Verkehrsmodell zeigt, wo VBZ ihr Netz ausbauen müssen

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Zürich wächst! Um 100'000 Einwohner und 40'000 neue Arbeitsplätze bis im Jahr 2040, so die Prognose. Neue Stadtbewohner und Pendler sorgen für zusätzlichen Verkehr. Das fordert die VBZ, die mit einer klugen Netzentwicklung ihre Kapazitäten dem prognostizierten Wachstum anpassen müssen. Wichtiges Instrument dabei: Verkehrsmodellierungen, die aufzeigen, welche Massnahmen welche Wirkung haben werden.

Zürichs Wachstum findet schwergewichtig in Altstetten und in Zürich Nord statt. Hinzu kommen Verdichtungen im bebauten Stadtgebiet, das vom bestehenden Strassennetz sowie von Tram und Bus bereits erschlossen ist.

Der Verteilkampf um Verkehrsraum

Eine besondere Herausforderung stellt sich überall dort, wo neue Überbauungen entstehen, aber wichtige Verkehrszubringer bereits heute kaum mehr über zusätzliche Kapazitäten verfügen. Dazu gehören die Thurgauerstrasse, Zürich-Affoltern und der Bereich Überlandstrasse in Schwamendingen. ÖV und Individualverkehr (IV) machen sich dort den begrenzten Verkehrsraum schon heute streitig. Velofahrer reklamieren zusätzliche Bedürfnisse und wollen Fahrradwege, auf denen sie die stehende Blechkolonne sicher überholen können. Automobilisten wehren sich gegen die Aufhebung von Fahrbahnen und gegen alles, was ihre individuelle Freiheit schmälert. Fussgänger rufen nach sicheren Verbindungen, Anwohner nach weniger Lärm und Gestank.

Verkehrsnachfragemodelle – mehr als ein Blick in die Kristallkugel?

Der Verteilkampf um die limitierte Verkehrsfläche gewinnt an Härte. Er fordert auch die VBZ-Daten- und Mobilitätsanalysten Christoph Baur und Franz Bleck, die mit ihrem verkehrs- und datentechnischen Knowhow und ihren Modellierungen den Verkehrs- und Angebotsplanern wichtige Hinweise über künftige Mobilitätsbedürfnisse und die Wirkung von Ausbaumassnahmen liefern. Dabei nutzen sie ein vom Amt für Mobilität des Kantons in Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich erstelltes makroskopisches Verkehrsmodell.

Die Verkehrsingenieure Franz Bleck (links) und Christoph Baur sind bei den VBZ die Spezialisten für Verkehrsmodellierungen.
Die Verkehrsingenieure Franz Bleck (links) und Christoph Baur sind bei den VBZ die Spezialisten für Verkehrsmodellierungen.

Quantitative Verkehrsnachfragemodelle wollen die Verkehrsströme zu einem zukünftigen Zeitpunkt unter vorgängig spezifizierten Annahmen modellieren. Wichtige Parameter werden in Raumplanung und Entwicklung (z.B. wirtschaftliche oder demographische Entwicklung, verändertes Verkehrsangebot, neue Verkehrsverbindungen) vorgegeben.

Da Wohnen, Arbeiten und Einkaufen meist an verschiedenen Standorten stattfinden, sind Ortsveränderungen und damit das Verkehrsnetz belastende Mobilität die Folge. Bei der Wahl des Verkehrsmittels spielt nebst Komfort und Verfügbarkeit die Reisezeit eine wichtige Rolle. Denn Verkehrsteilnehmer suchen sich den aus ihrer Sicht bequemsten, sichersten und kürzesten Weg und nutzen das für ihre jeweiligen Bedürfnisse am besten geeignete Verkehrsmittel.

Unbekannte erschweren Vorhersagen

Die grösste Unbekannte solcher Modelle sind Prognosen zur Entwicklung von Bevölkerung, Arbeitsplätzen und Mobilitätsbedürfnissen. So war Homeoffice vor Covid-19 für die Verkehrsplaner keine relevante Grösse. Jetzt, da sich ein bis zwei Wochentage im Homeoffice durchgesetzt haben, beeinflusst dies auch die Pendlerströme. Andere wesentliche Einflussgrössen sind die Konjunktur und das Zinsumfeld, welche die Baukonjunktur direkt beeinflussen. Aufgrund hoher Zinsen werden Bauvorhaben zurückgestellt. Eine schleppende Konjunktur führt dazu, dass Arbeitsplätze später an- oder umgesiedelt werden. Diese Einflüsse lassen sich nicht präzise vorhersagen, was die Genauigkeit der Modellberechnungen beeinflusst.

Genau modellieren lassen sich indessen Fahrplananpassungen. Wird zum Beispiel der Takt einer Buslinie verdichtet, steigt damit ihre Attraktivität. Das motiviert einige Autofahrer zum Umstieg auf den öV. Durch deren Wegfall verflüssigt sich der iV, was wiederum Andere zur Nutzung des eigenen Autos verleitet.

Diese Wechselwirkungen gilt es zu berücksichtigen, wenn Daten- und Mobilitätsanalysten wie Christoph Baur und Franz Bleck ihre Modellberechnungen anstellen die aussagen sollen, wie sich die bauliche, siedlungs- und verkehrspolitische Situation dereinst auf den Verkehr und die Mobilitätsbedürfnisse  auswirken, welche Engpässe neu entstehen und wo potentielle Nadelöhre mit welcher Priorität behoben werden sollten, weil dann Anschlüsse nicht mehr gewährleistet werden können, sich Fahrzeiten massiv verlängern, oder zusätzlicher Verkehr dort entsteht, wo Lärm- und Kapazitätsgrenzen bereits erreicht oder überschritten sind.

«Solche Gesamt-Verkehrsmodelle sind das Beste, was wir haben. Sie sind sowohl wissenschaftlich als auch politisch anerkannt», beschreibt Christoph Baur die Verlässlichkeit dieser Methode.

Wachstum macht Zürich Nord zum Hotspot für Verkehrsentwicklung

Für ganz Zürich haben Christoph Baur und Franz Bleck das System mit allem gefüttert, was einen Einfluss auf das künftige Verkehrsaufkommen und die Verkehrsströme haben könnte. Dabei wurde deutlich, dass das prognostizierte Wachstum in Zürich Nord die Verkehrssituation auf der Thurgauerstrasse, in Affoltern und im Bereich Überlandstrasse in Schwamendingen gegenüber heute deutlich verschärfen wird. Auch ist offensichtlich, dass dem öV eine attraktive Ost-West-Verbindung fehlt, die mit einer neuen Nordtangente geschaffen wird. Schon heute haben bestehende Buskorridore ihr Kapazitätslimit erreicht.

Die prognostizierte Bevölkerungszunahme und neue Arbeitsplätze, die sich in diesem Quartier ansiedeln werden, bestätigen die «Tramwürdigkeit». Diese ist etwa zwischen Zehntenhausplatz und Bucheggplatz gegeben, wo das Tram Affoltern eine leistungsstarke neue Verbindung schaffen wird. Auch zwischen Neuaffoltern – Bahnhof Oerlikon – Aubrücke rechtfertigt die steigende Nachfrage eine neue Tramlinie. Denn von den im städtischen Netz verkehrenden Fahrzeugen bietet das Tram die höchste Flächeneffizienz, das heisst es transportiert in Relation zur beanspruchten Verkehrsfläche mit Abstand die meisten Fahrgäste.  

öV nutzt beschränkte Verkehrsfläche effizienter

Überhaupt gewinnt die Flächeneffizienz zunehmend an Bedeutung. Dies, weil der Strassenraum begrenzt und im urbanen Raum von Gebäuden gesäumt ist. Strassenverbreiterungen für neue Fahrspuren sind kaum möglich. Also gilt es jene Verkehrsmittel zu fördern, die bei geringem Flächenbedarf möglichst viele Menschen von A nach B bringen können.

Hier schwingt das Tram gegenüber dem Bus deutlich obenaus. Es kann seine Vorteile am besten ausspielen, wenn es an Kreuzungen bevorzugt wird und auf eigenen Trassen verkehrt. Wenn ein Tram die Verkehrsfläche mit Bus und Autos teilt, dann droht es wie diese in der Kolonne stecken zu bleiben. Das verlängert die Fahrzeit, mindert die Pünktlichkeit und damit die Servicequalität. Deshalb will Zürich den öffentlichen Verkehr weiter fördern.

Aber nicht nur Zürich Nord und die Herausforderungen, die sich für den Erhalt eines vernünftigen Verkehrsflusses stellen, wurden untersucht. Das gesamte Verkehrsnetz der Stadt wurde unter die Lupe genommen. Zu den Fragen, die für die VBZ von besonderer Relevanz sind und Eingang in die Netzentwicklungsstrategie 2040 fanden, gehörten unter anderem: Gibt es genügend Fahrgäste für angedachte Linien oder wird an der künftigen Nachfrage vorbeigeplant? Können für das prognostizierte Wachstum auch ausreichend Kapazitäten zur Verfügung gestellt werden? Wie verhält es sich mit der Wirtschaftlichkeit des künftigen Angebotes? Können die VBZ einen Beitrag zu den verkehrlichen Entwicklungszielen der Stadt leisten?

Grundlagen für Netzentwicklung und Bedarfsprognosen

Die Antworten auf diese Fragen bilden jene Entscheidungsgrundlagen, die für einen sinnvollen Mitteleinsatz unabdingbar sind. Sie helfen bei der Staffelung der Massnahmen, da sie Abhängigkeiten aufzeigen. Sie weisen auf jene Knoten hin, die sich zu Flaschenhälsen entwickeln, die schnelle öV-Verbindungen bremsen und deren Attraktivität mindern. Sie zeigen aber auch, wo neue Linien bestehende konkurrenzieren oder ergänzen. So waren die Planer überrascht zu lernen, dass die wachsende Nachfrage längerfristig sowohl einen Tram-Tunnel in Wipkingen als auch eine Tunnellösung am Hönggerberg rechtfertigt. Ihre Annahme war, dass ein solches Projekt den Bedarf des anderen absorbiert.

Die Erkenntnisse aus diesen Verkehrsmodellen und -modellierungen liefern wesentliche Grundlagen für weitere Planungsschritte und machen aus der Netzentwicklungsstrategie 2040 einen Masterplan, dessen Etappen notwendig sind, damit der öffentliche Verkehr in Zürich seine Herausforderungen langfristig meistern und das von der Bevölkerung geschätzte Qualitätsniveau halten kann.

Mehr zum Thema

Möchten Sie tiefer in die Thematik der Netzentwicklungsstrategie eintauchen? Auf vbz2040.ch finden Sie alle Informationen inklusive einer interaktiven Karte zur Netzentwicklungsstrategie 2040.

Mehr zum Thema ausserdem im Dossier der Netzentwicklungsstrategie 2040

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