Unsere erfolgreiche App «Züri schlaflos» offeriert mehr als 170 Geschichten über Zürcher Bars, Clubs, Kulturhäuser, Restaurants und andere urbane Hotspots und Schauplätze. Die Stadtneurotiker, Journalisten und Autoren Philippe Amrein und Thomas Wyss haben über unterschiedlichste Lokalitäten und Orte streng subjektive und oft ziemlich schräge kleine Stadtgeschichten verfasst.
Die Josefwiese
Es stimmt, Josef Wiese leistete einen wichtigen Beitrag an unser Gesellschaftsleben – er brachte nämlich 1974 gemeinsam mit seinem Vetter Aloys Coppenrath die erste gefrorene Sahnetorte auf den Markt. Mit der Entstehung der Josefwiese im Kreis 5 aber hatte der gute Mann aus Deutschland nichts zu schaffen. Diese wurde anno 1920 im Zuge des ersten Genossenschaftswohnungsbooms geplant und ausgesät, in dieser Nachkriegszeitphase entwickelte sie auch ihren verblüffend vielseitigen Charakter. Anders formuliert: Hätte die «Josi» (wie sie von Anwohnern liebevoll genannt wird) eine Stimme, würde sie in bester VBZ-Manier sagen: «Ich bin im Fall auch ein Park, ein Spielplatz, ein Fussball-, Pétanque- und Tai-Chi-Feld, eine Verpflegungsstätte und ein Zufluchtsort im Kriegsfall». Okay, die Sache mit dem Krieg muss man etwas präzisieren – der Zivilschutzraum, der 640 Personen Platz bietet, befindet sich unter der Wiesenoberfläche. Aber der Rest – pas mal, oder?
Als ich in den 90er-Jahren selbst einmal in der Nachbarschaft wohnte, war ich denn auch tief beeindruckt, wie ich mit der Zeit die Vielfalt und emotionale Bedeutung der Josefwiese zu begreifen begann. Dabei ist ihre Grünfläche mit 20 000 m2 ja alles andere als riesig. Umso grösser jedoch ist die fürsorgliche Liebe der Multikulti-Familie des Industriequartiers für ihr grünstes Mitglied: Immer wieder mal wurden die Wiese und ihre schattenspendenden Bäume bedroht – durch die Vereinnahmung der Drogenszene, durch überzogene Bauprojekte, durch die trendige Gentrifizierung anlässlich der Entstehung der Viaduktpassage. Und immer wieder ist es den Anwohnern gelungen, alle diese potenziellen Negativeinflüsse mit Vehemenz abzuwehren.
Das heisst jedoch nicht, dass heute alles noch genauso aussieht wie bei der Geburt der «Josi»: Ab 2010 wurde die ganze Parkanlage nämlich schrittweise sanft renoviert und modernisiert. Der Kiosk, der nur noch aus Nostalgiegründen so genannt wird, ist dabei zum bäumigen Lokal mit ansprechendem Kulturprogramm gewachsen und offeriert ein Speiseangebot, das hin und wieder fast Gourmettempelniveau erreicht. Und der Kinderspielplatz hat es dank der 5-Sterne-Topbewertung in Deutschlands grössten Online-Spielplatzkatalog geschafft!
Am Charakter der wunderbaren Stadtoase, das merke ich jedes Mal, wenn ich hier im Lindenschatten wegdöse oder in Petanque- und Ping-Pong-Turnieren untergehe, hat sich dadurch aber glücklicherweise nichts geändert. Jaja, die «Josi»…manchmal könnte man glatt glauben, sie stehe in Sachen Popularität praktisch auf Augenhöhe mit dem Rütli.
Genau das wird sich auch morgen, am 1. August zeigen. Es werden sicherlich fast gleich viele Leute feiern, wie auf dem Rütli. Nur gehen die Feierlichkeiten wohl etwas entspannter über die Bühne.
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