Wo die Ritter der Limmat aufeinanderstossen

Kaum ist das «Züri-Fäscht» vorbei, steht schon die nächste Zürcher Tradition in den Startlöchern und die Zünfter im Boot. Wenn auch nicht lang: Am «Schifferstechen» versuchen die unerschrockenen Männer, sich mit der Lanze gegenseitig vom Boot zu stossen.

Was findet in der Zürcher Innenstadt alle drei Jahre im Juli statt? «Das Züri-Fäscht!», werden Sie freudig ausrufen. Das ist zwar richtig, hier und jetzt geht es aber gerade um einen anderen, ebenso urzürcherischen Anlass – um das «Schifferstechen» nämlich. Das Turnier wird von der Zunft zur Schiffleuten und dem Limmat Club Zürich auf der Limmat vor ihrem Zunfthaus durchgeführt. Anders als der Name vermuten lässt, gehören zur Zunft der Schiffleute nicht nur die Berufsleute zu Wasser, sondern ebenso die Fischer, Seiler – und Karrer. Die Karrer, ein frühdeutsches Wort für jene, die eben den Karren führen, würde man heute Transporteure nennen. Oder, etwas konkreter für Zürich übersetzt, Trampiloten und Buschauffeure. Letztere stehen zwar nicht im Boot, aber bringen Sie zumindest zum Limmatquai, wo der Anlass stattfindet. Und natürlich möchten wir Ihnen nicht vorenthalten, was sich am grossen Turnier unserer «Zünfter» zuträgt.

Die Zürcher Zünfte und die Gesellschaft zur Constaffel stellen je einen Stecher, der sich um die Ehre des Zürcher Stechmeisters bewirbt. Dabei versuchen die wackeren Zünfter, sich gegenseitig von den Booten, sogenannten «Weidlingen» und – mit einem lauten «Platsch» – in das kühle Nass hinein zu stossen.

So fröhlich, wie das klingt, war es nicht immer: Die archaisch anmutende Tradition reicht bis ins Spätmittelalter zurück und ist eine bürgerliche Fortsetzung der einstigen Ritterturniere. Anno dazumal wurde mit etwas härteren Bandagen oder, genauer gesagt, mit spitzeren Lanzen, Harnisch, Helm und Schild gekämpft. Früher galten nämlich etwas hemdsärmligere Vorstellungen punkto Gewalt, Risiko und Todesgefahr. Heute wird zum Glück mit stumpfen Lanzen gekämpft, und so kann der Anlass – wegen Corona mit einem Jahr Verspätung – dieses Jahr am 15. Juli erneut stattfinden.  Der Stechmeister von 2017, Florian Hunsperger, wird dabei versuchen, seinen Titel zu verteidigen. Heute erzählt er uns, worum es beim «Schifferstechen» geht.

Herr Hunsperger, wie kommt man dazu, an einem solchen Anlass mitzumachen?

Man wird von der eigenen Zunft nominiert, und natürlich ist es eine Ehre, seine Zunft am Schifferstechen vertreten zu dürfen. Als amtierender «Zürcher Stechmeister» bin ich «gesetzt», damit ich versuchen kann, den Titel zu verteidigen.

Wie kann man sich auf das Schifferstechen vorbereiten?

Meiner Meinung nach geht das nur sehr bedingt. Sicher ist der Gleichgewichtssinn von zentraler Bedeutung. Gleichgewichtstraining hilft dabei, die Standhaftigkeit zu verbessern. Ein weiterer Punkt ist die Masse, die Massenträgheit hilft dem schwereren Stecher natürlich bis zu einem gewissen Grad. Mein Kampfgewicht ist ein paar Kilo tiefer als vor 6 Jahren, da habe ich wohl in die falsche Richtung trainiert. Aber da am Schluss die Kombination aus Schnelligkeit, Gleichgewicht, Gewicht und Glück über Sieg oder Niederlage entscheidet, würde nur ein effektives Training mit den Schiffen auf dem Wasser und mit Gegner nützen.

Wie lauten die Regeln?

Da gibt es nur wenige, aber die sind wichtig. Man muss die Lanze auf die vorgeschriebene Art halten und auf die Brust des Gegners richten. Sonst wird man disqualifiziert. Gleiches gilt, wenn man dem Gegner die eigene Brust nicht darbietet, sich abdreht oder ausweicht…… und man darf die Lanze nicht fallen lassen!

Und wer gewinnt am Ende?

Die Frage ist, wer verliert! Verlierer ist, wer mit einem oder beiden Füssen von der Plattform im Boot tritt oder vom Boot fällt. Gibt es keine Entscheidung, das heisst beide bleiben auf dem Podest oder beide treten beziehungsweise fallen runter, dann wird der Kampf wiederholt.

Das klingt nicht ganz einfach…

Deshalb gibt es zur Vorbereitung jeweils ein Probestechen, damit man ein Gefühl für die Sache bekommt. Dieses Jahr findet das Probestechen am Samstag, 8. Juli im Rahmen des Züri-Fäschts im Seebecken statt.

Ein ziemlicher Trubel! Macht Sie das nicht nervös?

Die Kulisse ist einmalig. Rund um das Limmatbecken versammeln sich die Zuschauer, einerseits Kollegen und Mitzünfter der Stecher, aber auch viele Touristen und Passanten. Ich persönlich bin mir einen gewissen Trubel von meinen Hobbies und der Familie mit zwei kleinen Kindern gewohnt und habe kein Problem mich auf das Wesentliche zu fokussieren!

Wie sorgen Sie dafür, dass Sie auf dem Boot bleiben?

Man muss den richtigen Moment erwischen, um mit der Lanze Druck aufzubauen, und dabei das Gefühl für das Schiff nicht verlieren. Sonst fährt es einem buchstäblich unter den Füssen weg. Schlussendlich braucht es auch eine gute Portion Glück.

Es gab da im 2017 noch eine Geschichte mit einem versenkten Boot…?

Beim Schlussgang 2017 bin ich zwar auf der Plattform geblieben, doch das Boot hat sich so stark auf die Seite gelegt, dass es sich mit Wasser füllte und unterzugehen drohte. Die Seepolizei und die versierten Ruderer des Limmatclubs konnten es retten. Aber ich habe trotzdem gewonnen!

Das Schifferstechen der Zürcher Zünfte

Das 14. Zürcher Schifferstechen findet am 15. Juli beim Weinplatz (Limmatquai) ab 16 Uhr statt. Mehr Infos unter der Website des Schifferstechens.

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