«Safety» als Passion

Gefahrlos die Stadt unsicher machen. Einer, der das möglich macht, ist Heinz Illi, Safety Verantwortlicher bei den VBZ. Ein Porträt.

«Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.», sagt der bekannte deutsche Dichter und Kabarettist Joachim Ringelnatz. Der amerikanische Sozialpsychologe Abraham Maslow, Erfinder der sogenannten «menschlichen Bedürfnispyramide», erklärt die Sicherheit indes zum humanen Grundbedürfnis. So oder so: Sicherheit bewegt. Damit dort, wo sich der Mensch bewegt, für Sicherheit gesorgt ist, das stellt bei den VBZ vor allem einer sicher: Der Safety-Verantwortliche.

Früher, in den sorglosen 80ern, wurde das Thema «Sicherheit» bei den VBZ eher etwas stiefmütterlich behandelt. Da gab es gerade mal eine einzige Person im ganzen Unternehmen, die sich mit dem Thema auseinandersetzte. Die Zeiten haben sich geändert und damit auch das Bewusstsein für dieses Thema. «Safety first» lautet das Motto für jeden Einzelnen. Egal ob es um Technik, Infrastruktur oder den Betrieb draussen geht: Ein Netz von Verantwortlichen sorgt für den doppelten Boden, und der Mann, bei dem letztlich alle Fäden zusammenlaufen, ist Heinz Illi, der Safety-Verantwortliche.

Was aber ist ein Safety-Verantwortlicher? Vorab sei erklärt, was er nicht ist: Ein Security. Den gibt’s nämlich auch: Der Security-Verantwortliche stellt nach einem Anlass den Normalzustand wieder her, räumt quasi auf. Der Safety-Verantwortliche hingegen sorgt grob gesagt dafür, dass das Daily Business gefahrlos abläuft. Wo dies gefährdet erscheint, greift er ein.

Die Suche nach der Quelle des Übels

Ein paar konkrete Beispiele: Sicherheit beginnt bei so simplen Dingen wie den Bodenmarkierungen. Die zeigen dem Tram an, wo es zu halten hat. Und unseren Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit eingeschränktem Sehvermögen, wo sie unbekümmert einsteigen können. Sind diese Markierungen nicht mehr deutlich sichtbar, kann’s schon mal gefährlich werden. Häufen sich plötzlich in einem spezifischen Bereich die Unfälle, beginnt Illi damit, die Daten zu analysieren. Und versucht, ein Muster zu erkennen, das auf einen gemeinsamen Nenner schliessen lässt. Vielleicht gibt es ein Problem mit der Weichenstellung. Oder ein wankelmütiger Anmeldungsdetektor sendet die falschen Signale an die Signalanlage. Detektivarbeit ist gefragt.

Sicherheit beginnt beim Mensch

Wer sich nun Heinz Illi als klassischen Schreibtischtäter vorstellt, liegt komplett falsch. Was diesen Mann beschreibt, und was ihn massgeblich in seinem Job beflügelt, ist vor allem seine Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen – und seine Freude an Menschen. Der Illi hat diese seltene Mischung aus Ruhe und Lebhaftigkeit. Eine gelassene Persönlichkeit, zentriert. Gleichzeitig spricht er mit den Händen.

Menschen: Das sind einerseits die Senioren, die er in seiner Schulung «Sicher unterwegs» liebevoll bei Kaffee und Kuchen motiviert, nicht auf ihren erhöhten Lieblingsplatz im Bus zu klettern, sondern die leichter zugänglichen Sitze bei der mittleren Türe anzusteuern. Mit ihnen übt er, wie sie die Rampe mit dem Rollator überwinden und sensibilisiert sie auf die Gefahrenquellen, die entstehen, wenn man sich während der Fahrt nicht festhält. «Die älteren Leute haben eine Menge zu erzählen, das ist immer spannend», lächelt er. Es sind aber auch die Schüler der vierten bis sechsten Klasse, die er fit für den ÖV macht. «Die Kids sind natürlich sehr lebhaft, da muss man kürzere Sequenzen bringen, die wollen aktiv sein.» Der Vater von vier Kindern und zweifache Grossvater freut sich: «Manchmal begegnet man ihnen später wieder, dann winken sie mir zu. Das ist sehr schön.»

Sicher unterwegs mit dem Rollator: Heinz Illi weiss wie's geht. (Bild: VBZ)

Das dritte Auge gegen Gefahr

Was braucht ein Safety-Verantwortlicher? Gute Beziehungen. Und die hat Illi: Seit 1979 bei den VBZ, kennt er unterdessen fast jeden, und jeder kennt ihn. Er ist ein Networker: Viele Augenpaare sehen mehr, und diesem Umstand ist es geschuldet, dass die Cobra neuerdings über ein drittes Auge die Strecke erleuchtet. Vier Nächte lang hätten die Kollegen und er in einer Cobra das gesamte Liniennetz der VBZ abgefahren, erzählt er ganz unaufgeregt. Dabei wurde getestet, ob alle heiklen Passagen vorgängig korrekt auf GoogleMaps abgemessen und in die Software einprogrammiert wurden. Von Betriebsschluss bis frühmorgens zum Betriebsanfang, 286 Kilometer – das dauert, denn das Tram fährt höchstens 60 Stundenkilometer, und selbst das gewiss nicht, wenn der Sicherheitsverantwortliche drin sitzt.  An den fraglichen Stellen blinkt jetzt das Positionslicht am Tram und warnt alle, die das herannahende Fahrzeug übersehen könnten.

Blinkt an unübersichtlichen Stellen: Das dritte Auge der Cobra. (Bild: VBZ)

Gemeinsam für ein unfallfreies Zürich

Natürlich kann Illi nicht alle nötigen Verbesserungen im Alleingang bewältigen. «Eine grosse Unterstützung ist jenes Team von Tramführerinnen und -führern, die derzeit nicht im Fahrbetrieb eingesetzt werden können – zumeist wegen Rückenproblemen, das gibt es leider oft.» Das Ziel ist selbstverständlich die rasche Wiedereingliederung in den Fahrbetrieb. Doch in der Zwischenzeit erledigen diese Mitarbeitenden wertvolle Dienste, für welche die Stadt üblicherweise weder Zeit noch Geld hat. Sie beobachten die Signalanlagen und machen Platzdienst an Haltestellen, an denen grosser Andrang besteht. Sie entfernen Kleber von Haltestellen, sie putzen. Nicht auszudenken, wie die Haltestellen aussähen, gäbe es dieses Team nicht. «Die Leute sind extrem zuverlässig. Die gehen nicht heim, bevor sie ihre Sache erledigt haben, und wenn es bis tief in die Nacht dauert.» Aus Illis Worten spricht ungekünstelte Dankbarkeit.

Drehscheibe Illi und die Polizei

Die Drehscheibe Illi ist auch Bindeglied zu den sogenannten «Blaulicht-Organisationen». Er schult Polizisten, wo es um die Schnittstellen zwischen den Verkehrsbetrieben und unseren «Freunden und Helfern» geht. Erleben bringt mehr als Theorie. Und so verhilft Illi den Kollegen Ordnungshüter zu Erfahrungen.  Zum Beispiel als Chauffeur in einem Bus.

Apropos Polizei. Geht es um Signal- oder Spurprobleme, kommt Illi die gute Zusammenarbeit mit der Dienstabteilung Verkehr der Stadtpolizei zugute – und umgekehrt. Ohnehin gibt es keine Sicherheit ohne ein stellenübergreifendes Teamwork, vor allem, wenn Standards festgelegt werden müssen. Zum Beispiel dafür, wie vorgegangen werden muss, wenn bei der Arbeit Strom im Spiel ist. Der Austausch im SIKO-Team (kurz für Sicherheitskoordination) bringt die Erfahrungen aller Beteiligten auf einen Nenner. Und sorgt für Regeln, die für alle gelten und greifen.

Ich bin auch ein Stadtrat

Der engagierte Illi räumt nebst seinem Vollzeitpensum bei den VBZ auch in Dietikon potenzielle Gefahren aus dem Weg – als Stadtrat. Dort ist er – wie könnte es anders sein – zuständig für die Bereiche Sicherheit und Gesundheit.

Das 140-prozentige Pensum ist nur durch wahre Passion, durchdachte Organisation und flexible Arbeitszeiten in den Griff zu bekommen. Flexibel ist dabei vor allem er selbst. Oft arbeitet er schon, bevor der erste Hahn kräht und geht, wenn es längst dunkel ist. «Das sind die Zeiten, in denen sich in Ruhe arbeiten lässt.» Auch Samstage bleiben nicht verschont. Aber die Aufgabe als Stadtrat bringt auch «viel Schönes, zum Beispiel wenn ich einem 100-jährigen Jubilaren die Ehre erweisen darf.» Aus solchen Begegnungen ziehe er spürbar Energie, betont Illi.

Bereits seit elf Jahren füllt er diese Doppelrolle aus – und sagt, dass sich die dabei gesammelten Erfahrungen sowohl für die Zürcher Verkehrsbetriebe wie auch für den Dietiker Stadtrat positiv auswirken würden. So zurückhaltend seine Erscheinung auf den ersten Blick sein mag: Illi zieht die Fäden und geniesst es, wenn das Gewobene den Menschen eine spürbare Verbesserung bringt.

«Gefährliche Situationen sehe ich ganz automatisch, offene Schachtdeckel zum Beispiel.»

No risk, no fun

Sicherheit in Zürich, Sicherheit in Dietikon. Ist Heinz Illi einer, der zum Ausgleich am Wochenende mit dem Mountainbike den Berg hinunterrast, ganz nach dem Motto «no risk, no fun»? Er schüttelt den Kopf und sagt, Spass bedeute für ihn, Menschen vor Leid zu verschonen: «Gefährliche Situationen sehe ich ganz automatisch, offene Schachtdeckel zum Beispiel.»

Illi kann nicht aus seiner Haut, will es auch nicht. Als Dietiker Sicherheitsvorstand könne er auch nicht einfach bei Rot über die Strasse hühnern, und im Tram hält er sich fest.  Kein Mountainbike also? «Doch, aber mit Helm.»

Sicher unterwegs im Radio

Ebenfalls zum Thema «sicher unterwegs» ist am 08. März 2017 Jürg Widmer, Leiter Betrieb bei den VBZ, im Sendeformat Ratgeber des SRF1 aufgetreten.

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