Von Farben und Zahlen

Man könnte meinen, die Nummerierung und Linienfarben der VBZ-Fahrzeuge sind so alt, wie die Verkehrsbetriebe selbst. Tatsächlich aber wurden sie im Laufe der Zeit nach und nach ins Leben gerufen, verworfen und wiederbelebt. Der Autor und langjährige VBZ-Mitarbeiter Bruno Gisler hat in Zusammenarbeit mit dem Verein Tram-Museum Zürich die Geschichte der Tram- und Buslinien der Stadt Zürich genau recherchiert und in einem über 100-seitigen Buch festgehalten.

Wer sich in der Stadt Zürich mit dem ÖV bewegt, der orientiert sich an Farben und Nummern. Ja, es geht sogar so weit, dass diese ein Teil der eigenen Identität werden können. Allenfalls haben auch Sie, werte Leserin, werter Leser, «Ihre» Linie?

Vielleicht ist genau das der Grund, warum der interne «VBZ-Historiker» Bruno Gisler immer wieder mit Fragen rund um die Herkunft der Ziffern und Farben konfrontiert wird. Die Leute wollen mehr über die Geschichte «ihres» Trams oder Busses erfahren, weil sie feste Bestandteile ihres Lebens sind. Um nicht ständig die gleichen Fakten zu recherchieren, hat er im Buch «Tram- und Buslinien in Zürich» die Details zu allen Linien festgehalten.

«Die Nummer 1 umgibt irgendetwas Magisches, das die Leute fasziniert.»

Der Mythos der Tramlinie 1

«Allen voran kommt natürlich die Frage, warum es in Zürich das Tram Nummer 1 nicht gibt», sagt Gisler. Nicht alle wissen, dass es ein 1er-Tram wirklich gegeben hat. Wenige wissen, welche Strecke es fuhr. Und Gisler gehört zu den ganz wenigen, die zudem noch wissen, dass es im Zeitraum 1906 bis 1954 im Einsatz war. Es fuhr zuletzt die Strecke Burgwies – Kreuzplatz – Kunsthaus – Hauptbahnhof – Hardplatz. 1954 wurde der 1er zuerst auf einen Autobus umgestellt, kurz später mit der Umstellung auf Trolleybusbetrieb folgte dann die Umbenennung auf Linie 31.

«Die Nummer 1 umgibt irgendetwas Magisches, das die Leute fasziniert. Wirklich erklären kann ich mir dieses Phänomen auch nicht. Klar, es ist eine Lücke, aber zwischen 15 und 17 besteht auch eine, und trotzdem fragt kaum jemand nach dem Verbleib des 16ers.»

Eigentlich wird versucht, solche Lücken beim Einführen neuer Linien zu schliessen. Trotzdem hat man bei der jüngsten Linie (17) darauf verzichtet, die Linie 1 wieder auferstehen zu lassen. Der 17er war bereits mit Farbe vorbereitet. Und wer jetzt auf eine neue Strecke wartet, um endlich wieder einen 1er auf den Schienen zu sehen, der wird wahrscheinlich enttäuscht. Nummer 16 ist, wie damals die 17, auch schon bereit – mit der Farbe dunkelblau (ob und wo sie fährt, steht aber noch in den Sternen).

Farbenfroh

Auf das Prinzip Linien-Farbe setzt man bei den VBZ schon eine ganze Weile. 1900 wurden die Farben erstmals eingeführt und erfreuten sich schon damals grosser Beliebtheit. Das war auch ein Grund, warum man bei der Einführung der Zahlen 1906 den Farben trotzdem treu blieb. «Der Gedanke war wohl auch, dass man ein Tram schon von weitem erkennen soll. Ein kurzer Blick sollte genügen.» Ein System, das sich bewährt hat und das viele Städte erst später wieder aufgriffen, nachdem sie geglaubt hatten, die Zahlen würden die Farben überflüssig machen.
So hatte man in Zürich schon früh die zwei Orientierungsmerkmale. Allerdings wurden die Farben durch Streckenänderungen und Aufhebungen immer wieder neu verteilt. Den 11er hats bisher am meisten erwischt. Er war schon weiss, gelb, braun und ist seit 1952 grün.

Und die Busse?

Die Gestaltung der Busnummern hat sich im Verlauf der Geschichte als ziemlich komplex herausgestellt. Die Idee, für die Busse Buchstaben statt Zahlen zu nutzen, ging nur solange gut, bis die brauchbaren Buchstaben allmählich knapp wurden (viele Buchstaben, wie etwa das «H» waren im mündlichen Verkehr leicht falsch zu verstehen). So entschied man sich 1954 für die Trolleybusse (in Abgrenzung zu den Trams) Zahlen von 31-60 zu nutzen, und für die Autobusse 61-99.

Aber die Stadt- und Verkehrsentwicklung rüttelte auch an diesem System. Eine neue Philosophie war gefragt (1972). Die Nummern parallel verlaufender Buslinien sollten sich im Schriftbild möglichst klar voneinander unterscheiden. Als Beispiel nennt Gisler im Buch die Linien 47, 53 und 86 ab Witikon. Wenn Ihnen also die Busnummern Ihrer Gegend völlig willkürlich und zusammenhangslos vorkommen, dann ist das ganz richtig so.

Die Idee, für die Busse Buchstaben statt Zahlen zu nutzen, ging nur solange gut, bis die brauchbaren Buchstaben allmählich knapp wurden.

Die Einführung des Zürcher Verkehrsverbundes ZVV im Jahr 1990 machte das Konzept für die Busnummern nicht gerade einfacher. Regionalbusse trugen ab sofort eine dreistellige Nummer. So erhielten beispielsweise alle Busse, die ins Furttal fuhren, eine 4 vorangestellt.
Verschiedene Massnahmen haben bis heute versucht, mehr Ordnung und Übersicht zu schaffen. Die letzte im Jahr 2008: Die wichtigsten städtischen Buslinien (namentlich 31, 32, 33, 46, 62, 72, 80, 94) erhielten Linienfarben. Damit sie im farbigen Linienplan nicht mit den Tramlinien verwechselt werden, sind die Busfarben in dezenten Pastelltönen gehalten. Dies aber nur auf dem Fahrplan, den Haltestellen und den Bildschirmen im Innern der Busse. Aussen sind sie weiterhin schwarzweiss angeschrieben (die elektronische Leuchtschrift der Busse kann keine Farbe darstellen).

Und wenn Ihnen jetzt vor lauter Zahlen und Farben der Schädel brummt, ist das vielleicht ein Hinweis dafür, dass es früher oder später ein neues System braucht. Fortsetzung folgt bestimmt…

Quelle

Das Buch «Tram- und Buslinien in Zürich» (Bruno Gisler, Verein Tram-Museum Zürich, 2012) enthält noch viele weitere Details über die Entwicklung der Linienführungen. Die Publikation deckt den Zeitraum vom Rösslitram 1882 bis zum Fahrplanwechsel 2011 ab. Interessierte können das Buch beim Verein Tram-Museum Zürich bestellen. www.tram-museum.ch

Artikel teilen:

Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten. Durch die weitere Nutzung der Website stimmen Sie unserer Datenschutzerklärung zu.
Mehr erfahren