200’000 Franken abgenommen – es war Drogengeld! – und dabei ebenfalls unabsichtlich einen russischen Killer ausgeknipst. Mit diesem imaginierten Wissen lag ich bei offenem Fenster im dunklen Zimmer, trank Bier und paffte Zigaretten (das Rauchen wäre natürlich auch hier verboten gewesen, doch es gab der Sache halt das gewisse «Etwas»). Diesmal klappte es mit dem Gefühl und dem Denken, ja, es klappte derart gut, dass ich, als es plötzlich an die Tür polterte, tatsächlich glaubte, das sei die Russenmafia, die mich gefunden hatte und nun kalt machen würde. Es war dann nur ein Gasthausangestellter, der mich in strengem Ton auf das Rauchverbot hinwies.
Der Schreck sass aber tief in den Knochen, beim Frühstück am nächsten Morgen sah ich aus, wie man nach zweimonatiger Schweinegrippe aussieht. Deshalb würde ich meinen Selbstversuch nicht unbedingt zur Nachahmung empfehlen – das Kafischnaps aber kann ich gleichwohl sehr ans Herz legen.
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