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Viel Gleis, wenig Platz

Das Central war, ist und bleibt ein ganz spezieller Tramknotenpunkt: problembeladen, anspruchsvoll für Planer und Verkehrsteilnehmer. Schon seit 1882 liegen hier Tramschienen. Mehrfach wurden sie ausgewechselt, die Gleisanlage wurde indes nur einmal grundlegend angepasst. Das ist lange her. Trotz längerer Tramkompositionen hat sich seit 65 Jahren kaum etwas verändert. Nun wird das Sorgenkind saniert, so gut es geht. Es gibt neue Gleise und die Haltekanten der Linien 4 und 15 werden den Bedürfnissen der Zeit angepasst. Anlass für eine kurze geschichtliche Würdigung des interessanten Platzes.

Es klemmt

Ein spezielles Problem gab es 1882 gleich nach der Betriebsaufnahme: In der engen Kurve bei der Bahnhofbrücke klemmten die Räder der Rösslitram-Wagen derart, dass bei starker Belegung der Wagen ein zweites Pferd Vorspanndienst leisten musste, um den Wagen durch den Rank zu ziehen. Eilends wurde das Gleis umgebaut, so dass die Räder nicht mehr klemmten und das Problem nie mehr auftrat.

Ausweichstelle des einspurig angelegten Rösslitrams (die Ausweichgleise sind 70,1 bzw. 65,3 m lang); noch ist von der Weinbergstrasse nichts zu sehen (sie wurde erst 1896 in den Platz eingeführt), auch das Neumühlequai fehlt; dafür mündet der Hirschengraben in den Platz. (Stadtarchiv Zürich, Signatur Ⅶ.4.:19)
Central 1899, Blick flussaufwärts. Die Rösslitram-Strecke ist inzwischen auf Doppelspur ausgebaut. Ausser einer Haltestellentafel am Laternenpfahl beim Brückenkopf keinerlei Haltestelleninfrastruktur. (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Ausweichstelle des einspurig angelegten Rösslitrams (die Ausweichgleise sind 70,1 bzw. 65,3 m lang); noch ist von der Weinbergstrasse nichts zu sehen (sie wurde erst 1896 in den Platz eingeführt), auch das Neumühlequai fehlt; dafür mündet der Hirschengraben in den Platz. (Stadtarchiv Zürich, Signatur Ⅶ.4.:19)
Central 1899, Blick flussaufwärts. Die Rösslitram-Strecke ist inzwischen auf Doppelspur ausgebaut. Ausser einer Haltestellentafel am Laternenpfahl beim Brückenkopf keinerlei Haltestelleninfrastruktur. (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)

Später gab es auf der anderen Platzseite ein Problem, nämlich die Ausfahrt Richtung Weinbergstrasse. Die Haltestelle befand sich damals in der Kurve. In der anschliessenden Steigung von rund 70 Promille war es bei schlechtem Schienenzustand (etwa bei Nieselregen) für die alten Zweiachsmotorwagen samt Anhänger fast nicht möglich, das Anfahren und die anschliessende Bergfahrt zu bewältigen. Der Sandverbrauch soll enorm gewesen sein und an einen Betrieb mit zwei Anhängewagen war vorerst gar nicht zu denken. Die Verhältnisse besserten sich, als ab 1929 die extrem schweren Vierachser-Elefanten in Dienst gestellt wurden, welche die Anhängewagen mit weniger Mühe durch die Kurve und die Steigung hinauf zogen. Selbst heute noch fordert die Stelle bei problematischem Schienenzustand die Fahrkünste des Personals heraus.

Neben den technischen traten sehr bald die betrieblichen Probleme auf. Mit der zunehmenden Liniendichte kamen sich die Tramkurse mehr und mehr gegenseitig in die Quere. Die immer längeren Tramzüge verschärften das Problem; die Haltestelleninseln erwiesen sich als viel zu klein. Die Zunahme des Privatverkehrs brachte den Platz erst recht an den Rand eines Kollapses.

Central 1912. Das Wehr im Vordergrund dient der Regulierung des Zürichsee-Wasserstandes. (Seit 1951 besorgt diese Aufgabe das Platzspitzwehr.) (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Warten auf das Tram anno 1914; hutbedeckte Häupter sind die Regel. Alte Haltestellenlage an der Verzweigung Weinbergstrasse mit eiserner Wartehalle von 1909, im Hintergrund links Hirschen-, rechts Seilergraben. (Archiv VBZ)
Central 1927 mit Blick auf die noch recht schmale Bahnhofbrücke. Von rechts aus der Stampfenbachstrasse kurvt ein Tramzug der Strassenbahn Zürich–Oerlikon–Seebach um das Hotel Central. Mitten im Fluss stehen noch die Limmatbauten mit dem alten Globus (1950 abgebrochen). (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Central 1912. Das Wehr im Vordergrund dient der Regulierung des Zürichsee-Wasserstandes. (Seit 1951 besorgt diese Aufgabe das Platzspitzwehr.) (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)
Warten auf das Tram anno 1914; hutbedeckte Häupter sind die Regel. Alte Haltestellenlage an der Verzweigung Weinbergstrasse mit eiserner Wartehalle von 1909, im Hintergrund links Hirschen-, rechts Seilergraben. (Archiv VBZ)
Central 1927 mit Blick auf die noch recht schmale Bahnhofbrücke. Von rechts aus der Stampfenbachstrasse kurvt ein Tramzug der Strassenbahn Zürich–Oerlikon–Seebach um das Hotel Central. Mitten im Fluss stehen noch die Limmatbauten mit dem alten Globus (1950 abgebrochen). (Baugeschichtliches Archiv der Stadt Zürich)

Die Planung des neuen Centrals begann bereits 1937, der Zweite Weltkrieg warf diese jedoch zurück und erst 1950 konnte mit den Bauarbeiten begonnen werden. Und zwar in ganz grossem Stil. Das Stadtbild des ganzen Gebietes erhielt ein völlig neues Gesicht. Die Bauten in der Limmat verschwanden, Limmat-, Bahnhofquai und Bahnhofbrücke wurden verbreitert und am Central wurde mehr Raum geschaffen durch Veränderungen am Limmatbett und durch Häuserabbruch. Ein Jahr später entstand für das Tram eine viergleisige Anlage – ein Trambahnhof, wie die Kritiker monierten. Vom Limmatquai zur Weinbergstrasse wurde eine neue Gleisverbindung geschaffen, welche die Linie 15 bis heute benützt und die auch für Umleitungen wertvoll ist. Allerdings entstand mit dieser Querverbindung auch eine neue Quelle lästiger Eigenbehinderungen. Mit dem ersten grossen Umbau seit 1951 wird jetzt dieses Problem ein Stück weit entschärft.

Gleispläne 1900 bis 2017

Aus der Artikelserie «Wichtige Knotenpunkte» von Peter Manz in der VBZ-Personalzeitschrift «Kontakt», April 1981.

Bescheidene Gleisanlage im Jahr 1900. Das private Tram nach Oerlikon–Seebach hat seinen Endpunkt in der Stampfenbachstrasse und besitzt keine Gleisverbindung zum städtischen Tramnetz.
1919, das Örliker Tram wendet nun von der Stampfenbachstrasse über das neu erstellte Verbindungsgleis via Bahnhofbrücke–Bahnhofquai–Stampfenbachplatz; in der Zwischenzeit (1906) sind auch in der Weinbergstrasse Schienen verlegt worden.
Von 5 auf 13 Weichen im Jahr 1951. Limmatquai und Bahnhofbrücke sind verbreitert, ebenso der Seilergraben. Statt des Hirschengrabens begrenzt jetzt eine hohe Stützmauer den Platz. Im zentralen Bereich eine viergleisige Anlage mit Haltestelleninsel.
Kernstück des gegenwärtigen Umbaus: Die Gleise der Linien 4 und 15 werden leicht gespreizt (blaue Linien) und die Weichen weiter Limmatquai-aufwärts verlegt.
Bescheidene Gleisanlage im Jahr 1900. Das private Tram nach Oerlikon–Seebach hat seinen Endpunkt in der Stampfenbachstrasse und besitzt keine Gleisverbindung zum städtischen Tramnetz.
1919, das Örliker Tram wendet nun von der Stampfenbachstrasse über das neu erstellte Verbindungsgleis via Bahnhofbrücke–Bahnhofquai–Stampfenbachplatz; in der Zwischenzeit (1906) sind auch in der Weinbergstrasse Schienen verlegt worden.
Von 5 auf 13 Weichen im Jahr 1951. Limmatquai und Bahnhofbrücke sind verbreitert, ebenso der Seilergraben. Statt des Hirschengrabens begrenzt jetzt eine hohe Stützmauer den Platz. Im zentralen Bereich eine viergleisige Anlage mit Haltestelleninsel.
Kernstück des gegenwärtigen Umbaus: Die Gleise der Linien 4 und 15 werden leicht gespreizt (blaue Linien) und die Weichen weiter Limmatquai-aufwärts verlegt.

Einst Kreuzung ohne Namen

1950 begann nicht nur der Umbau, der Platz erhielt auch einen neuen Namen. Im vorletzten Jahrhundert war am Eingang zum Niederdorf, in dem die ärmeren Bevölkerungsschichten zusammengepfercht hausten, eine namenlose Strassenkreuzung. Als 1882 das Rösslitram seinen Betrieb aufnahm, entstand hier eine Haltestelle. Sie hiess geografisch korrekt, aber etwas umständlich formuliert: «Bahnhofbrücke rechtes Ufer». Eigentlich hatte die Kreuzung schon damals Platzcharakter. Es war der Quartierverein Unterstrass, welcher Ende 1895 anregte, der Örtlichkeit einen Namen zu geben; er präsentierte auch gleich zwei Vorschläge: «Neumühleplatz» oder «Escherplatz». Bereitwillig nahm der Zürcher Stadtrat die Anregung auf, verfügte jedoch einen andern Namen: «Leonhardplatz». Im Januar 1896 war die Taufe vollzogen. Die Namenwahl wurde historisch begründet: Weiter nördlich befand sich einst die St. Leonhardkapelle. Obwohl das nie offiziell sanktioniert wurde, schmuggelte sich im Laufe der Zeit klammheimlich ein «s» in den Namen. Im Stadtplan, seit 1926 auch im Tram-Linienplan, machte sich die Variante «Leonhardsplatz» breit und war nicht mehr auszurotten.

Allerdings wurde der Name «Leonhardplatz», mit oder ohne «s», von den Zürchern nie goutiert. Für die Bürger war der Platz immer «das Central» und die hier ansässigen Ladenbesitzer kamen nie auf die Idee, ihre Lage mit «am Leonhardplatz» zu bezeichnen, in den Inseraten schrieben sie stets «beim Central». Wie der «Tages-Anzeiger» 1950 berichtete, kam es in den Tramwagen wiederholt zu Wortgefechten, weil die Kondukteure die Haltestelle pflichtgemäss mit «Leonhardsplatz» ausriefen, die Fahrgäste immer wieder dagegen protestierten, der Platz heisse «Central». Die städtische Strassenbenennungskommission sträubte sich zunächst gegen eine Änderung, doch als Gewerbetreibende und Anwohner resolut eine Umbenennung forderten, gab sie ihren Widerstand allmählich auf und brachte den Namen «Centralplatz» ins Spiel. Mit Stadtratsbeschluss Nummer 2260 vom 3. November 1950 wurde ein Machtwort gesprochen. Seither heisst der Platz offiziell – in der populären Kurzform – «Central». Vox populi hat gesiegt.

Spitzenverkehr im Jahre 1979: Trams, Schienen, Weichen … (Archiv VBZ)
In der verkehrsschwachen Zeit konnte es 1975 am Central noch recht idyllisch sein. (Archiv VBZ)
Spitzenverkehr im Jahre 1979: Trams, Schienen, Weichen … (Archiv VBZ)
In der verkehrsschwachen Zeit konnte es 1975 am Central noch recht idyllisch sein. (Archiv VBZ)

Damit wurde nach dem Bellevue ein zweiter grosser Zürcher Platz nach einem Hotel benannt. Während das Bellevue nicht mehr besteht, existiert das 1883 erbaute Hotel Central noch heute. Von der dortigen Café-Bar hat man gar einen prima Ausblick und kann bei einem Verveine-Tee oder einem Tschumpeli Yvorne genüsslich das Tramgeschehen auf dem Platz beobachten …

Die gute alte Kanzel in den Stadtfarben Blau-Weiss gibts nur noch am Central: manuelle Verkehrsregelung durch die Polizei persönlich. (Archiv VBZ)
Andrang nicht nur auf dem Platz selber: Alle wollen auf die Polybahn, Warteschlange in der «Studenten-Morgenspitze». (Archiv VBZ)
Die gute alte Kanzel in den Stadtfarben Blau-Weiss gibts nur noch am Central: manuelle Verkehrsregelung durch die Polizei persönlich. (Archiv VBZ)
Andrang nicht nur auf dem Platz selber: Alle wollen auf die Polybahn, Warteschlange in der «Studenten-Morgenspitze». (Archiv VBZ)

Mehr zum Umbau erfahren

Mehr Informationen zum anstehenden Umbau erfahren Sie im Artikel «Wartedächer für alle» (21. April 2017).

Das entsprechende Umleitungskonzept finden Sie unter www.vbz.ch > Aktuelles > Baustellen.

 

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