Die Lengg ist das Zentrum eines stetig wachsenden Gesundheitswesens. Damit verbunden wachsen auch die Anforderungen an den ÖV. Andrea Rytz, CEO der Schulthess-Klinik und Vereinspräsidentin des Gesundheitsclusters Lengg über ein geordnetes Wachstum und die Ziele im Gebiet Lengg.
Im Jahr 2026 findet ein historischer Moment für Zürich statt: Gleich sieben Linien auf einen Streich tauschen unter dem Titel «Tramnetz Süd» einzelne ihrer Streckenabschnitte. Das Ziel dieser Umstellung ist eine Kapazitätsverbesserung auf der Forchstrasse. Im Gebiet Lengg steigen mit der Eröffnung des Kinderspitals Ende 2024 nämlich zusehends die Anforderungen an den öffentlichen Verkehr. Im Vorfeld der Planung haben freilich zahlreiche Gespräche stattgefunden, etwa mit Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Quartiere oder mit dem Gesundheitscluster Lengg: Der Verein bündelt die Synergien von acht Kliniken. Wir haben mit Andrea Rytz, CEO der Schulthess-Klinik und Vereinspräsidentin des Gesundheitsclusters über ihre Aufgabe und die Veränderungen im Quartier gesprochen.
Frau Rytz, wie kam es zur Vereinsgründung und zu Ihrem Auftrag als Vereinspräsidentin des Gesundheitsclusters?
Das Gesundheitscluster existiert schon seit 2017. Als der Landabtausch zum Bau des Kinderspitals stattfand, ordnete der Regierungsrat eine Gebietsplanung an. Man wollte einem unkontrollierten Wachstum der Kliniken vorbeugen und eine ganzheitliche Planung einläuten. Im Gesundheitscluster sind alle Klinikdirektoren sowie Kantons-, Stadt- und Quartiervertreter und weitere Player wie etwa die VBZ mit von der Partie. Ich selbst stiess vor acht Jahren zur Schulthess-Klinik und wurde somit Teil des Gebietsmanagements Lengg. Ursprünglich aus einer Anordnung heraus geboren, erkannten die Vereinsmitglieder schnell die Chance, das Gebiet gemeinsam zu gestalten. Als der vormalige Vereinspräsident das Hirslanden und somit auch den Verein verliess, war ich deshalb gerne bereit, den Vorsitz zu übernehmen.
Nun ist auf den kommenden Herbst die Eröffnung des Kinderspitals geplant. Sind zusätzliche Erweiterungen der medizinischen Angebote im Gebiet Lengg angedacht?
Darin besteht eine der Aufgaben der Gebietsplanung Lengg, nämlich genau das zu untersuchen: Welche Kliniken haben in Zukunft (bis 2040) wieviel Bedarf für ihr Angebot? Das Ziel ist, dass jede Klinik ihre Ausbauwünsche geordnet vollziehen kann. «Geordnet» bedeutet auch mit Blick auf eine verkehrsverträgliche Lösung oder eine optimale Grünraum-Nutzung. So, dass für die Menschen, die hier wohnen, hinterher eventuell sogar ein besseres Grünraum-Nutzungsangebot besteht als dies heute schon der Fall ist.
Das bringt zweifelsfrei Veränderungen für das Quartier mit. Auf der Website des Gesundheitsclusters wird der Ausbildungsauftrag und die Forschung hervorgehoben. Wird der Anspruch an Wohnraum im Quartier, etwa für Auszubildende und Personal, steigen?
An unseren öffentlichen Veranstaltungen kommt immer wieder die Frage des bezahlbaren Wohnraums auf – also ja, das ist sicher ein Bedürfnis der Bevölkerung. Ich glaube, wichtig ist auch, dass es sich um qualitativ hochwertigen Wohnraum handelt. Entsprechend haben wir viel Energie, Zeit und Geld in die Grünraum-Thematik investiert. Wir möchten keine Betonwüsten bauen, sondern – wenn überhaupt Gebäude gebaut werden – solche, die verschiedene Nutzungszwecke bedienen können.
Im Prinzip bedeutet der Ausbau der Kliniken für die Quartierbewohnerinnen und -bewohner, dass sie an der Quelle einer guten medizinischen Versorgung sitzen…
Absolut, obwohl man ja sagen muss, dass unser Quartier sehr gut erreichbar ist. Im Jahr 1995, als die Schulthess-Klinik hierherzog, hat man noch gedacht: «Um Himmels Willen, jetzt ziehen wir von der Stadtmitte an den Stadtrand.» Die Entwicklung des Gebietes ist aber schon heute so fortgeschritten, dass es kein Problem ist, zu uns zu kommen. Zunehmend mehr Menschen, die bei uns ein- und ausgehen, bedeuten aber auch höhere Anforderungen an die Verkehrssituation. Es gilt also, Alternativen wie dem ÖV gegenüber dem motorisierten Individualverkehr mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als man das vielleicht in den 2000er-Jahren noch getan hat.
Was bedeutet das für die Kliniken in der Lengg beziehungsweise ihre Mitarbeitenden und Patienten?
Das Auto bietet natürlich eine gewisse Bequemlichkeit, was bei einer Fahrt durch die Innenstadt zu gewissen Zeiten jedoch relativiert wird… So oder so, wenn man eine bestimmte Anzahl an Fahrten nicht überschreiten darf – und diese Vorgabe wird uns der Kanton auferlegen – muss man sich als Arbeitgeberin überlegen, wie man den Mitarbeitenden attraktive Angebote unterbreiten und ihnen die Vorteile schmackhaft machen kann, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen.
Unter dem Titel «Mehr ÖV» setzt eine Mobilitätsgruppe des Gesundheitsclusters denn auch Anreize für den Umstieg auf den Öffentlichen Verkehr. Wie sehen diese konkret aus?
Alle Kliniken in der Lengg haben gemeinsam mit der SBB eine Möglichkeit für die Mitarbeitenden eingeführt, vergünstigte ÖV-Tickets beziehungsweise -Abonnemente zu beziehen. Das war der erste Schritt, jetzt wollen wir beobachten, wie sich das weiterentwickelt. Im Gegenzug haben alle Kliniken ihre Parkplatzpreise erhöht.
Wie sieht die aktuelle Erfolgsquote für dieses Modell aus?
In der Schulthess-Klinik konnten wir seit der Einführung vor einem Jahr 450 Bonuspässe abgeben. Die grössere Herausforderung, als Mitarbeitenden attraktive Angebote zu bieten, ist es jedoch, die Patientenströme zu lenken. Wir prüfen daher, wie wir auch für unsere Patienten einen geeigneten Anreiz setzen könnten, den ÖV zu nutzen. Dies mit dem Ziel, die Forchstrasse zu entlasten.
Wo sehen Sie die längerfristigen Herausforderungen im Gebiet, vor allem auch in Bezug auf den ÖV?
Was mir ein etwas ungutes Gefühl beschert, ist die mangelnde Alternative zur Forchstrasse. Diese wird zukünftig noch an Bedeutung gewinnen. Gibt es dort einen Unfall, der die Tramlinie blockiert, bedeutet das für unsere Mitarbeitenden einen Fussmarsch von einer halben Stunde. Patienten mit einer operierten Hüfte stecken dann schlicht fest. Man müsste sich überlegen, wo eine Alternativroute verlaufen könnte.
Im Dezember 2022 wurde die Linie 77 zum Balgrist verlängert und eine neue Linie 99 eingeführt, die das Kispi / Balgrist / Klinik mit Zollikon verbindet. Konnten Sie einen Mehrwert dieser Massnahmen feststellen?
Wir hatten ja, um ehrlich zu sein, zunächst gewisse Zweifel, ob das genutzt würde. Der Bus schien am Anfang auch nicht wirklich gut ausgelastet zu sein. Aber lustigerweise haben die Menschen nach einem halben Jahr angefangen, das Angebot anzunehmen. Es hat jetzt viel mehr Leute an der Haltestelle, die auf den Bus warten. Für die Schulthess-Klinik bedeutet das, dass Patienten, die nicht gut zu Fuss sind, direkt vor die Haustüre fahren können.
Am 5. Dezember wurde mit dem «Tramnetz Süd» ein weiterer Kapazitätsausbau in Richtung Balgrist angekündigt. Wie kam das beim Gesundheitscluster an?
Für uns ist das natürlich ein Segen. Das ist das Schöne am Gesundheitscluster Lengg: Würden wir all diese Themen nicht regelmässig miteinander diskutieren, könnten solche Ausbaupläne der VBZ nicht in einem derartigen Tempo erfolgen. Dieses schnelle, gemeinsame Vorwärtsdenken ist wirklich genial. Stellen Sie sich vor, wenn Sie irgendwann in der Enge ein- und hier oben wieder aussteigen können! Was ich auch höchst spannend finde, ist die hohe Kadenz von drei Minuten. Wenn der Zug ankommt, hat man im Grunde auch sofort ein Tram, das ist wahnsinnig hoch frequentiert. Ich glaube, das ist der absolut richtige Ansatz. Wir müssen nämlich inskünftig noch mehr Leute über diese Strecke zu uns und wieder zurück in die Stadt bringen können.
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